Dem Leiter des Stadtarchives, Prof. Dr. Roland Müller, ist es ein wichtiges Anliegen, Zeitdokumente für die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar zu machen. Foto: Achim Zweygarth

Ehrenamtliche Forschern können im Rahmen einer neuen Vereinbarung zur Archivierung historischer Dokumente aus der Zeit der Nationalsozialisten ihre Rechercheergebnisse im Stadtarchiv verwahren und der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Stuttgart - Die Begeisterung ist Harald Stingele deutlich anzusehen, als er seine Unterschrift unter die Vereinbarung zur Archivierung zeitgeschichtlicher Dokumente der Nationalsozialistischen-Erinnerungskultur setzt. Stingele, ein Vertreter der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, hat sich mit anderer Initiativen, wie der Stuttgarter Stolperstein-Initiative, und dem Stadtarchiv Stuttgart zusammengeschlossen, um wichtige historische Dokumente ehrenamtlich forschender Bürger zu sichern. Mit der Vereinbarung wird für eine Archivierung der privaten Bestände geworben, zugleich dient sie als vertraglicher Rahmen zwischen ehrenamtlichen Forschern und dem Stadtarchiv.

Briefe und Bilder von Zeitzeugen

Das gesammelte Forschungsmaterial, in Form von Briefwechseln, anderen handschriftlichen Texten und Bildern aus der NS-Geschichte, soll dem Stadtarchiv übergeben werden, das diese zeitgeschichtlich wichtigen Dokumente sichtet und archiviert. Auf diesem Wege sollen keine historisch einzigartigen Originale im Laufe der Zeit verloren gehen.

Für Professor Roland Müller, dem Leiter des Stuttgarter Stadtarchivs, eine der zentralsten Aufgaben seiner Arbeit: „Für uns ist es elementar, Zeitdokumente für die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar zu machen. Der Archivbestand der Stadt ist die Grundlage des öffentlichen Gedächtnisses und die Dokumente der forschenden Bürger aus der NS-Zeit sind ein entscheidender historischer Teil, den es zu bewahren gilt.“ Von der Täterseite seien viele Originaldokumente jener Zeit vernichtet worden. Daher setzt der Leiter des Stadtarchivs nun auf private Quellen und ehrenamtliche Forschung.

Dokumente zeigen das Leid der Menschen

Die Vereinbarung zur Archivierung zeitgeschichtlicher Dokumente der NS-Erinnerungskultur ist das Ergebnis der Zukunftskonferenz der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen vom Juli 2016. Werner Schmidt, einer der Verantwortlichen der Stolperstein-Initiative, freut sich über die Kooperation mit dem Stadtarchiv: „Wenn man als ehrenmatlicher Forscher bei seinen Recherchen die Originaldokumente aus der NS-Zeit in den Händen hält, ist das mitunter sehr schwierig. Als Privatperson weiß man gar nicht, wie man mit den Unterlagen, die all das Leid der Menschen früher dokumentieren, umgehen soll. Da können die Mitarbeiter im Archiv eine große Hilfe sein.“

Das gesammelte Material soll nach der Aufarbeitung baldmöglichst für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, in Form von Ausstellungen, Vorträgen oder auf digitalem Wege. Auch Schulen sollen die historischen Schätze nutzen und lebendige Geschichte an Originalquellen erleben. In den vergangenen 20 Jahren hat die ehrenamtliche Forschung wertvolle Beiträge zur Aufarbeitung Stuttgarter NS-Geschichte geleistet. Publikationen, wie NS-Täter oder die Geheime Staatspolizei (Gestapo) in Württemberg und Hohenzollern, wären ohne der Forscher nicht möglich gewesen.