Tüll und Synthetik-Materialien sind angesagt bei den Nachwuchs-Modedesignerinnen. Nur zwei Männer haben mitgewirkt. Foto: /frankundsteff

Die Abschlussklasse der Staatlichen Modeschule Stuttgart musste wegen Corona auf vieles verzichten. Ihre Abschlussarbeiten präsentiert sie in einer imposanten Videomodenschau.

Stuttgart - Wann darf man schon mal den Wal im Löwentormuseum abstauben? Fluch und Segen zugleich war es für die Absolventinnen und Absolventen der Staatlichen Modeschule Stuttgart, dass inmitten ihrer Prüfungszeit neben ihrer Schule auch gleich noch alle Kultureinrichtungen, Museen sowie Clubs und Gastronomie wegen der Pandemie geschlossen blieben. So konnten ihre Kreationen an Orten gefilmt werden, an denen ein solches Projekt in normalen Zeiten undenkbar gewesen wäre.

Das Fotografenduo Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs setzten so ungestört im Löwentormuseum das Model in Tüll zwischen Dino und Eisbär in Szene. Im Rosensteinmuseum ließ sich der Kontrast zwischen Urwald-Diorama und dem Anzug aus Lackleder feiern, und in einem angesagten Club in der Innenstadt im roten und im gelben Licht die Plattform für Glamour-Outfits finden. Und dort posierten sogar leibhaftige Papageien mit dazu. Im Bowlingcenter in Feuerbach fand sich in Gestalt der Bahnen dann sogar so etwas wie ein Laufsteg für Kreationen mit 1970er-Jahre-Flair.

Generation Z im Spannungsfeld

Die 13 Schülerinnen und zwei Schüler durften wegen der Corona-Sicherheitsbestimmungen nicht einmal bei den Dreharbeiten dabei sein und zusehen, wie ihre in vielen Arbeitsstunden entstandenen Abschlussarbeiten dort von Bayh und Rosenberger-Ochs inszeniert wurden. Pro Tag war neben den Filmleuten jeweils nur ein Model zugelassen, und so strahlt das Video von Moritz Schmieg ganz bewusst die Einsamkeit, Langeweile und Isolation dieser Situation aus. Im Gegensatz dazu stehen die opulenten sowie erstaunlich farbenfreudigen und gewagten Materialmixe der Abschlussarbeiten.

Als Motto hatte sich die Klasse „Generation Z“ gegeben, jene Altersgruppe, die stark mit den sozialen Netzwerken verbunden ist, die sich bei Fridays for Future engagiert und sich mit der Genderproblematik auseinandersetzt, aber auch eine hohe Affinität zu Hightech hat. Diese Spannungsfelder setzten sie auch an der Nähmaschine um: Lack und Tüll, Synthetik nebst Baumwolle und Leinen, Indianerperlen und Pailletten, eine Leuchtdiodengirlande am hautengen Oberteil oder üppige Puffärmel sowie bodenlange, weite Röcke.

Mangel an Kleiderstoffen

„Die ganze Vorarbeit haben sie online gemacht“, sagt Friederike Burgstahler, die an der Staatlichen Modeschule als Zuständige für die Events und Marketing das Videoprojekt gleitet hat. Alle haben alleine zu Hause gearbeitet. Erst beim Nähen konnten sie gruppenweise in die Schule in Wangen. Selbst der Kauf von Stoffen war erschwert: „Die Geschäfte waren geschlossen, und Bestellen war zum Teil mit langen Wartezeiten verbunden.“

Ein Abschluss mit vielen Hürden. Die Exkursionen zu den Modeproduzenten sowie zur Fashion-Week in Berlin fielen flach. „Diese Klasse hat sich sehr einsam gefühlt, und die jungen Leute haben es so empfunden, als habe man ihnen Lebenszeit gestrichen“, sagt Friederike Burgstahler. Der Input habe ihnen gefehlt. Dennoch sind verrückte und extravagante Ideen umgesetzt worden.

Für die Modefotografien zu diesem Projekt erhielt das Duo Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs mit seinem Label frankundsteff eine Auszeichnung bei den International Photography Awards. Das von Moritz Schmieg produzierte Video ging am 22. Oktober auf der Homepage der Staatlichen Modeschule online.