Wollen gemeinsam für Stuttgart 21 werben: Wolfgang Dietrich (li.) und Udo Andriof Foto: dpa

Udo Andriof und Wolfgang Dietrich erläutern, warum sie den schwierigen Job übernommen haben.

Stuttgart - Der frühere Stuttgarter Regierungspräsident Udo Andriof und der Unternehmer Wolfgang Dietrich werden künftig gemeinsam für Stuttgart 21 sprechen. Im Interview erläutern sie ihre Beweggründe.

Herr Andriof, Herr Dietrich, wie kommt man zum ehrenamtlichen Job, für das umstrittenste Bauvorhaben im Land sprechen zu dürfen?

Dietrich: Bahn-Chef Rüdiger Grube hat mich vorigen Freitag angerufen. Wir kennen uns schon lange. Mit Stuttgart 21 hatte ich bis jetzt nichts zu tun. Die Aufgabe ist eine Ehre. Aber ich hatte zwei schlaflose Nächte vor der Entscheidung, denn ich hatte vor zwei Jahren, mit 60, entschieden, Gas rauszunehmen, nicht mehr operativ in der Firma tätig zu sein.

Andriof: Ich kam am Dienstag von einer Rumänien-Reise mit meinen Geschwistern zurück, als mich Ministerpräsident Mappus erreichte. Man fragt sich schon: Will man sich das antun? Bei mir ist es wohl Pflichtbewusstsein. Ich stand mein ganzes Berufsleben im Dienst des Landes.

In diesem Job müssen Sie Doppelpass spielen können. Passen Sie zusammen?

Dietrich: Ich habe früher mal Fußball gespielt, bin Dauergast beim VfB und mache Sportmarketing.

Andriof: Die Liebe zum Fußball verbindet uns, ich bin auch Mitglied beim VfB, und ich kicke mit Freunden bei der Sportschule Ruit. Wir treffen uns heute zum ersten Mal, und wir machen das kollegial.

Was haben Sie bis vergangenen Freitag mit Stuttgart 21 verbunden?

Dietrich: Bis vor einem Dreivierteljahr habe ich mich inhaltlich damit nicht beschäftigt, mir ging es eher um das Thema Demokratieverständnis. Intensiv inhaltlich bin ich seit Anfang des Jahres dabei, aber ich kann noch nicht zu allen Details etwas sagen, bin froh, dass Herr Andriof dazu da ist. Wir gehen das gemeinsam an.

Andriof: Ich habe im Beruf ja Monate mit dem Projekt verbracht und war damals schon der Meinung, dass es verwirklicht werden muss. Ich dachte, wir schaffen das nicht bis 2012, aber bis 2016.

"Wir werden die Stadtflucht vermeiden können"

Sie sollen überzeugen. Wie nahe sind Sie dran an den Menschen, kennen Sie Gegner?

Dietrich: Ich glaube, in unserer Altersliga sind die Widerstände am größten. Es gibt die typische Reaktion zu sagen: Was soll das, ich habe ja nichts mehr davon? Ich war öfters mal am Nordflügel, nicht bei der Demo am Montag. Man muss aber an das große Ganze denken und sich auch starkmachen für Themen, von denen man selbst nichts mehr hat.

Andriof: Wir müssen Gesprächsfäden, wenn es sie gibt, aufnehmen. Je weiter der Bau fortschreitet, desto mehr wird sich die Frage stellen, ob es Optimierungsmöglichkeiten gibt. Zurzeit sehe ich keine Defizite im Projekt. Unser Ziel muss es sein, das Kommunikationsbüro irgendwann überflüssig zu machen.

Das dürfte dauern.

Andriof: Das Projekt hatte nicht den Zulauf, den es verdient gehabt hätte, und es ist planerisch verzögert worden. Das Gefühl, ob es überhaupt kommt, ist doch bis heute nicht völlig überwunden. In den letzten Wochen hat Stuttgart 21 einen gewaltigen Schub erfahren, weil sich die Politik und die Bahn positioniert haben. Was sich an Widerstand aufgebaut hat, ist eine Welle, die irgendwann flacher werden wird. Je weiter die Leute weg sind, desto unverständlicher ist ihnen der hiesige Widerstand.

Es gibt ein Kommunikations- und ein Baubüro, Letzteres unter der Leitung von Bauchef Hany Azer. Die Kommunikation zwischen beiden hat bisher nicht immer reibungslos geklappt.

Andriof: Ich habe mich mit dem Bahnvorstand unterhalten, und es ist für alle Beteiligten selbstverständlich, dass wir stets offene, umfassende und rechtzeitige Information brauchen.

Werden Sie das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zu einem Gespräch einladen.

Andriof: Es gibt nicht den einen Demonstranten. Ich denke, wir werden die Gegner insgesamt ansprechen können.

Wie erklären Sie sich das Kommunikationsloch, in dem Bahn und Land seit langer Zeit stecken?

Andriof: Ich weiß nicht, ob man das so bezeichnen kann. Man muss positiv sehen, dass das Projekt endlich losgegangen ist.

Worauf können sich die Bürger bei Stuttgart 21 freuen?

Dietrich: Auf 100 Hektar wunderschöne Landschaft im Vergleich zu einer Gegend, die für mich bisher schändlich vernachlässigt wurde: das Gleisfeld vom Hauptbahnhof bis Cannstatt.

Andriof: Stuttgart ist eine wunderschöne Stadt im Grünen, und dieses Grün, der Schlossgarten, wird noch breiter werden, wird noch mehr Menschen Gelegenheit zur Erholung bieten. Wir werden die Stadtflucht vermeiden können, wenn mehr Arbeits- und Wohnplätze in Stuttgart entstehen können.