Wer an der Haltestelle Killesberg seine Bahn verpasst, braucht Geduld: Tagsüber dauert es zwanzig Minuten, abends sogar eine halbe Stunde, bis die nächste fährt. Der Bedarf für einen kürzeren Takt sei nicht da, sagt die SSB. Bezirksbeiräte und Anwohner sehen das anders.
S-Nord - Am Dienstag wollten die Stadträte die Fortschreibung des Nahverkehrsplans beschließen, die Entscheidung wurde – wie berichtet – nach einigen Kontroversen um zwei Wochen vertagt. Der Bezirksbeirat Nord hat unter anderem angeregt, dass die Stadtbahnen den Killesberg wieder alle zehn Minuten anfahren, wie es bis Herbst 2013 der Fall war. „In den Nahverkehrsplan wird keine weitere Vorgabe bezüglich der Bedienung des Killesbergs aufgenommen“, heißt es jedoch in der Beschlussvorlage, über die der Gemeinderat am 20. Oktober abstimmen wird.
„Den 20-Minuten-Takt finde ich einer Großstadt nicht angemessen“, sagt Anette Braun. „Wir haben die Kunst-Akademie, den Höhenpark und inzwischen auch ein Weltkulturerbe hier, und dann fährt nur alle 20 Minuten eine Bahn.“ Auch die Einwohnerzahl auf dem Killesberg hat in den vergangenen Jahren zugenommen: 1951 Bewohner zählt der Stadtteil derzeit, knapp 400 mehr als noch im Jahr 2007. Nimmt man die umliegenden Stadtteile dazu, ist die Bevölkerung in dem Zeitraum um rund 900 auf 8533 Einwohner gewachsen. Anette Braun ist die Vorsitzende der CDU-Bezirksgruppe Nord und hat damals, nachdem der 20-Minuten-Takt eingeführt worden war, zusammen mit der Grünen-Ortsgruppe rund 3200 Unterschriften dafür gesammelt, dass die Stadtbahnen wieder häufiger zum Killesberg fahren. Seit der Unterschriftenübergabe an Oberbürgermeister Fritz Kuhn und den Technikvorstand der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) Wolfgang Arnold habe sie aber nichts mehr von der Stadt oder der SSB gehört, sagt Braun.
Der Bauherr der Killesberghöhe hat auch in die Haltestelle investiert
Mit dabei im Rathaus war damals auch Birgit Greuter, Center-Managerin der Killesberghöhe. Und auch sie versteht nicht, warum knapp ein Jahr, nachdem die Killesberghöhe eröffnet worden war, der Stadtbahn-Takt reduziert wurde – obwohl der SSB-Vorstand Arnold dem Investor der Killeberghöhe, Franz Fürst, noch im März 2011 versichert hatte, dass nicht beabsichtigt sei, die Haltestelle Killesberg seltener zu bedienen. Damals hielt dort auch noch die U 12, die seit Ende 2013 stattdessen zum Hallschlag fährt. Die Linie U 5 sollte verstärkt werden, schrieb Arnold seinerzeit, so dass sie tagsüber sechs- und abends viermal pro Stunde am Killesberg ankomme und abfahre. Fürst investierte daraufhin nach eigenen Angaben beträchtliche Summen in den Ausbau der Haltestelle, etwa in den Durchgang zur Killesberghöhe samt Wickelbereich und frei zugänglicher Toilette. Zweieinhalb Jahre später ruderte Arnold aber zurück: „Die wirtschaftlichen Folgen eines 10-Minuten-Takts stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zu der Nachfrage an dieser Haltestelle“, schrieb er Fürst. Auf mehr als 2,35 Millionen Euro taxiert die Stadt die Kosten für die Taktverdichtung; die Auslastung der Bahnen lag nach Angaben der SSB zuletzt bei 9,9 Prozent, eine Zunahme sei nicht zu erwarten.
„Im öffentlichen Nahverkehr darf der wirtschaftliche Aspekt nicht im Vordergrund stehen“, sagt Anette Braun, „vor allem, wenn wir so ein Feinstaub-Problem haben“. Wenn man den Individualverkehr wirklich um 20 Prozent reduzieren wolle, müsse man die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver machen. Das sieht auch die Stadt so: „Nach den Ergebnissen von Marktforschungen ist neben dem Fahrpreis vor allem das Leistungsangebot – das heißt Taktdichte, Reisezeit, Lage der Haltestellen – entscheidend für die Wahl des ÖPNV als Verkehrsmittel“, heißt es in einer von OB Kuhn unterzeichneten Stellungnahme aus dem Jahr 2015.
Mit dem Bus ist die Fahrt zum Bahnhof teurer
Wenn die SSB das aus ihrem Budget nicht leisten könne, sollte es vielleicht die Stadt- und oder Landesregierung durch finanzielle Zuschüsse ermöglichen, sagt Birgit Greuter. „Wir haben mittlerweile etwa 500 Mitarbeiter und circa 250 Bewohner auf der Killesberghöhe“, berichtet sie. Viele davon würden grundsätzlich gerne die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, sagt die Center-Managerin: „Aber wenn die auf ihrer Fahrplan-App sehen, dass sie 20 Minuten warten müssen, steigen sie ins Auto.“ Stattdessen den Bus zu nehmen, sei für viele keine Alternative, sagt Anette Braun. Zumal in der Bahn ein Kurzstreckenticket für die Fahrt bis zum Hauptbahnhof reicht, im Bus jedoch nicht. Es sei geprüft worden, ob das geändert werden könnte, sagt SSB-Sprecherin Birte Schaper. Von einer Sonderlösung habe man letztlich aber zu Gunsten eines einheitlichen Tarifsystems im Verkehrsverbund abgesehen.