Konrad Ritz, Obmann der Landwirte, und sein Schwiegersohn Manuel auf dem Areal an der Flachter Straße – einem möglichen Standort für den Stadtbahnbetriebshof. Foto: Chris Lederer

Die Stuttgarter Straßenbahnen wollen ein neues Stadtbahn-Depot in Weilimdorf bauen – damit treffen sie bei Landwirten, Obstbauern und Anwohnern auf Widerstand. Diese fordern eine öffentliche Diskussion über einen Alternativstandort in Hausen.

Weilimdorf - Siegfried Staiger schüttelt den Kopf. Dass ausgerechnet auf den Äckern an der Flachter Straße ein Stadtbahndepot gebaut werden soll, kann er nicht verstehen. „Als wir 1957 unseren Hof an der Stelle bauen wollten, mussten wir ihn wegen einer Frischluftschneise versetzen“, sagt der ehemalige Landwirt. Auch die Genehmigung einer nur fünf Meter hohen Werkzeughalle habe das Baurechtsamt in den 1970ern aus den gleichen, klimatischen Gründen abgelehnt. „Es hieß immer: die Luft ist entscheidend. Und jetzt soll dort ein Stadtbahndepot hin?“

Info-Veranstaltung am 12. März in der Lindenbachhalle

Ganz sicher ist das nicht. Noch nicht. Aber die Fläche an der Flachter Straße ist einer von vier möglichen Standorten für einen neuen Stadtbahnbetriebshof in Weilimdorf, den die Planer der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) und der Stadt in die engere Wahl genommen haben und der bis 2023 gebaut werden soll (wir berichteten). Diese Standorte in Weilimdorf sind nach längerer Suche übrig geblieben: das sogenannte Walz-Areal, ein Standort an der B 295 sowie einer an der Motorstraße und einer an der Flachter Straße. SSB und Stadt machen keinen Hehl daraus, dass sie Flachter Straße und Motorstraße den beiden anderen Alternativen vorziehen. An diesem Mittwoch, 14. Februar, wird das Thema zum ersten Mal im Bezirksbeirat öffentlich vorgestellt – beschlossen wird aber hinsichtlich der Standorte erst einmal noch nichts. Und weil vermutlich die Plätze im Sitzungssaal nicht ausreichen, gibt es für die Bevölkerung am Montag, 12. März, eine öffentliche Veranstaltung in der Lindenbachhalle, bei der dieselbe Präsentation gezeigt wird, und bei der die Besucher Fragen stellen dürfen.

Fragen hat auch Christian Hörnle einige. Der Weilimdorfer Obstbauer hat seine Erdbeerfelder direkt neben dem möglichen Depot an der Flachter Straße. Er befürchtet negative Einflüsse durch den rund 400 Meter langen und 50 Meter breiten Betriebshof mit Abstellhalle und Werkstatt. „Ich frage mich, wie sich diese Bauten auf das Mikroklima auswirken, sicherlich nicht vorteilhaft.“ Auch wisse er nicht, wie viele Obstbäume durch die Stadtbahntrasse verloren gingen. „So wie sie jetzt auf den Plänen eingezeichnet sind, führen sie auch durch Streuobstwiesen.“

„Wir sind keine Hühner, hier leben Menschen!“

Konrad Ritz ist Obmann der Landwirte in Weilimdorf. Als ihr Sprecher kann er weder den Standorten an der B  295, der Flachter noch an der Motorstraße etwas abgewinnen. „Je nach Standort sind wir mehr oder weniger betroffen, die Landwirtschaft braucht Flächen“, sagt er. Nur drei Vollerwerbslandwirte und den Obsthof von Christian Hörnle gibt es noch im Ort. „Wenn es nach den vier Standorten geht, dann wäre uns das Walz-Areal das Liebste, dort ist eh schon die meiste Fläche versiegelt, an der Motorstraße gibt es die besten Böden und über die Flachter Straße läuft eine zentrale Zufahrt für die Landwirtschaft zu den weiteren Äckern und Wiesen“, sagt Ritz. Sie würde durch das Depot blockiert. „Mir wäre am liebsten, es wäre gar keiner dieser Standorte.“

Für SSB und Stadt gilt die Fläche an der ehemaligen Gärtnerei Walz aus verschiedenen Gründen als nicht geeignet. Unter anderem wegen ihrer Nähe zur Wohnbebauung und den mangelnden Erweiterungsmöglichkeiten. Für Motorstraße und Flachter Straße sprächen unter anderem die Nähe zum Gewerbegebiet und die dann mögliche Stadtbahn-Anbindung .

„An der Flachter Straße befindet sich nicht nur Gewerbegebiet“, sagt Siegfried Staigers Sohn Jürgen. Er wohnt mit seiner Familie auf dem ehemaligen Bauernhof, der nicht mehr bewirtschaftet wird. „Die SSB unterschätzt die Begebenheiten kolossal. Der Hof ist reines Wohngebäude, mir ist nicht verständlich, warum man direkt daran angrenzend ein Depot bauen darf – wir sind keine Hühner, hier leben Menschen!“ Auch Familie Schürrle an der Glemsgaustraße kritisiert die bisherige Standortauswahl. „Die SSB-Planer sprechen von Erweiterungsmöglichkeiten, diesen Plänen und der Argumentation der SSB misstraue ich. Und wenn immer mehr erweitert ist, dann ist das Naherholungsgebiet dahin“, sagt Siegbert Schürrle. Und Uwe Schürrle warnt „vor Erschütterungen, die auch an der Glemsgaustraße spürbar würden“.

Weder die Obstbauern und Landwirte noch die Anwohner können nachvollziehen, warum die SSB den Standort eines Depots in Hausen nicht mehr in ihrer engeren Auswahl haben. „Viele Leute wohnen in Hausen und es gäbe Erweiterungsmöglichkeiten nach Ditzingen und auch zum S-Bahnhof in Weilimdorf“, sagt Christian Hörnle. „Ich würde mir wünschen, dass auch über diesen Standort öffentlich diskutiert wird.“ Auf keinen Fall dürfe man die Bereitschaft der Anwohner zur Gegenwehr unterschätzen, sagt Jürgen Staiger und betont: „Wenn die SSB das Walz-Areal als Standort auch deshalb scheuen, weil dort viele Leute wohnen, die klagen könnten – auch wir sind bereit, uns zu wehren, falls nötig auch vor Gericht!“