Als dreijähriges Mädchen ist „Maddie“ McCann in Portugal spurlos verschwunden. Foto: dpa/---

Der Mordverdächtige im Fall Maddie ist kein unbeschriebenes Blatt und wurde bereits wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. Doch was genau macht ihn verdächtig? Die Ermittler halten sich bedeckt.

Wiesbaden/Braunschweig - Die Nachricht kam völlig überraschend und machte weltweit Schlagzeilen: Mehr als zehn Jahre nach dem Verschwinden der dreijährigen Madeleine „Maddie“ McCann gehen deutsche Ermittler davon aus, dass die kleine Britin tot ist - und haben einen Mordverdächtigen. Der 43-Jährige könnte demnach mit dem Verschwinden des Kindes am 3. Mai 2007 aus einer Appartementanlage im portugiesischen Praia da Luz zu tun haben. Wie kommen die Ermittler darauf? Nur eine der offenen Fragen in dem aufsehenerregenden Fall.

Was wir über den Verdächtigen wissen:

- Der Verdächtige ist nach Angaben der Ermittler 43 Jahre alt, Deutscher und mehrfach vorbestraft, auch wegen Kindesmissbrauchs.

- Derzeit sitzt der Mann in Kiel eine alte Freiheitsstrafe ab. 2011 wurde er wegen Drogenhandels zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt. Parallel ist gegen ihn wegen Vergewaltigungsvorwürfen Untersuchungshaft angeordnet.

- Der Verdächtige lebte zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der Algarve in Portugal und für einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Vor seinem Auslandsaufenthalt hatte er in der Region Braunschweig gewohnt.

- In Portugal ging der Mann Gelegenheitsjobs unter anderem in der Gastronomie nach. Er soll seinen Lebensunterhalt zudem durch Einbruchdiebstähle in Hotels und Ferienwohnungen sowie Drogenhandel finanziert haben.

- Der 43-Jährige wurde laut Gerichtsunterlagen mehrfach zu Jugend-, Geld-, Bewährungs- oder Freiheitsstrafen verurteilt.

- Im Oktober 1994 verhängte demnach das Amtsgericht Würzburg eine zweijährige Jugendstrafe gegen ihn, unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Das Amtsgericht Braunschweig verurteilte den Mann im Februar 2016 zu insgesamt einem Jahr und drei Monaten Haft - auch dabei ging es um den sexuellen Missbrauch eines Kindes sowie um den Besitz kinderpornografischer Schriften.

- Gegen den Mann ergingen den Akten zufolge auch europäische Haftbefehle wegen offener Haftstrafen. Zuletzt wurde er im September 2018 in Italien festgenommen.

- Im Dezember 2019 verurteilte das Landgericht Braunschweig den Mann wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung früherer Strafen zu sieben Jahren Haft. Er soll 2005 in Praia da Luz eine 72 Jahre alte US-Amerikanerin in deren Haus überfallen und vergewaltigt haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Was wir über die Ermittlungen wissen:

- Die Ermittler brauchen weitere Hinweise, sie appellieren an Zeugen, sich zu melden. „Für einen Haftbefehl oder eine Anklage reicht es noch nicht aus“, hieß es am Freitag von der zuständigen Staatsanwaltschaft Braunschweig.

- Auf die Spur des Verdächtigen sind die Ermittler nach eigenen Angaben 2013 gekommen, durch einen Hinweis nach einer Sendung von „Aktenzeichen XY... ungelöst“. Einen weiteren Hinweis gab es 2017. Das habe damals aber nicht für weitere Ermittlungen oder gar eine Festnahme gereicht.

- Am 3. Mai 2007 soll der Verdächtige zu „tatrelevanter“ Zeit in Praia da Luz mit dem Handy telefoniert haben.

- Der Verdächtige soll in Portugal zwei auffälligere Autos gefahren haben, einen VW-Bus sowie einen Jaguar.

Was wir nicht wissen:

- Es ist weiterhin unklar, warum genau der 43-Jährige unter Mordverdacht steht. Die Ermittler haben sich bislang nicht zu den möglichen Indizien gegen den Mann geäußert.

- Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hält Madeleine für tot. Das Kind oder eine Leiche sind aber bis heute nicht gefunden.

- Unklar ist, wie die Tat verübt worden sein soll. Das sei Gegenstand der aktuellen Ermittlungen, sagte ein Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) am Mittwoch bei „Aktenzeichen XY... ungelöst“.

- Das Motiv ist demnach ebenfalls unklar. Möglich sei eine sexuelle Motivation oder dass nach einem zunächst geplanten Einbruch spontan auf ein Sexualdelikt umgeschwenkt wurde.

- Zu den offenen Fragen gehört, ob es weitere Taten gibt. Die Staatsanwaltschaft Stendal sucht nach möglichen Verbindungen zum Fall der 2015 in Sachsen-Anhalt verschwundenen fünfjährigen Inga. Geprüft wird demnach, ob es Anhaltspunkte für Zusammenhänge gibt und ob sich daraus ein Anfangsverdacht gegen den 43-Jährigen ergibt.