Spritzmitteleinsatz auf einem Feld: Im Ackerbau ist Glyphosat der Renner Foto: dpa

Bis Mitte des Jahres muss die Europäische Union darüber befinden, ob das umstrittene Totalherbizid Glyphosat in der EU für die kommenden Jahre zugelassen wird. Die Entscheidung könnte schneller fallen, als erwartet.

Stuttgart/Berlin - Im Tauziehen um eine mögliche EU-Neuzulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat, deutet sich eine schnelle Entscheidung an. Wie aus Berliner Politikkreisen verlautete gingen die in Brüssel stattfindenden Verhandlungen zu dem Thema „zügig“ voran. Die Gespräche im zuständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel gestalteten sich „reibungslos“, hieß es.

 

Ende Juni läuft die bisher bestehende Zulassung für Glyphosat aus. Bisher war man davon ausgegangen, dass sich eine Entscheidung in der Sache bis Mai hinziehen könnte.

Glyphosat ist weltweit eines der am meisten eingesetzten Pflanzenschutzmittel. In Deutschland werden jedes Jahr rund 5000 Tonnen des Wirkstoffs auf die Felder ausgebracht. 40 Prozent der deutschen Ackerflächen werden mit glyphosathaltigen Produkten behandelt. Nach Daten des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen Julius Kühn (JKI) hat der Absatz glyphosathaltiger Herbizide im vergangenen Jahrzehnt in der Bundesrepublik stark zugenommen. Raps-Kulturen werden heute beispielsweise fast flächendeckend mit Glyphosat behandelt.

Bekanntestes Produkt ist Round-Up von Monsanto

Der Wirkstoff, der etwa im bekannten Pflanzenschutzmittel Round-Up des US-Multis Monsanto enthalten ist, ist seit etwa einem Jahr in der Diskussion. Im Juli vergangenen Jahres hatte die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen eingestuft. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das für die gesundheitliche Neubewertung des Stoff in der EU zuständig ist, war hingegen zu dem Schluss gekommen, dass bei richtiger Anwendung von Glyphosat kein Krebsrisiko für den Menschen zu erwarten ist. In Tierversuchen hätten auch keine „reproduktions- oder fruchtschädigende“ Wirkung nachgewiesen werden können. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte diese Meinung im vergangenen November gestützt.

Dennoch verstummt die Debatte um Glyphosat nicht. Kritische Wissenschaftler werfen speziell dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung, dem im Prozess der Neuzulassung des Pflanzenschutz-Verkaufsschlagers eine Schlüsselrolle zukommt, vor, kritische Studien zu ignorieren. Auch Umweltorganisationen wie der BUND wenden sich gegen eine Neuzulassung.

Grüne warnen vor offenen Fragen bezüglich krebserregender Wirkung

Der Schwäbisch Haller Agrar-Experte der Grünen-Bundestagsfraktion, Harald Ebner, sagte unserer Zeitung, die EU-Kommission drücke bei Glyphosat „jetzt offenbar aufs Tempo“. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sollten die EU-Staaten ganz schnell der Neuzulassung zustimmen. Dabei sei das Allround-Pflanzengift „umstritten wie nie zuvor“. Tatsächlich hat das BfR mittlerweile seine Einschätzung zur Unbedenklichkeit von Glyphosat leicht abgeschwächt, bleibt allerdings bei seiner befürwortenden Grundhaltung.

International zeigen sich indes Absetzungsbewegungen. Kolumbien etwa hat jüngst trotz großer Proteste entschieden, im Kampf gegen den Drogenanbau auf das Pflanzengift zu verzichten. Bisher wurde Glyphosat großflächig über Kokafeldern versprüht. Berichte über Missbildungen von Neugeborenen in Südamerika, die in Zusammenhang mit Glyphosat gebracht werden, haben die Öffentlichkeit weltweit verunsichert. In Übersee ist der Einsatz von Glyphosat allerdings intensiver als in Deutschland. Die Bauern dort greifen stark auf gentechnisch verändertes Saatgut zurück. Diese Sorten sind resistent gegen das Pflanzengift und überstehen die Chemikaliendusche im Gegensatz zum benachbarten Unkraut. In Deutschland und in der überwiegenden Anzahl der EU-Länder kommt derartiges Saatgut aber nicht zum Einsatz.

Bauern hierzulande benutzen Glyphosat vor allem zur Unkrautbekämpfung vor der Aussaat. Das lange Jahre gängige Abspritzen der reifen Pflanzen kurz vor der Ernte ist mittlerweile allerdings nur noch in wenigen Ausnahmefällen erlaubt. Agrarforscher haben zuletzt darauf hingewiesen, dass sich der Anbau von Pflanzen ohne Glyphosateinsatz deutlich verteuern könnte.