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Mitten im City-Wohnquartier Gerberviertel hat eine bundesweite Sexclub-Kette eine Dependance eröffnet, und am Westbahnhof plant ein Investor eine Mega-Spielhalle.

Stuttgart - Mitten im City-Wohnquartier Gerberviertel hat eine bundesweite Sexclub-Kette eine Dependance eröffnet, und am Westbahnhof plant ein Investor eine Mega-Spielhalle. Mit Baurecht und Satzungen versucht die Stadtverwaltung, die Ausbreitung derartiger Etablissements zu verhindern. Manchmal erfolglos.

Die Werbung im Internet ist eindeutig: "Wenn Du Sex suchst, bist du hier richtig", verspricht der Pornoclubbetreiber auf seiner Homepage. Nach vier Ablegern in der Bundeshauptstadt, in Dresden und München will der Berliner Sexunternehmer Oleg P. nun in Stuttgart expandieren. Das passende Domizil für den sogenannten Cruising-Club für Homosexuelle glaubt P. im Gerberviertel gefunden zu haben.

Blaue Fensterfolien und Leuchtreklame am Altbau in der Gerberstraße11 signalisieren, dass Clubmitglieder hier "auf 200 Quadratmeter Sex pur, Videokabinen mit 250 digitalen Programme sowie einen Sexshop mit großem Angebot" vorfinden. Über 25 Jahre lang hat hier der Saunaclub Olympus residiert, was aber nur Eingeweihten bekannt war. Bei einem Tag der offenen Tür Anfang Dezember konnten Interessierte den reklamefreudigeren Nachfolgeclub bereits in Augenschein nehmen.

Auch Christian Otto nutzte die Gelegenheit, einen Blick in das Etablissement zu werfen. "Es ist ein wahres Gruselkabinett", urteilt der Anwohner nach dem Besuch. Ihn stört weniger die Einrichtung als der Standort. "Ein Sexkino auf vier Etagen mitten in einem Wohngebiet, das kann doch nicht sein!", empört sich Otto. Der Club ziehe Sextourismus ins Quartier, und den nicht nur aus der homosexuellen Szene. Für die Anwohner bedeute dies weniger Parkplätze und nächtliche Ruhestörungen, fürchtet er.

Bedenken kommen auch von kirchlicher Seite. "Die Einrichtung ist nur wenige Meter von unserer Kindertagesstätte entfernt", sagt Pfarrerin Cornelie Ayasse von der evangelischen Leonhardskirche. Ein derartiger Club gefährde die Bemühungen, das Viertel als Wohnquartier zu erhalten. "Ältere Menschen leben gern hier, und viele junge Familien suchen nach Wohnraum", weiß sie.

Sexkinos sind ein Dauerbrenner bei der Baubehörde

Auch Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) lehnt das Pornokino ab. "Das Milieu drückt immer wieder aus dem Leonhardsviertel in angrenzende Quartiere. Im Gerberviertel wollen wir keine Sexbetriebe, sondern inhabergeführte Läden mit Niveau", verweist sie auf feine Einkaufsadressen, die sich angesiedelt haben.

Sexunternehmer Oleg P. scheint seine Pläne nun offenbar stoppen zu müssen. Dem Betreiber flatterte eine Schließungsverfügung des Baurechtsamts ins Haus. Zettel am Eingang verweisen darauf, dass der Club "derzeit leider nicht öffnen" könne. P. war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Es ist unklar, ob er gegen die Verfügung juristisch vorgeht.

"Solch umstrittene Nutzungen beschäftigen uns immer wieder", sagt Stadtplanungsamtschef Detlev Kron. Sexkinos und Spielhallen sind ein Dauerbrenner bei der Behörde. Oft bieten Bebauungspläne und spezielle Satzungen juristische Hebel, um sie zu verhindern. "Das Gerberviertel ist mit viel Sanierungsgeld aufgewertet worden. Wir sorgen dafür, dass Wohnen dort weiter möglich bleibt", sagt Kron, der glaubt, mit dem bestehenden Planrecht ausreichende Handhabe gegen das Pornokino zu haben.

Doch der Amtschef weiß auch, dass das Austarieren der gesetzlich verbrieften Gewerbefreiheit und stadtplanerischen Vorstellungen einer Gratwanderung gleicht.

"Betreiber finden immer wieder Nischen", verweist er auf eine aktuelle Bauvoranfrage für ein Mega-Spielhallenprojekt im Westen. Unweit des Westbahnhofs sollen in einem leer stehenden Werkstattgebäude an der Rotenwaldstraße vier Spiellokale mit insgesamt rund 650 Quadratmeter Fläche entstehen. Der Bebauungsplan lässt dies als Ausnahme zu. Die CDU wollte das Projekt passieren lassen. Eine Mehrheit aus Grüne, SPD und SÖS/Linke im Gemeinderat votierte aber dagegen.

Jetzt arbeiten die Stadtplaner einen neuen Bebauungsplan aus, um das Vorhaben zu verhindern. Im Filderstadtteil Plieningen darf ein Spielhallen-Investor jedoch eine Spielothek bauen. "Dort regelt eine alte Baustaffel aus den vierziger Jahren die Gewerbeansiedlung", so Kron. Damals waren Spielhallen noch unbekannt.