Große Namen sucht man vergebens bei den Ulmern, die aber statistische Bestwerte aufweisen und sich einiges vorgenommen haben in der Zweiten Bundesliga. Nicht nur in dieser Saison.
Neue Liga, neue Herausforderungen: Dass man als Aufsteiger seine Zeit zur Gewöhnung an das höhere Level benötigt, hat der SSV Ulm 1846 in dieser Saison ohne Wenn und Aber vollumfänglich erfahren. Knapp waren die Partien an den ersten Spieltagen der zweiten Liga zwar fast alle, gejubelt haben aber meist die anderen. Nur ein Zähler stand nach den ersten fünf Partien zu Buche – das wertvolle Gefühl des Sieges ließ auf sich warten. Mehrere Wochen.
Aber: Die Phase blieb letztlich doch eine kurze. Seit den beiden 3:1-Siegen bei der SV Elversberg und gegen Eintracht Braunschweig Ende September sieht die Ulmer Welt ein gutes Stück heller aus, man steht knapp über der Abstiegszone und ist angekommen im neuen Umfeld. Für den Cheftrainer war das die Folge eines Prozesses, der sich eben nicht von heute auf morgen vollzieht. „Wir haben etwas gebraucht, um uns an das Tempo und die Härte in der zweiten Liga zu gewöhnen“, sagt Thomas Wörle (42), sieht seine Mannschaft aber auf dem richtigen Weg: „Inzwischen kommen wir immer besser zurecht.“
Mehrere Spieler aus Viertliga-Zeiten sind noch dabei
Was an dieser Stelle unbedingt erwähnt werden muss: Genau genommen haben die Ulmer nicht nur eine Stufe auf der Leiter nach oben genommen, sondern gleich zwei durch den Durmarsch von der vierten in die zweite Liga. Vor eineinhalb Jahren hießen die Gegner in der Regionalliga noch TSV Steinbach Haiger und TSG Balingen, jetzt geht es gegen den Hamburger SV und Hertha BSC. „Das waren enorme Sprünge in kurzer Zeit“, sagt Wörle, „diese Liga ist für uns ein richtiges Brett.“
Diese Aufgabe gehen sie an der Donau mit viel Kontinuität an. Zuletzt beim Auswärtsspiel beim 1. FC Köln (0:2) standen vier Spieler in der Startelf, die noch in der vierten Liga für die Ulmer am Ball waren – und hätte sich Stammkeeper Christian Ortag nicht kurz zuvor das Schlüsselbein gebrochen, wären es sogar fünf gewesen. Auch unter den Sommer-Zugängen in der jüngsten Anfangsformation fehlten die großen Namen: Offensivtalent Maurice Krattenmacher (19) ist vom FC Bayern ausgeliehen und macht in dieser Saison ebenso seine ersten Zweitligaspiele wie der finnische Mittelfeldspieler Luka Hyryläinen (20), der von der TSG Hoffenheim II zu den Spatzen stieß. Verteidiger Niklas Kolbe (27) war in den vergangenen Jahren bei den Stuttgarter Kickers in der Regional- und Oberliga am Ball.
Die Ulmer laufen unter allen Teams der zweiten Liga am meisten
Zweitliga-Erfahrung fehlt also fast völlig im Team, das aber als unangenehmer und mannschaftlich geschlossener Gegner auftritt. Keine Mannschaft der zweiten Liga hat in der laufenden Saison mehr Zweikämpfe gewonnen (114 pro Spiel) oder mehr Kilometer zurückgelegt (119 pro Spiel), das Kollektiv funktioniert. Als „sehr eingespielt“ lobte Miroslav Klose, einst Weltmeister und heute Trainer des 1. FC Nürnberg, die Mannschaft zuletzt. Geformt hat diese Einheit Chefcoach Wörle. Der 97-fache Zweitliga-Spieler (Kickers Offenbach, SpVgg Greuther Fürth) steht seit 2021 beim SSV an der Seitenlinie und hatte zuvor das Frauenteam des FC Bayern jahrelang gecoacht – und zu zwei deutschen Meistertiteln geführt.
Im Hier und Jetzt haben die eigenen Ansprüche wenig mit den oberen Tabellenregionen zu tun, klar formuliert sind sie dennoch. Auch über das laufende Jahr hinaus. „Unser Ziel kann nur der Klassenverbleib sein – aber nicht nur in dieser Saison“, sagt Wörle. „Wir wollen uns mittelfristig in der zweiten Liga etablieren.“ Die eigene Vergangenheit ist in Ulm ein warnendes Beispiel, auf den einstigen Durchmarsch von der Drittklassigkeit (1997) in die Bundesliga (1999) folgten der direkte Abstieg und infolge von drei Insolvenzen eine lange Zeit in der Ober- und Regionalliga.
Nun will man sich Schritt für Schritt in der zweiten Liga festsetzen, wofür die finanziellen Mittel im Vergleich zur Vorsaison gestiegen sind. Allein an Fernsehgeldern sind nun sieben Millionen Euro sicher statt zuvor 1,3. Auch der Einstieg des US-Investors Calvin Ford (ein Ur-Ur-Enkel des Autopioniers Henry Ford) brachte im Sommer rund 3,4 Millionen Euro – für die der US-Amerikaner 15 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft erwarb.
Duell mit dem Karlsruher SC steht an
Und die Zuschauerzahlen? Steigen ebenfalls. Lag der Schnitt in der dritten Liga noch bei 11 400, ist er nun auf 15 400 geklettert. Mindestens genauso deutlich zeigt sich die Begeisterung auswärts: 3000 Fans begleiteten die Ulmer nach Köln, Wörle spricht im Rückblick von einem „echten Highlight für uns alle“ und betont: „Die Euphorie ist riesig. Man merkt täglich, dass die zweite Liga etwas Besonderes für den Verein und das Umfeld ist.“
Das nächste Kapitel wird am kommenden Sonntag (13 Uhr) geschrieben, wenn es zum Duell der einzigen beiden baden-württembergischen Teams der zweiten Liga kommt und der Tabellenvierte Karlsruher SC im Donaustadion gastiert. Favorit sind die Ulmer in dieser Partie nicht, aber was heißt das schon? Angekommen in der zweiten Liga sind sie mit ihren Tugenden schließlich längst.