Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir will klare Worte von Angela Merkel gegenüber Erdogan hören. Foto: dpa

Eine kürzlich freigeschaltete Smartphone-App, über die türkeistämmige Menschen in Deutschland Kritiker Recep Erdogans denunzieren könnten, sorgt für Kritik. Cem Özdemir forderte Angela Merkel auf, gegenüber Erdogan Klartext zu reden.

Berlin - Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan klarzumachen, dass Spitzeltum „in Deutschland nichts verloren hat“. Özdemir bezog sich am Donnerstag auf eine kürzlich freigeschaltete Smartphone-App, über die türkeistämmige Menschen in Deutschland Kritiker Erdogans „denunzieren und ans Messer liefern“ könnten.

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Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier müssten Erdogan hier klar machen: „Jetzt reicht’s“. „Was ist das für eine Haltung, das ein Spitzelsystem errichtet wird, dass die Familienangehörigen sich bespitzeln, dass man seine Nachbarn aushorcht, seine Arbeitskollegen, seine Studienkollegen“, sagte Özdemir weiter im Gespräch.

Ebenso wenig hinnehmbar seien die Aktivitäten der inzwischen verbotenen Rockergruppe Osmanen in Deutschland, die hier als „bewaffneter Arm Erdogans“ agierten und in Prostitution, Waffenhandel und Drogengeschäfte verstrickt seien. Erdogan war Donnerstagmittag zu einem dreitägigen Besuch in Deutschland eingetroffen. Er soll am Freitag von Steinmeier mit militärischen Ehren empfangen und mit einem abendlichen Staatsbankett im Schloss Bellevue geehrt werden.

Özdemir wird trotz Kritik an Veranstaltung teilnehmen

Özdemir will daran - anders als andere Oppositionspolitiker - trotz Kritik an der Veranstaltung teilnehmen. Zwar könne er „mir Angenehmeres vorstellen“, doch halte er es für wichtig Erdogan zu zeigen, „dass das, was er in der Türkei schafft, hier nicht funktioniert, nämlich die Opposition mundtot zu machen und aus dem Bild verschwinden zu lassen“. „Darum gehe ich da extra hin“, auch um Erdogan zu dokumentieren, dass es mit Blick auf die Türkei „sehr unangenehme Themen gibt, über die er nicht reden möchte“.

Als Beispiel nannte Özdemir, „dass es nach wie vor deutsche Geiseln in der Türkei gibt“, die von Erdogan „festgehalten werden durch seine Schergen“. Gleiches gelte neben den deutschen Inhaftierten auch „für die, die nicht das Privileg eines deutschen Passes haben, Journalisten, Politiker aus der Opposition, deren einziges Verbrechen es ist, nicht die Meinung von Herrn Erdogan zu teilen“. Der Grünen-Politiker warf dem türkischen Präsidenten vor, das für ihn „jeder, der nicht seiner Meinung ist, ein potenzieller Terrorist“ sei. Gegen die türkische Smartphone-App haben bereits mehrere FDP-Bundestagsabgeordnete Anzeige bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gestellt. Auch die Kurdische Gemeinde in Deutschland plant ein solches juristisches Vorgehen gegen die App.