Gottesdienste, Kinderbetreuung und Gemeindeleben: In St. Ulrich im Fasanenhof wird nach der Sanierung der Kirche vieles möglich sein.
Mit ihren meterhohen Betonwänden wirkt die Kirche St. Ulrich am Europaplatz des Fasanenhofs wie eine Trutzburg. Diese art brut genannte Architekturschule war Anfang der 1960er Jahre, als St. Ulrich geplant und errichtet wurde, sehr angesagt. Gerade weil der Raum aufgrund der vielen geschlossenen Wände abgedunkelt und schattig wirkt, kommt das Licht durch die Glasfenster besser als sonst zur Wirkung. Etliche Fensterreihen fallen von außen so gar nicht auf.
Hier wird saniert
Nach 50 Jahren ist die Kirche samt Gemeindezentrum jetzt sehr sanierungsbedürftig. Von den in den 1960er Jahren 6000 Gemeindemitgliedern sind heute gerade noch 1400 übrig. Was tun: Abreißen oder umwidmen? Fragen, denen sich die katholische Kirche immer wieder stellen muss. Immer häufiger werden solche sakralen Räume aufgegeben. Doch wenn eine Nutzungskonzeption vorliegt, die den religiösen Charakter einer Kirche unterstreicht und zugleich aufwertet, dann gibt es auch grünes Licht für umfangreiche Sanierungen. Das ist jetzt der Fall bei Mariä Himmelfahrt in Degerloch, und das ist so bei St. Ulrich im Fasanenhof. Dort lautet die Lösung: Die Kirche bleibt als solche erhalten, nach den Umbauarbeiten ist sie dann auch Gemeindezentrum sowie Kindertagesstätte.
Zukunftsweisendes Projekt
Martin Uhl, der leitende Pfarrer der Gesamtkirchengemeinde St. Hedwig und St. Ulrich, sagt: „Wir schaffen es in St. Ulrich, mit dem grundlegenden Umbau gemeindliches und sakrales Leben auf gute Weise zusammenzubringen. Kita-Alltag und Spiritualität, Gemeindeleben und Gottesdienst werden in einem Gebäude konzentriert. Der Umbau ist ein zukunftsweisendes Projekt, das zeigt, wie eine kleine Gemeinde räumlich zusammenrückt, aber dennoch vor Ort sichtbar bleibt“.
Der Kirchenraum bekommt zwei neue Stockwerke
Dazu werden in dem Kirchenraum zwei Stockwerke neu eingezogen. Im ersten Stock sowie im Erdgeschoss kommt die Kita mit künftig vier Gruppen unter. Im zweiten Stock gibt es zwei Gemeinderäume sowie ein neues Pfarrbüro. Der besondere Charakter des Kirchenraums soll laut der Pläne des Architekturbüros Kissler und Effgen erhalten bleiben, da die Buntglasfenster von Lothar Quinte an der Nordostfassade sowie in der Marienkapelle weiterhin Bestand haben. Künftig werden sie dem Besucher sogar noch mehr auffallen. Der Kirchenraum selbst bleibt hoch, verkleinert wird eben die Grundfläche. Etwa ein Drittel bleibt als rein sakraler Raum erhalten, schätzt Uhl. Altar und Ambo werden neu gestaltet, es gibt neue Bänke und zusätzliche Hocker für etwa 150 Besucher. „Nach dem Umbau werden die vorhandenen Anklänge an eine gotische Kirche viel stärker wirken“, verspricht Pfarrer Uhl, „die Höhe des Raumes wird für die Besucher viel unmittelbarer spürbar sein, die Blicke werden nach oben gerichtet.“
Besondere Raumeindrücke
Insgesamt 12,4 Millionen Euro sind für diese Umbauten angesetzt, bis Anfang 2026 soll alles fertig sein. Finanziert wird dies unter anderem durch den Verkauf von 5500 Quadratmeter an Grundstück unmittelbar neben der Kirche, wo sich bis jetzt Gemeindezentrum und Kita befanden. Käufer ist das Siedlungswerk, das dort Wohnungsbau verspricht sowie Einrichtungen zur sozialen Nutzung. Alexander Schmidt ist der Leiter der kirchlichen Bauabteilung im Stadtdekanat Stuttgart, der seit vielen Jahren dieses Projekt betreut: „Es war spannend zu sehen, wie sich aus Ideen von Architekturstudierenden nach und nach und zuletzt über einen Ideenwettbewerb das jetzige Bauprojekt entwickelt hat“. Das Kita-Angebot selbst kann da dann von drei auf vier Gruppen erhöht, das Personal gehalten werden, sagt Uhl. Und für eine Fläche im Freien zum Toben ist nach wie vor gesorgt.
Wo heute noch das Gemeindezentrum steht, gibt es künftig Wohnungsbau. Uhl: „Das werden etwa 70 Wohnungen, davon einige für Behinderte sowie für Senioren“. Entwickelt wird dies vom Siedlungswerk, vorangegangen sind einige Bürgergespräche, auch mit der Initiative im Stadtteil. So werde auf ein achtgeschossiges Gebäude verzichtet, ein viergeschossiges Gebäude belasse die Kirche jedoch als Orientierungspunkt.
St. Ulrich im Fasanenhof auf dem Weg zu einer neuen alten Kirche
Gottesdienste
Die Gottesdienste finden schon seit Anfang dieses Jahres im alten Gemeindesaal statt. Sonntags um 9 Uhr, mittwochs um 18 Uhr. Die alten Gemeinderäume bleiben bis zum Abschluss des Umbaus bestehen. Auch Andachten finden dort statt. Auch für verschiedene Begegnungsgruppen bleibt das Gemeindezentrum geöffnet.
Sanierung
Zunächst wird die Verbindung zwischen der Kirche und den Gemeinderäumen abgerissen, dann wird die Empore in der Kirche abgebrochen. Da muss sehr darauf geachtet werden, dass die von Lothar Quinte und Markus Prachensky gestalteten Buntglasfenster keinen Schaden nehmen. Zum Teil helfen die Gemeindemitglieder aktiv mit, sie haben etwa selbst die Bänke abgeschraubt.