Der Tempel in Kandy ist eine wichtige Pilgerstätte des Buddhismus. Foto: Bildagentur Online

Ayurveda bedeutet Wissen vom Leben. Auf Sri Lanka entdecken immer mehr die alte Heilkunst.

Die Männer sind skeptisch: Ayurveda – muss das sein? Etwas mürrisch ("Jetzt wär' mir ein Bier lieber") verschwinden sie in ihren Kabinen. Doch die wunderbar entspannende Massage im Siddhalepa Health Resort an Sri Lankas Südwestküste wirkt Wunder. Plötzlich ist auch bei den Skeptikern das Interesse an dieser Therapie und Philosophie erwacht, die auf der Wirkung von Heilkräutern basiert, aber auch spirituelles Yoga und eine typgerechte Ernährung umfasst.

Buddhima hat ein Jahr lang die Massagetechniken des Ayurveda studiert und gehört seit einem Jahr zum Team der Ärztin Lalitha Gunaratne in Siddhalepa. "War sie gut?", fragt mich die Chefin später. Ja – Buddhima macht ihre Sache sehr gut. Während ein kleiner Gecko die Wand hinter dem Spiegel hinaufkrabbelt, nimmt sie eine große Menge Kräuteröl zwischen die Hände und massiert meinen Hals. Ihre Hände sehen schmal aus, haben aber Kraft. Sie setzt die Handflächen ein, die Fingerkuppen, die Handballen und behandelt Schlüsselbeine, Schultern, Nacken und Rücken. Am Ende jagt sie mit den Handaußenseiten ein Trommelfeuer über die verspannten Muskeln. Fertig. Und ich kann mich den Seufzern der andern nur anschließend: wunderbar.

In Deutschland liegt Ayurveda voll im Trend; es gibt von Jahr zu Jahr mehr Anbieter, die vor allem von Stressgeplagten aufgesucht werden. In Sri Lanka war Ayurveda bisher vor allem die Medizin der Armen – Heilkräuter sind günstiger als Krankenhausaufenthalte. Doch jetzt reagieren die Hotels auf das Interesse ihrer Gäste aus dem Westen, die fasziniert sind von der Methode, die so ganz ohne Chemie auskommt. Dabei müssen Ayurveda-Ärzte in Sri Lanka, ebenso wie westlich ausgebildete Mediziner, fünfeinhalb Jahre studieren, um ihr Staatsexamen ablegen zu können. Der eigenständige Studiengang wird an mehreren Universitäten gelehrt.

Ayurveda bedeutet vor allem Prävention. Menschen, deren Doshas ausgeglichen sind, werden nicht krank. Doshas? Das sind die drei Lebensenergien Vata, Pitta und Kapha. "Die Anteile sind schon bei der Geburt festgelegt", sagt Lalitha Gunaratne. Fast immer dominieren zwei Doshas. Doch diese individuelle Konstitution kann durch Stress, schlechte Ernährung, Diäten oder ungesunde Lebensweise aus dem Gleichgewicht geraten. Dann wird das Immunsystem instabil und der Mensch krank.

Ayurveda hat das Ziel, das angeborene Gleichgewicht der Doshas wiederherzustellen. Zur Diagnose werden Puls, Zunge, Augen und Urin untersucht. Lalitha Gunaratne gibt ihren Patienten, die mehr Zeit haben als wir und für zwei oder drei Wochen gebucht haben, einen Bogen mit 50 Fragen. Ihre Erfahrung sagt ihr aber oft schon nach kurzem Kontakt zu ihrem Gegenüber, welches Dosha reduziert werden muss und ob eine Kopf- oder Fußmassage oder Ölbäder angezeigt sind. Oder der klassische Shirodhara-Öl-Stirnguss gegen Schmerzen und Stress. Ein feiner Strahl warmen Öls rinnt dabei stetig auf einen bestimmten Punkt der Stirn, das sogenannte dritte Auge. Diese Stimulation soll den Geist beruhigen und eine tiefe Entspannung des zentralen Nervensystems bewirken. Anspannung, Stress, Ängste, Depressionen, Schlafstörungen und chronische Kopfschmerzen werden verringert.

Mindestes genauso wichtig ist die Zusammensetzung der Ernährung. "Meist genügt eine Ayurveda-Behandlung einmal im Jahr für zwei bis drei Wochen", sagt die Ärztin. Für den Rest des Jahres reicht es aus, sich an die Grundprinzipien der ayurvedischen Ernährungslehre zu halten: Nur bei Hunger essen, keine Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen, die Hauptmahlzeit mittags einnehmen, nie hektisch essen, mindestens drei Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten einlegen, sich nicht ganz satt und nur frische Lebensmittel essen, Wasser und Kräutertee trinken. "Außerdem sollte jede Mahlzeit aus allen sechs ayurvedischen Geschmacksrichtungen bestehen, also süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb."

