Ukrainischer Präsident Petro Poroschenko in Berlin: Neue Sanktionen gegen Russland nur „im Notfall“ – Putin lässt mit Manövern Gefechtsbereitschaft von Militär prüfen. Foto: dpa

Merkel und Poroschenko haben viel zu besprechen. Sie kommen 53 Minuten nach der Zeit zur gemeinsamen Pressekonferenz. Merkel sieht noch „sehr, sehr viel Arbeit vor uns“. Aber so weit, dass sie sich dem Vorstoß Poroschenkos anschließen würde, die Fußball-WM 2018 in Russland zu boykottieren, will sie nicht gehen.

Berlin/St.Petersburg - Nun gut, Angela Merkel und Petro Poroschenko haben bislang 60-mal miteinander telefoniert, elfmal bisher einander persönlich getroffen, aber jetzt ist der ukrainische Präsident erstmals offiziell in Deutschland. Erst Empfang bei Bundespräsident Joachim Gauck, dann Gespräch mit Regierungschefin Merkel im Kanzleramt.

 

Staatsbesuch an einem Tag mit Symbolcharakter für die Ukraine: Vor exakt einem Jahr stimmten die Bürger der bis dato zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim für den Anschluss an Russland. Merkel wird nach dem Gespräch sagen, „dass wir das nicht vergessen werden“. Es klingt beinahe wie eine Drohung Richtung Moskau. Nicht vergessen, „weil es die europäische Friedensordnung infrage gestellt hat“.

Merkel und Poroschenko haben viel zu besprechen. Sie kommen 53 Minuten nach der Zeit zur gemeinsamen Pressekonferenz. Minsk II, wie der am 12. Februar in 17 Stunden ausgehandelte Friedensplan für die Ostukraine und das Kampfgebiet Donbass genannt wird, ist bestenfalls rudimentär umgesetzt. Waffenstillstand? Brüchig. Abzug der schweren Waffen? Allenfalls in symbolischer Größe. Gefangenenaustausch? Fehlanzeige. Zulassen humanitärer Hilfe? Schwierig. Minsk II braucht eine kleine Wundertüte. Merkel sieht noch „sehr, sehr viel Arbeit vor uns“.

Merkel freut sich auf die EM

Aber so weit, dass sie sich dem Vorstoß Poroschenkos anschließen würde, die Fußball-WM 2018 in Russland zu boykottieren, will sie nicht gehen. Fußball-Fan Merkel sagt, sie konzentriere sich jetzt auf 2015 und die Umsetzung des Minsker Abkommens, danach gestalte man 2016. „Da kommt die nächste Europameisterschaft, auf die ich mich schon freue.“ Dann werde man weitersehen.

Wäre die Besetzung der für die Ukraine überlebenswichtigen Hafenstadt Mariupol durch russische Separatisten eine rote Linie? Merkel will sich auf das „Minsker Paket“ konzentrieren. Mariupol sei „nicht der Lackmustest“ für die Erweiterung von Sanktionen. Auf dem EU-Gipfel diese Woche in Brüssel könnte über nächste Zwangsmaßnahmen gegen Russland beraten werden. Merkel macht aber auch klar: „Wir wollen sie nicht.“ Sie seien Mittel zum Zweck, aber kein Selbstzweck.

Auch die Bundesanwaltschaft muss sich mit dem Thema Ukraine beschäftigen. Sie geht Hinweisen auf eine mögliche Beteiligung Deutscher an Kämpfen im Osten des Landes nach. Es handle sich aber nicht um ein formelles Ermittlungsverfahren, hieß es am Montag. Die „Welt am Sonntag“ meldete aus Sicherheitskreisen, dass mehr als 100 Deutsche zur Unterstützung der prorussischen Separatisten in den Kampf gezogen seien. Es handle sich meist um Russlanddeutsche, viele von ihnen seien ehemalige Bundeswehrsoldaten.

Das Bundesverteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben keine Informationen, dass in der Ostukraine ehemalige deutsche Soldaten im Einsatz sind oder waren. „Solche Erkenntnisse seitens des MAD (Militärischer Abschirmdienst) oder sonstiger anderer Zuträger, die uns erreicht hätten, kann ich Ihnen nicht vermelden“, sagte Ministeriumssprecher Jens Flosdorff. Auch das Auswärtige Amt erklärte, es habe „keine belastbaren eigenen Erkenntnisse“ dazu.

"Ohne Gerüchte wäre es langweilig"

Belastbares gab es dagegen aus Moskau. Merklich erleichtert und nicht ohne Humor präsentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach tagelangen Spekulationen seinen Dienstherrn, Präsident Wladimir Putin, der Weltöffentlichkeit. „Hier sehen Sie nun den gelähmten Präsidenten, der von seinen Generälen gefangen genommen wurde“, sagte Peskow ironisch in Sankt Petersburg.

Er spielte damit auf einige der Gerüchte über Putins Verbleib an. Das Treffen von Putin mit seinem kirgisischen Amtskollegen Almasbek Atambajew zeige doch deutlich, dass der Präsident wohlauf sei, betonte Peskow. Putin hatte Atambajew auch mit seinem Wagen herumgefahren. Der Kremlchef war seit dem 5. März nicht in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Dies hatte Besorgnis ausgelöst, der 62-Jährige könne erkrankt sein.

„Ohne Gerüchte wäre es langweilig“, kommentierte Putin lakonisch die Spekulationen und befahl ein mehrtägiges Manöver mit fast 40 000 Soldaten. Die Gefechtsbereitschaft von Teilen der Armee und der Nordflotte werde bis zum 21. März geprüft, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Die Nato hatte Russland zuletzt vorgeworfen, den Westen mit grenznahen Manövern zu provozieren. Russlands Vizeaußenminister Alexej Meschkow kritisierte jedoch auch jüngste Nato-Aktivitäten im Baltikum. Die US-Armee plant derzeit eine Konvoi-Fahrt von Radschützenpanzern durch die östlichen Nato-Mitgliedstaaten, so ein Sprecher.