Marietta Meguid (vorne) und Thomas Lawinky Foto: Conny Mirbach

Der Stuttgarter Stadtteil Heslach steht im Mittelpunkt von Anna Katharina Hahns Roman „Am Schwarzen Berg“, den Christoph Mehler für die Spielstätte Nord umgeschrieben und inszeniert hat.

Der Stuttgarter Stadtteil Heslach steht im Mittelpunkt von Anna Katharina Hahns Roman „Am Schwarzen Berg“, den Christoph Mehler für die Spielstätte Nord umgeschrieben und inszeniert hat.

Stuttgart - Es dauert lange, bis der erste Satz fällt in Christoph Mehlers Inszenierung von „Am Schwarzen Berg“ in der Spielstätte Nord des Stuttgarter Staatsschauspiels. „Lass es sein, Veronika, das bringt doch nichts.“ Mehrmals sagt das Thomas Lawinky als Emil Bub, mal verzweifelt, mal wütend, mal ängstlich.

Zuvor ist er mit viel Mühen und Stöhnen eine Sprossenwand hochgeklettert und kauert nun verkrampft oben auf einer Art Ablage. Marietta Meguid als Veronika lässt sich davon nicht beeindrucken. Unermüdlich nimmt sie auf der einen Seite der Bühne Erde in die Hand und türmt diese auf der anderen Seite zu einem Erdhaufen.

Es folgt ein langer Monolog von Lawinky, gefühlt gut eine Stunde lang, der sich über weite Passagen erstaunlich eng an den gleichnamigen Roman von Anna Katharina Hahn hält, aus dem Mehler die Bühnenfassung erarbeitet hat. Lawinky macht dies sehr gut: Er wiederholt Worte, er gerät ins Stocken. So schafft er einen lebendigen Erzählfluss, denn schauspielerisch hat er sonst nichts zu tun. Auch Meguid bringt keine Abwechslung, beharrlich arbeitet sie stumm an dem Erdhaufen.

Stuttgart-Kenner erkennen die Schauplätze wieder

Stuttgart-Kenner bekommen einen Bonus. Denn das Stück spielt überwiegend in Heslach, Emil ist ein Lehrer im Katharinen-Stift, geht aber bald in Pension. Veronika ist anfangs Bibliothekarin im Wilhelmspalais, später in der neuen Bibliothek beim Hauptbahnhof. Des Öfteren werden diese und andere prägnante Orte von Stuttgart erwähnt.

In dieser gewissermaßen szenischen Lesung öffnet sich allmählich die Welt dieses kinderlosen Paars, das den Nachbarsohn Peter immer sympathischer findet, bis sie ihn als ihren eigenen Sohn empfinden, auch als dieser schon längst ausgezogen ist und eine eigene Familie gegründet hat. Der Unterschied zum Buch: Der Theatergänger weiß schon ziemlich früh, dass diese Geschichte tragisch enden wird.

Irgendwann spricht auch Meguid. Deutlich wird, dass sie Peter sowohl als Paar als ihren Sohn empfinden, aber auch jeder für sich, denn beide haben mit Peter zu tun, ohne dass der andere davon weiß. Das führt auch nach dem Tod des Jungen zum Streit.

Mehler inszeniert das spartanisch, quasi als Meditation. Gerade mal ein Scheinwerfer von der Seite beleuchtet die Szenerie, als Lawinky spricht, bei Meguid ist es ein anderer von einer anderen Seite. Dann tritt auf einmal ein 14-köpfiger Chor auf, dessen Beitrag romantisch-beschaulich ist, beleuchtet von einem anderen Scheinwerfer. Die Aktivitäten der Stuttgart-21-Demonstranten, die einst in Zelten den Schlossgarten bewohnten, rücken so in ein warmes Licht.

Ein Baumstumpf, ein stetig wachsender Erdhaufen

Geht es um das Konstrukt direkt, ist Mehler nah bei Hahn. Alle anderen Ausschmückungen, Beschreibungen oder das Bebildern von Orten meidet er konsequent, entsprechend karg ist das Bühnenbild von Jochen Schmitt mit einem riesigen Baumstumpf im Zentrum und dem stets wachsenden Erdhaufen, das war es weitgehend. Nur einmal, als die beiden so richtig in Streit geraten, wagt Mehler einen theatralischen Effekt: Ganz plötzlich will Lawinky den Erdhügel zerstören, indem er auf ihm herumtrampelt, während Meguid verzweifelt versucht, die Erde wieder zurückzuscharren.

Das kann man so machen, muss man aber nicht. Dass die Autorin bei der Uraufführung selbst nicht anwesend war, ist in diesem Fall keine inhaltliche Aussage. Nach Aussagen der Dramaturgie war es ihr im Rahmen eines privaten Amerika-Aufenthalts nicht möglich, den Flug entsprechend umzubuchen.

Vor etwa einem Jahr hat der Heilbronner Intendant Axel Vornam für sein Haus ein Stück von Hahn inszeniert. Die Parallelen sind auffällig: Auch dort stand ein älteres Ehepaar im Mittelpunkt, das über seine verflossenen Lebensträume resümiert und das sich nun aufs Älterwerden einstellt. Dort konnten die Akteure aber mit einigen Requisiten bürgerlichen Lebens arbeiten. Aber dieses Stück „Schatzsucher“ hat Hahn auch speziell für das Theater geschrieben.

Weitere Aufführungen am 28. April, 2., 8., 29. Mai. Karten unter 07 11 / 20 20 90.