Sprachassistent Alexa Foto: dpa

Zur Aufklärung von Verbrechen will die Polizei auch Sprachassistenten auswerten. Das ist ein zu hoher Preis für die Sicherheit, meint unser Autor Rainer Wehaus.

Stuttgart - Ihre Sicherheit ist den Menschen viel wert. Das kann man – in den nächsten Tagen und Wochen zum Beispiel in der Pfingstreisezeit – an jedem Flughafen sehen. Klaglos lassen die Passagiere die diverse Sicherheitskontrollen über sich ergehen – obwohl diese bisweilen entwürdigend und zum Teil von äußerst fragwürdigem Nutzen sind.

Auch einer Verschärfung der Straf- und Sicherheitsgesetze stehen die Menschen – nicht nur die Deutschen – in der Regel sehr aufgeschlossen gegenüber. Die Angst vor Terror und Verbrechen ist groß, in der Regel deutlich größer als die tatsächliche Gefahr. Und an dem abgedroschenen Spruch, dass der rechtstreue Bürger nichts zu befürchten habe, ist ja auch tatsächlich was dran.

Bequemlichkeit hat einen Preis

Allerdings ist im digitalen Zeitalter die Gefahr der lückenlosen Überwachung eines jeden Bürgers nicht mehr abstrakt oder nur ein Thema für Tagungen von Datenschutzbeauftragten. Jeder, der einen Computer oder ein Smartphone besitzt, bekommt mittlerweile zumindest eine Ahnung davon, was damit gemeint sein könnte. Wenn zum Beispiel auf dem Bildschirm Werbeanzeigen für Produkte aufpoppen, nach denen man gegoogelt hat. Oder wenn Google einen fragt, ob man nicht das Restaurant bewerten will, in dem man gerade gegessen hat. In solchen Momenten wird einem vor Augen geführt, dass die Bequemlichkeit, die einem die neuen Internetdienste bieten, einen Preis hat. Und zwar einen hohen.

Wie hoch der Preis in etwa sein kann, zeigen die neuen Überlegungen aus dem Kreis der Innenminister, bei schweren Verbrechen auch Sprachassistenten auswerten zu wollen. Wer Assisenten wie Alexa vom Internetriesen Amazon befragen will, wer der Mörder ist, der dringt tief in die Intimsphäre der Menschen ein, nämlich in ihre eigene Wohnung. Es wird spannend sein zu beobachten, wie die Gerichte einen solchen Eingriff bewerten. Schließlich gilt die Unverletzlichkeit der Wohnung als ein herausragend hohes Rechtsgut.

Alexa hört durchgehend mit

Fakt ist allerdings auch: Die allermeisten Menschen interessieren sich zunächst einmal nicht sonderlich dafür, wie gut oder schlecht ihre Daten geschützt sind. Sprachassistenten wie Alexa zählen seit Jahren zu den beliebtesten Geschenken, obwohl weitgehend unklar ist, wer wann die Gespräche mithört und ob und wie sie gespeichert werden. Als „nützliche Haushaltshilfe“ macht Alexa eigentlich nur Sinn, wenn sie ständig empfangsbereit ist. Das heißt aber auch: Sie muss durchgehend mithören. Was davon aufgezeichnet wird, entscheidet offenbar vor allem Amazon.

Die Freiheit stirbt scheibchenweise. Und sie stirbt immer auch im Namen des Guten. Wer kann etwas dagegen haben, dass das Hinterziehen von Steuern besser geahndet wird? Also werden die Kontenbewegungen stärker überwacht. Und wer kann etwas dagegen haben, dass zur Aufklärung eines brutalen Verbrechens alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden – auch die digitalen?

Freiheit gegen Sicherheit

Angesichts der Erfahrungen der vergangenen, vom Terror geprägten Jahre sei folgende Prognose gewagt: Die Sicherheitsbehörden werden sich auch mit ihren Alexa-Plänen weitgehend durchsetzen. Denn mehr als ihre Freiheit lieben die Menschen ihre Sicherheit. Viele wissen gar nicht, was der Polizei schon heute alles erlaubt ist, um schwere Verbrechen aufzuklären. Und viele wollen es auch gar nicht wissen.

Und für jene, die um ihre Freiheit fürchten, gilt: Keiner wird gezwungen, die Internetdienste in all ihrer Intensität und Aufdringlichkeit zu nutzen. Und jedem steht es frei, Alexa den Stecker zu ziehen.

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de