Vorfälle wie in Genua sei hierzulande wesentlich unwahrscheinlicher, sagt Marco Wanderwitz. Foto: dpa

Der Baustaatssekretär im Bundesinnenministerium, Marco Wanderwitz (CDU), sieht einen großen Sanierungsbedarf bei Brücken.

Berlin - Marco Wanderwitz, seit vergangenem März Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, hält die Brücken in Deutschland für sehr sicher. Der 42-jährige Volljurist ist für die Fachgebiete Bau und Heimat zuständig.

Herr Wanderwitz, fahren Sie nach der Katastrophe von Genua mit einem mulmigen Gefühl über deutsche Autobahnbrücken?

Nein. Natürlich wird es immer ein Restrisiko geben, denn bei allem, was der Mensch errichtet, können Fehler passieren. Allerdings habe ich Vertrauen in die Politik, dass sie ihre Aufgabe wahrnimmt, um dieses Restrisiko so gering wie möglich zu halten. Hierzu haben wir in Deutschland strenge Vorschriften, die auch zur Anwendung kommen. Da sind wir gut aufgestellt. Es gibt in regelmäßigen Abständen Wartungen der Brücken und Begutachtungen ihres baulichen Zustands. Sobald Zweifel aufkommen, werden die Kontrollabstände verkürzt. Im schlimmsten Fall wird die Nutzung einer Brücke zeitweise eingeschränkt oder gänzlich ausgesetzt. Insofern können wir sehr sicher sein, dass Vorfälle wie in Genua bei uns wesentlich unwahrscheinlicher sind. Altersbedingte bauliche Mängel würden bei uns früher erkannt, gegebenenfalls würde die Brücke dann für den Verkehr gesperrt.

Die ostdeutschen Straßen und Brücken wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten vielerorts erneuert. Sind marode Brücken eher ein Problem im Westen?

Was die Investitionen des Bundes anbelangt, ist der Nachholbedarf in den alten Bundesländern in der Tat deutlich größer, ganz klar. Deshalb fließt inzwischen wieder mehr Geld dorthin als unmittelbar nach der Wiedervereinigung. Probleme in Sachsen und auch in den anderen ostdeutschen Ländern gibt es hingegen bei der kommunalen Infrastruktur. Im Erzgebirge beispielsweise gibt es in etlichen Ortschaften kleine Bäche und Flüsse, wo Brücken in keinem guten Zustand sind. Das führt zu Beeinträchtigungen, aber eben nicht zu schlimmen Unfällen.

Hat es Deutschland versäumt, rechtzeitig zu investieren? Immerhin sind wir geografisch gesehen eine Art Drehkreuz für die europäischen Verkehrsflüsse zwischen Nord und Süd, Ost und West.

Ja, es gibt einen Sanierungs- und Investitionsstau. Der geht zum Teil auf Zeiten zurück, als Bund, Länder und Gemeinden finanziell weniger gut dastanden als jetzt und man weitgehend auf Verschleiß gefahren ist, ohne zu modernisieren. Das hat sich inzwischen geändert. Allerdings ist jetzt das Problem, dass es im aktuellen Bauboom nicht mehr ausreichend Baufirmen am Markt gibt. Gerade große, weltweit tätige Unternehmen sind oftmals ausgebucht. Dadurch bleiben viele Aufträge lange Zeit unerledigt und die Investitionen verzögern sich. Das betrifft auch die Verkehrsinfrastruktur.

Sehen Sie Anpassungsbedarf, was EU-weite Sicherheitsstandards anbelangt?

Ja, denn sie sind leider nicht in allen EU-Ländern gleich. Das hat zum Beispiel im Juni 2017 der Großbrand eines Londoner Hochhauses gezeigt. Bei der Sanierung wurden Materialien verwendet, die bei uns nicht genehmigt worden wären. Ich finde, die Sicherheit von Menschen ist wahrlich ein gutes Betätigungsfeld für Europa. Vor allem bei Verkehrswegen, die mit EU-Fördergeld unterstützt werden, sollten gleiche Standards gelten.