Hier ist der Staatsekretär noch im Amt: Patrick Graichen und Minister Robert Habeck bei einer gemeinsamen Teilnahme an einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, war durch den Vorwurf der Vetternwirtschaft schwer angeschlagen. Jetzt hat Robert Habeck entschieden, dass Graichen gehen muss. Eine richtige Entscheidung, kommentiert Tobias Peter.

Das war dringend notwendig. Der umstrittene Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen muss gehen. Robert Habeck hat damit spät, aber nicht zu spät eine Entscheidung getroffen, die wichtig ist für seine weitere Arbeit als Bundeswirtschaftsminister und auch für die Grünen ist. Hätte er sich nicht von Graichen getrennt, Habeck hätte es bald bitter bereuen müssen.

Der Vize-Kanzler hat deshalb so lange gezögert, weil der Staatssekretär im Ministerium eine wirklich wichtige Rolle gespielt hat. Man darf auch glauben, dass Graichen einen guten Job gemacht hat, als es darum ging Deutschland vor einer Gasmangellage zu bewahren. Minister verbringen viel Zeit auch mit dem Verkaufen von Politik. Sie managen die Abläufe in einem Ministerium nur bedingt selbst. Die Frage, ob einer wie Habeck erfolgreich arbeiten kann, hängt untrennbar damit zusammen, ob er fähige Staatssekretäre hat.

Fehlte Graichen der Instinkt?

Dass der Grünen-Politiker sich nun von Graichen, dem er in der praktischen Umsetzung seiner Politik so sehr vertraut, getrennt hat, zeigt: Habeck hat verstanden, dass es nicht mehr anders ging. Kapiert hat Habeck es zwar erst, nachdem bei der Ministeriums-internen Prüfung nun ein weiterer Fall gefunden wurde, bei dem Graichen gegen Compliance-Richtlinien verstoßen hat. Aber, immerhin: Am Ende hat der Minister gehandelt.

Jedem, wirklich jedem ist klar, dass ein Staatssekretär sich aus einer Findungskommission zurückziehen muss, wenn der eigene Trauzeuge einer der Jobkandidaten ist. Dass Graichen genau das dennoch nicht getan hat, lässt nur zwei Interpretationen zu: Entweder ihm ist der Instinkt dafür, was in einem solchen Fall korrektes und anständiges Verhalten ist, abhandengekommen. Oder er glaubt, die normalen Regeln würden für ihn nicht gelten. Beides macht ihn nicht mehr tragfähig in einer solch wichtigen Position.

Die neuen Erkenntnisse legen zudem nahe: Das Problem ist nicht ein einmaliger Lapsus, das Problem ist ein Verhaltensmuster. Hier geht es um eine geplante finanzielle Förderung des Landesverbandes Berlin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), in dessen Vorstand Graichens Schwester ist. Compliance-Regeln sind nichts Unverbindliches. Gerade in Ministerien darf nicht einmal der Eindruck entstehen, sie würden lax gehandhabt.

Der Mann, der aus Sicht Habecks der Fähigste für die Energiewende ist, hat mit seinem Verhalten eben diesem zentralen politischen Projekt schwer geschadet. Hätte Habeck sich jetzt nicht getrennt, die Debatte über Graichen hätte zu Recht immer weitere Kreise gezogen. Die Energiewende ist für die Bürger mit großen Zumutungen verbunden. Der Streit über das Gebäudeenergiegesetz zeigt, wie groß die Verunsicherung in der Bevölkerung ist.

Glaubwürdigkeit ist wichtig für die Grünen

Ohne Veränderungen – auch und gerade bei der Frage, wie wir Häuser und Wohnungen beheizen – sind die Klimaziele nicht zu schaffen. Die Politik muss den Kampf gegen den Klimawandel mit voller Kraft aufnehmen und zugleich alles versuchen, soziale Folgen abzufedern. Das ist ein schwieriger Weg. Er kann nur dann erfolgreich beschritten werden, wenn die wichtigen Beteiligten hohe Glaubwürdigkeit besitzen.

Auch für die Grünen ist Glaubwürdigkeit ein zentrales politisches Gut. Es gehört zur ihrer DNA als Partei an Politik einen hohen moralischen Anspruch anzulegen. Die Grünen müssen über sich selbst genauso hart urteilen, wie sie es bei einem Fall in der CSU täten. Daran hat Habeck sich im letzten Moment dann doch noch erinnert. Und was ist nun mit Graichens Nachfolge? Er werde nicht seinen Trauzeugen als Staatssekretär berufen, sagt Habeck. Eine kluge Entscheidung. So ungewöhnlich es auch ist, dass man das mittlerweile extra dazusagen muss.