Gelungener Einstieg: Dank der neuen gelben Rampe kommt Heidi Hesse mit ihrem E-Rollstuhl nun in die Stadtbahn an der Haltestelle Marktplatz in Wangen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Noch immer sind etliche Stadtbahnstationen in Stuttgart nur bedingt barrierefrei, insbesondere für Menschen mit modernen E-Rollstühlen. An einer Haltestelle soll nun eine Rampe den Einstieg in die Stadtbahn erleichtern.

Stuttgart - Für die meisten Nutzer der Stadtbahn, die an der Haltestelle Wangen-Marktplatz ein- oder aussteigen, ist es nur ein unbedeutendes gelbes Band an der Bahnsteigkante. Wenn Heidi Hesse auf die neue Einrichtung zu sprechen kommt, ist ihre Reaktion darauf euphorisch. „Ich kann gar nicht beschreiben, wie unglaublich toll es ist, dass ich jederzeit hier mit der Stadtbahn fahren kann“, sagt die 32-Jährige. „Ich habe endlich Freiheiten gewonnen, von denen ich seit über zwei Jahren träume.“

Der Grund für diese Begeisterung ist eine Rampe, welche die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) an der Station in Wangen auf der einen Seite des Bahnsteigs angebracht haben. Jetzt kann dort endlich auch Heidi Hesse in den Zug einsteigen, bald zweieinhalb Jahre nachdem sie nach Stuttgart gekommen ist. Nun kann die Übersetzerin aus Thüringen, die einen 175 Kilogramm schweren Elektrorollstuhl fährt, direkt von ihrer Wohnung ein paar Häuser weiter hier die Fahrt zur Arbeit auf den Pragsattel beginnen.

Bisher musste die Rollstuhlfahrerin auf dem Hinweg von zu Hause zunächst über die Neckarbrücke nach Untertürkheim, am Bahnhof dort nahm sie die S-Bahn. Auf dem Rückweg stieg sie in Hedelfingen aus und fuhr mit ihrem Elektorolli zurück nach Wangen. Bei schlechtem Wetter und im Winter waren die Touren doppelt beschwerlich. Die Haltestelle in Wangen behindere sie, hat die Rollstuhlfahrerin immer wieder betont. Der Höhenunterschied zwischen Bahnsteigkante und Zugeinstieg ist zu groß. Auch Hilfsangebote von anderen Stadtbahnnutzern helfen bei dem schweren Rollstuhl nichts.

Die langen Umwege haben ein Ende

Dass sich die Lage dort nun verbessert hat, freut auch Simone Fischer, die Behindertenbeauftragte der Stadt. „Ich bin sehr froh, dass die Rampe dort angebracht wurde“, sagt Fischer. Diese sei im Übrigen nicht nur für behinderte Menschen im E-Rolli eine große Erleichterung, sondern auch für Personen mit Aktivrollstühlen. Die kämen an solchen Stellen zwar in die Züge, „aber auch nicht so einfach“, weiß die Behindertenbeauftragte. Simone Fischer findet, nachdem bereits im November ein Prototyp für die jetzige Rampe mit Erfolg getestet wurde und man zuvor bei einem Besuch in München die dortigen Rampen begutachtet hatte, dass man jetzt auch darüber nachdenken müsse, an welchen anderen Stadtbahnhaltestellen mit großem Höhenunterschied wie in Wangen solche Einrichtungen infrage kämen. Sie nennt neben der Station Charlottenplatz auch Uff-Kirchhoff sowie die Haltestellen Börse und Schlossplatz. Auch dort sollten die SSB nun Rampen testen.

Testphase von „mindestens einem Jahr“

Bei den SSB sieht man das ein wenig anders. Bei der Rampe handle es sich „um eine individuelle Lösung speziell für diese Haltestelle“, sagt SSB-Sprecherin Birgit Kiefer. Diese solle nun „mindestens ein Jahr“ an der Stelle getestet werden. Der Test sei für die SSB beendet, wenn die ohnehin geplante Anhebung des Bahnsteigs in Wangen realisiert sei, wodurch die Rampe überflüssig wird. Der Beginn der Arbeiten ist nach jetzigem Stand in etwa einem Jahr vorgesehen. Für einige der von Simone Fischer genannten Haltestellen haben die SSB bereits erklärt, dass dort eine Behelfslösung wie in Wangen nicht möglich sei. Oft sei das Problem nicht die Höhe des Absatzes, sondern der Spalt zwischen Bahnsteig und Fahrzeug. Besonders breit ist dieser, wenn Stationen in einem Kurvenradius stehen, was an der jeweiligen Geometrie der Verhältnisse liegt.

Allerdings hat sich inzwischen die Politik des Themas wieder angenommen. So haben die Grünen im Gemeinderat dazu einen Antrag an die Verwaltung gestellt. Darin heißt es, dass im ÖPNVBarrierefreiheit oft ein hehrer Wunsch“ sei. Obwohl die SSB dafür „schon viele Anstrengungen“ unternommen hätten. Und fast alle Stadtbahnstationen erfüllen nach den Kriterien, die zur Zeit ihres Baus galten, auch die gesetzlichen Vorgaben. Aber etliche gerade bei E-Rollstühlen faktisch nicht. Offenbar ist die Lage bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ähnlich gewesen. Deshalb haben die BVG „in Eigenregie Schmetterlingsrampen zur Überwindung von Distanz und Höhenunterschieden an Bahnsteigen der U-Bahn entwickelt“, schreiben die Grünen. Und sie setzten diese „mit großem Erfolg schon seit Jahren ein“. Diese Rampen seien dort an jeder U-Bahn-Station am Kopf der Fahrtrichtung angebracht und könnten bei Bedarf von den Fahrern zügig ausgelegt werden, „sodass selbst mit Elektrorollstühlen ein problemloser Ein- und Ausstieg in die U-Bahn ermöglicht werden kann“.

Grünen im Rat wollen Berliner Rampen testen

Deshalb sollten die SSB, so der Wunsch der Grünen im Rat, sich mit den BVG in Verbindung setzen und „eine Test-Schmetterlingsrampe für eine Überprüfung der Einsatzmöglichkeit in Stuttgart anfordern“.