Friede auf Erden: So stellte sich der deutsche Maler und Lithograf Franz Seraph Hanfstaengl (1804-1877) im 19. Jahrhundert das irdische Paradis vor. Foto: Wikipedia commons

Anglizismen und Bürokraten-Deutsch, Mode-Floskeln und aussterbende Begriffe – in unserer Sprach-Glosse hören wir genau hin. Wie die Menschen so reden, was sie sagen, wie sie’s meinen. Heute unter der Lupe: „Paradies“.

Stuttgart - In der Osterwoche des Jahres 1300 sieht sich der italienische Dichter Dante Alighieri in der Nacht vor dem Karfreitag durch einen wilden Wald irren. Im Traum durchmisst er die neun Kreise der Hölle, schreitet durch das Fegefeuer, um ins Paradies, dem Ort vollkommener Seligkeit zu gelangen.

Am Ende der Führung durch die ewigen Sphären erblickt er wie vom Blitz getroffen das Geheimnis Gottes, in dem alle anderen Geheimnisse – auch das seiner Seele – eingeschlossen sind.

Himmlisches Jerusalem – Garten Eden

Wie Dante glaubten auch seine mittelalterlichen Zeitgenossen an die Existenz von zwei Paradiesen: Zum einen das himmlische Jerusalem, das aus dem Weltgericht am Ende Tage entstehen wird; zum anderen das irdische Paradies, das dem biblischen Garten Eden entspricht.

Vielleicht gab es einen solchen Urzustand tatsächlich einmal in der Erdgeschichte. Auch wenn Löwe und Lamm dort niemals einträchtig nebeneinander lebten, gab es zumindest keine Menschen, die aus der Welt eine Hölle auf Erden machten.

Entmythologisierung der Bibel

Von den idyllischen Paradiesvorstellungen früherer Zeiten ist nicht viel geblieben, seit der evangelische Theologe und Bibelforscher Rudolf Bultmann (1884-1976) Himmel und Hölle, Fegefeuer und Paradies gründlich entrümpelt hat.

„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben“, sagte er. Kurzerhand entmythologisierte Bultmann die Bibel, indem er den Wirklichkeitsgehalt hinter der mythischen Sprache offenlegte.

Geblieben sind die Visionen einer neuen, besseren und friedlicheren Welt, von der Menschen hoffen, dass sie irgendwann in der Zukunft aus den Trümmern der alten erwachsen könnte.