Das Siddhalepa Resort baut im Garten mehr als 800 verschiedene Heilpflanzen und Kräuter an, die in der Küche, in den Heilbädern und -ölen verwendet werden. Um aber den Geist zu beruhigen, praktisch den Reset-Knopf zu drücken, empfiehlt Lalitha Gunaratne Yoga, positives Denken und regelmäßig Meditation. Um damit zu beginnen, ist Sri Lanka der geeignete Ort. Das ehemalige Ceylon ist die Wiege des Buddhismus, auf Schritt und Tritt stößt man auf buddhistische Mönche, Tempel und Stupas. Meditation gehört für viele Einwohner zur Tagesordnung. Das gilt gleichermaßen für die Tamilen, die dem Hinduismus angehören, wie für die buddhistischen Singhalesen, die mit 70 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe stellen. Der Tempel des Heiligen Zahns in Kandy ist ihr bedeutendstes Heiligtum auf der Insel und eine der wichtigsten Pilgerstätten des Buddhismus überhaupt. Dreimal täglich wird dort die Buddha-Zeremonie abgehalten, ein für Touristen beeindruckendes Schauspiel. Die Menschen strömen von nah und fern in Scharen, junge Eltern bringen ihre Säuglinge, Alte quälen sich am Stock die Stufen hinauf. Sie bringen Opfergaben mit, vor allem Obst, Reis, Curry-Gerichte und Lotosblüten, manche auch Geld. Dann warten sie betend und meditierend auf den Schlag der Glocke.

Im Tempel erscheinen auf dieses Signal hin in leuchtendes Orange gehüllt die Mönche, lassen sich die Füße waschen und verschwinden im Allerheiligsten, dem Schrein, in dem unter sieben massivgoldenen Stupas auf einem goldenen Teller der linke Eckzahn des Buddha Siddhartha Gautama aufbewahrt wird. Draußen in der Stadt nehmen Frauen den Glockenschlag zum Anlass, ebenfalls Lebensmittel zu opfern.

Sri Lanka wird oft als Perle des Indischen Ozeans beschrieben. Obwohl nur so groß wie Bayern bietet das Land gleich drei verschiedene Klimazonen: An der Küste ist es das ganze Jahr über tropisch heiß und schwül, das Mittelland bei Kandy ist gemäßigt und mutete an wie ein gigantischer Gemüse- und Obstgarten. Und oben, auf 1500 bis 2000 Meter, wächst bei kühler Witterung der berühmte Ceylon-Tee so weit das Auge reicht. Nach dem Ende des Bürgerkriegs stehen nun auch die Landesteile im Norden und Osten mit den schönsten Sandstränden den Touristen offen. Elefanten gehören von jeher zum Bild der Insel, jetzt erleben die Besucher bei Jeep-Safaris und Walbeobachtungsfahrten auch andere Wildtiere. Sri Lanka rüstet sich für einen großen Touristenansturm: Präsident Rajapakse will die Zahl der Hotelbetten bis in drei Jahren von 14000 auf 40000 erhöhen und die Zahl der Touristen von derzeit 500000 jährlich auf zwei Millionen. Neuen Ayurveda-Angebote unterstützen dieses Ziel.

Und keine Sorge: Bier gibt es in Sri Lanka auch – und sogar ein sehr gutes.

Sri Lanka

Anreise
Direktflüge von Frankfurt nach Colombo bietet Sri Lankan Airways, www.srilankan.aero, ab ca. 550 Euro (Nebensaison). Die Flugzeit beträgt zehn Stunden. Die Airline gehört zu den renommiertesten der Welt, ihr Service wurde mehrfach ausgezeichnet.

Der Fernreisespezialist Meier's Weltreisen (www.meiers-weltreisen.de) hat Sri Lanka seit 30Jahren im Angebot. Seit dem Ende des Bürgerkriegs 2009 liegt der Zuwachs an Buchungen bei 70 Prozent. Zum Angebot gehören Rundreisen und Badeaufenthalte, das Ayurveda-Programm wird in den kommenden Monaten ausgebaut.

Unterkunft
Das Siddhalepa Resort in Wadduwa (www.ayurvedaresort.com) ist eine der ersten Adressen für Ayurveda-Kuren. In Sigiriya gehört das Jetwing Vil Uyana (www.jetwing.com) zu den schönsten Plätzen. In Galle bietet das Designer-Hotel The Fortress (www.thefortress.lk) Fünf-Sterne-Komfort. Die charmante Chefin des Amaya Hills Hotel bei Kandy (www.amayaresorts.com) ist Singhalesin, spricht perfekt Deutsch und freut sich besonders über deutsche Gäste. Very british geht es im Hochland in Nuwara Eliya im Grand Hotel zu (www.lanka.com). Dschungel-Feeling entsteht dagegen in Yala-Village (www.srilankayala.com) im gleichnamigen Nationalpark.

Reisezeit
Als optimale Reisezeit für einen Badeurlaub an der Südwestküste gilt die Zeit zwischen Januar und März. Dann kann man in der Regel auch gut Fahrten ins Bergland unternehmen.

Essen und Trinken
Nationalgericht in Sri Lanka sind Reis und Curry – und das in allen Variationen. Beliebtes Getränk ist schwarzer Tee, ein Überbleibsel aus der Kolonialherrschaft der Engländer. Das Bier der Brauerei Lion in Colombo schmeckt vorzüglich.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollte man sich mit den typischen Curry-Mixturen und Gewürzen eindecken – ein perfektes Souvenir. Vor allem hellbrauner Ceylon-Zimt und Muskat sollten nicht fehlen. Auf keinen Fall religiöse Gegenstände, Statuen oder Tempel für "schräge" Urlaubsfotos nutzen. Wer auf Buddha-Statuen herumklettert, muss mit einer hohen Geldbuße rechnen.