Hoch- oder Niederflur? Der Streit um die Stadtbahn dreht sich im Kreis. Foto: dpa

Statt eine regionale Lösung für eine Stadtbahn durch den Kreis Ludwigsburg zu suchen, kocht jeder Bürgermeister sein eigenes Süppchen. Ein Gipfel der Absurdität.

Ludwigsburg - Hatten sich Landrat Rainer Haas und Oberbürgermeister Werner Spec im Laufe des Freitags noch heftig über die Zukunft der Stadtbahn gestritten, lieferten sie am gleichen Abend ein Schauspiel ab, das den Eindruck von großer Harmonie verbreiten sollte: Die Ludwigsburger Kreisbehörde hatte Vertreter der betroffenen Kommunen zu einem ÖPNV-Gipfel geladen. Was sich indes nicht einstellen wollte, war der Eindruck, dass hier wirklich alle an einem Strang ziehen – auch wenn das alle Redner behaupteten.

Allein der im vergangenen Jahr geschaffene Begriff einer Doppelstrategie, erwies sich als mehr denn doppeldeutig: Nachdem jahrelang um eine für alle vorteilhafte Lösung für eine Bahnverbindung zwischen Remseck, Ludwigsburg und Markgröningen gerungen worden war, war 2017 ein Kompromiss formuliert worden. Eine Doppelstrategie, die vorsah, dass Ludwigsburg ein Konzept für Schnellbusse und die Reaktivierung einer Zugverbindung nach Markgröningen entwickelt, während parallel dazu das Landratsamt die Planung für eine Stadtbahn vorantreibt – und zwar in der Niederflurvariante. Niederflur spielt eine so große Rolle, weil die weniger flexible Hochflurversion in Ludwigsburg nur nach großen Eingriffen ins Stadtbild fahren kann. Ein Problem, das die übrigen Partner nicht haben.

Ringschluss mit SSB?

Die erste Überraschung gab es gleich zu Beginn der Gipfel-Veranstaltung – eine kleine, aber nicht unwesentliche Protokolländerung: Auf dem Podium im Kreishaus saßen neben den bisher schon an der Debatte beteiligten Bürgermeistern aus Remseck, Kornwestheim, Ludwigsburg, Möglingen und Markgröningen auch die von Korntal-Münchingen und Schwieberdingen. Landrat Haas erklärte das damit, dass sich in den letzten Tagen ganz neue Entwicklungen gegeben habe.

Er bezog sich darauf, dass die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), die an der Markungsgrenze von Ditzingen ein Depot bauen möchte, signalisiert hat, dass die Stadtbahn bis Ditzingen verlängert werden könnte. Seither wittern auch Korntal-Münchingen und Schwieberdingen die Chance, an das Stuttgarter Stadtbahnnetz angeschlossen zu werden. Im Nu war die Rede von einem Ringschluss in Umlauf, die der Landrat, ein Verfechter der Hochflur-Stadtbahnen, nur zu gern aufgegriffen hat.

Der Korntaler Bürgermeister Joachim Wolf appellierte: „Auch wenn wir erst im nächsten Förderzyklus zum Zug kommen, planen Sie diese Perspektive mit ein, für eine kompatible Trasse mit Stuttgart.“ Sein Schwieberdinger Kollege Nico Lauxmann warf die Zahl von 6500 Bosch-Beschäftigten am Standort in die Waagschale: Die Firma und deren Mitarbeiter benötigten die Unterstützung des Kreises.

Nachdem der Landrat in einer Präsentation die Bedeutung von Schnellbussen und einer Bahnreaktivierung mit Fragezeichen versehen und noch einmal die Kosten der verschiedenen Varianten Hoch- und Niederflur gegeneinander auflisten ließ, folgerte er: „Warum also sollten wir nur die Variante Niederflur prüfen?“ Damit schaffe man im Kreis Ludwigsburg nur eine „Insellösung“, die zudem im Betrieb viel teurer kommen könne. Für Spec eine klare Kampfansage.

Rasche Lösungen sind nötig

„Wir hatten vor einem Jahr eine Einigung“, sagte der Ludwigsburger OB. „Ich frage mich, ob wir die gerade verlassen.“ Er verstehe die Zweifler nicht. Die Varianten Schnellbus und Bahnreaktivierung hätten einen unschlagbaren Vorteil: Sie seien binnen drei, vier Jahren zu realisieren, während eine Stadtbahn in egal welcher Form erst frühestens nach 2030 komme.

„Wir können den Bürgern keine Wartezeiten mehr zumuten“, sagte Spec. „Angesichts von unerträglichen Staus und Lärm sowie dem Klimawandel ist es nicht mehr möglich, alles immer wieder ganz relaxt von vorne zu diskutieren.“

Der von den Kritikern der Niederflurbahnen ins Feld geführte nötige Umstieg von Nieder- auf Hochflurbahnen sei unbedeutend. „Schon jetzt gibt es auch in Stuttgart mit der S-Bahn, der Stadtbahn und den Bussen drei verschiedene ÖPNV- Systeme“, sagte Spec. Schon jetzt gehe es nicht ohne Umsteigen. „Doch es funktioniert.“

Auch am Ende des Abends beschwor der Landrat noch einmal die Harmonie: Alle Beteiligten sollten nun den Sommer für die Entscheidungsfindung nutzen.