Der Unfall mit einer Jugendlichen ereignete sich am Olgaeck. Foto: Steinert

März 2012: Eine Schülerin wird von einem Zug der U7 angefahren - die Warnlichter an der Haltestelle Olgaeck sind defekt. Und: das Problem war schon länger bekannt.

S-Mitte - Das erste Gefühl war ein schlechtes Gewissen: „Hätte ich hartnäckiger sein müssen?“ Das war ihr erster Gedanke, sagt Veronika Kienzle, die Vorsteherin des Stadtbezirks Mitte, nachdem sie am 20. März eine 15 Zeilen lange Zeitungsmeldung gelesen hatte. Überschrift: „Stadtbahn erfasst 15-Jährige“. Tags zuvor, es war ein Montag, hatte um kurz nach eins eine Bahn der Linie U 7 eine Schülerin angefahren. Die 15-Jährige wurde schwer verletzt. Rettungskräfte versorgten sie vor Ort und brachten sie ins Krankenhaus. Den Fahrer der Bahn musste ebenfalls ein Arzt behandeln. Er hatte einen Schock erlitten. Der Unfallort war die Haltestelle Olgaeck, genauer: Der Fußgängerweg am oberem Ende. Dort waren die Warnlichter defekt. Davor hatte Kienzle schriftlich gewarnt, drei Wochen vor dem Unfall. Als Antwort bekam sie einen Dank für den Hinweis, einige Tage später die Nachricht, die Reparatur sei schwierig und dauere noch.

Nach den Erkenntnissen der Polizei gibt es keinen Schuldigen, nur ein Unglück. „Es gab keine Ordnungswidrigkeit, erst Recht keine Straftat“, sagt der Polizeisprecher Martin Eibofner. Der 43 Jahre alte Fahrer musste warten, weil eine andere Bahn kreuzte. Er fuhr an, als das Signal ihm freie Fahrt anzeigte. Die Schülerin rannte nicht bei Rotlicht über die Straße, hatte ihre Ohren nicht mit Kopfhörern verstöpselt, telefonierte nicht. Die Polizei stellte keine der Ablenkungen fest, die üblicherweise die Aufmerksamkeit Jugendlicher trüben. Die Schülerin prallte vorn rechts auf. Dass der Zug nicht in Fahrt, sondern eben erst angefahren war, war wohl lebensrettend.

Überweg wird von Schülern genutzt

Kienzles schlechtes Gewissen ist einer Wut gewichen, die nicht schwinden will. Vor zwei Wochen erzählte sie dem Bezirksbeirat von Unfall und Warnung. Wenn sie heute über ihr Schreiben spricht, sagt sie nicht minder empört, „dass man so etwas nicht drei, vier Wochen schleifen lassen kann“. Ausgerechnet Schüler hatten sie auf die Gefahr hingewiesen. Wenn zwei entgegenkommende Bahnen aneinander vorbeifahren, ist die hintere von ihnen weder zu sehen noch zu hören. Fußgänger, die hinter dem Heck des einen Zugs loseilen, laufen im ungünstigsten Fall direkt in die Front des anderen hinein. Eben davor warnt ein sogenanntes Springlicht.

Über dem „hingen Tüten“, sagt Kienzle, in einem solchen Fall „muss ich im Zweifel eben einen Hiwi losschicken, der sich dort hinstellt“. Die Mail, die sie ihren Mitarbeiter hatte schicken lassen, war unmissverständlich betitelt: „Gefahr im Verzug“. Darunter machte die Bezirksvorsteherin ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Schüler dreier Gymnasien den Überweg benutzen.

Sicherheit an Haltestellen ein Dauerthema

Die Stuttgarter Straßenbahnen AG will zu dem Unfall nichts sagen, jedenfalls nicht, so lange die Polizei noch ermittelt. Die Warnlichter „besitzt und betreibt das Tiefbauamt“, sagt die SSB-Pressesprecherin Birte Schaper lediglich. Warum so lange nichts geschah, „müsste man dort erfragen“. Ob der Überweg wegen des Unfalls zusätzlich gesichert wird, ist offen. „Das kommt auf die Ursache an, und wir entscheiden es gemeinsam mit Partnern“, sagt Schaper. So ist es grundsätzlich. Gleich ob mit oder ohne Anlass – die Sicherheit rund um Haltestellen ist regelmäßiges Thema einer Runde, in der Vertreter des Unternehmens, der Stadt und beratender Institutionen wie der Polizei sitzen.

Kienzle hatte ihre Warnung nicht nur an die SSB geschickt, sondern auch ans Ordnungsamt. Die richtige Adresse wäre aber das Tiefbauamt gewesen. Das spielt in diesem Fall keine Rolle, denn die Nachricht erreichte die zuständige Stelle sogar, wie der Abteilungsleiter Jochen Hutt bestätigt. Allerdings war die Reparatur „schwierig, denn es war ein Softwareproblem“, sagt Hutt. Das Amt gab die Nachricht an die Herstellerfirma weiter. Die will das Warnlicht dieser Tage wieder in Betrieb nehmen, fast zwei Monate nach der Warnung.