Martin Bukovsek ist Weltrekordhalter im Stillstehen. Foto: Michael Steinert

In der Kirche St. Fidelis will der Weltrekordhalter im Stillstehen in vier Stunden zum Altar schreiten.

S-West - In der Zimmerpflanze neben dem Esstisch hängt kopfüber ein kleiner Holzaffe. So macht es mitunter auch Martin Bukovsek, der diese Szene in seiner Wohnung arrangiert hat und besser unter seinem Künstlernamen Carismo bekannt ist. „Wenn ich keine Halle zum Trainieren habe, hänge ich mich einfach an einen Baum im Wald“, sagt er. Die Arbeit mit dem Vertikaltuch erfordert Höhe: „Ich muss mich ja aus zehn bis 15 Metern Höhe runterfallen lassen.“ Manchmal probt er nach Unterrichtsschluss in Schulturnhallen, wenn er zuvor den Schülern die klassischen Zirkusdisziplinen näher gebracht hat: Jonglieren, Akrobatik und Pyramidenbau. Aber der Akrobat und Zauberer Carismo ist nicht nur Künstler des Jahres 2007 gewesen, sondern steht auch im Guinness-Buch als Weltrekordhalter im Stillstehen.

Hommage an die Langsamkeit

Wer also könnte besser als er die Hommage an die Langsamkeit „as slow as possible“ von John Cage in Szene setzen? Vier Stunden, vier Minuten und vier Sekunden wird die Aufführung des langsamsten Musikstückes der Welt in der Kirche St. Fidelis im Rahmen der Konzertreihe „Klangraum Stille“ dauern. Bukovsek alias Carismo wird während dieser vier Stunden das rund 40 Meter lange Kirchenschiff des katholischen Gotteshauses von hinten nach vorne mit solcher Langsamkeit durchschreiten, dass eine Zeitlupenaufnahme dagegen wie ein Formel-1-Rennen erscheint. „Ich werde dabei in der Gehbewegung verharren. Denkbar ist auch, dass ich langsam in der Kirche niederknie. Das Ganze ist ein Live-Experiment“, kündigt er an. „Ich muss variieren und zusehen, dass ich nicht zu schnell bin.“ Zusammen mit dem Kirchenmusiker Tobias Wittmann, der die Konzertreihe initiiert hat, entschied er, dass die Aufführung der Partitur vier Stunden dauern soll. Das ist ein Viertel seiner Weltrekordzeit von 16 Stunden, 16 Minuten und 16 Sekunden. Bukovsek und Wittmann haben die Vier gewählt, weil sie von elementarer Bedeutung ist: „Sie begegnet uns andauernd. So gibt es vier Elemente, vier Jahreszeiten“, sagt Bukovsek, der neben seiner Ausbildung als Jugend-und Heimerzieher auch Religionslehrer ist. „Unser ganzes Leben baut auf der Zahlensymbolik auf: So gehören zu einem Atemzug vier Herzschläge“, sagt Carismo, für den als Artist solches Wissen für die absolute Körperbeherrschung von zentraler Bedeutung ist.

Weltrekord unter wachsamen Augen

Bei seinem Weltrekord stand er die ganze Zeit über unter der strengen Beobachtung eines Guinness-Buch-Beauftragten: „Sichtbar einatmen und schlucken bedeutet das Aus“, berichtet er. Nur unwillkürliches Blinzeln ist erlaubt. Bukovsek hat seinen Lidschlag auf solche Geschwindigkeit gebracht, dass er für den Betrachter fast nicht mehr wahrnehmbar ist. Und es stellt sich natürlich die Frage nach einem gewissen Drang zum stillen Örtchen innerhalb von 16 Stunden. „Müssen geht nicht und müssen musste ich auch nicht“, verrät er. Schwierig sei es jedoch gewesen, mit den unterschiedlichen Reaktionen des Körpers auf die Strapaze umzugehen: Schweißausbrüche und Frierattacken hätten sich abgewechselt und schon nach kurzer Zeit seien ihm die Hände eingeschlafen. Diese Erfahrungen kommen alle seiner Konzert-Vorstellung in St. Fidelis zugute. Die vier Stunden wird Carismo auch mental nutzen und beten. Der christliche Glaube gibt ihm Halt: „Das Kreuz ist meine Kraftquelle und meine Lebensversicherung“, sagt er. Deshalb baumelt es zum Beispiel neben dem Karabinerhaken, an dem er sein Vertikaltuch aufhängt und Engelsfiguren sind in allen Varianten in seiner Wohnung anzutreffen. Schon als Kind wollte Bukovsek Gott besonders nahe sein, erzählt er. „Deshalb wollte ich Astronaut oder Trapezartist werden.“ Das behielt er aber für sich, und als er mit dem Zaubern anfing, machte er seinen drei Brüdern klar: „Das ist meins allein.“ Das war eine radikale Haltung, denn Bukovsek ist einer von drei Drillingsbrüdern und hat einen weiteren Bruder, der nur ein Jahr älter ist. „Wir haben alle Hummeln im Hintern gehabt“, sagt er heute. Aber die sind bei ihm schon lange zum Stillstand gekommen.

KonzertDie Veranstaltung mit Carismo unter dem Titel „Bewegter Stillstand“ am Samstag, 31. März, dauert von 12.02 Uhr und 16. 06 Uhr in der Kirche St. Fidelis, Seidenstraße 41.