Jule Kleider, Alina Oganesyan, Hanna Zernickel und Luisa Weber (von links) sind Schulfreundinnen. Foto: Eva Herschmann

Luisa Weber und Jule Kleider gehen mit den Stützpunkt-Gymnastinnen Alina Oganesyan und Hanna Zernickel von der deutschen Juniorinnen-Nationalgruppe in die gleiche Klasse und sind mit ihnen befreundet.

Schmiden - Wenn Luisa Weber, Jule Kleider, Alina Oganesyan und Hanna Zernickel in der Pause im Schulhof ihre Köpfe zusammenstecken, unterscheidet sie rein gar nichts von anderen Schülern am Gustav-Stresemann-Gymnasium (GSG) in Schmiden. Vier Freundinnen eben, die sich viel zu erzählen haben.

Neid kommt da keiner auf

Im Klassenzimmer der 9d, in die die vier gemeinsam gehen, bleiben jedoch die Plätze neben Luisa Weber und Jule Kleider häufig unbesetzt. Immer wieder sind Alina Oganesyan und Hanna Zernickel, die zwei Gymnastinnen vom Bundesstützpunkt in Schmiden, die zum Team der deutschen Juniorinnen-Nationalgruppe gehören, auf Reisen und haben dann – mit offizieller Erlaubnis von GSG-Direktor Marcus Vornhusen – schulfrei.

„Manchmal wünschte ich mir schon, dass ich die Klassenarbeit auch nicht mitschreiben müsste. Aber als Freundin kriegt man alles mit, und wir wissen, dass Turniere für die zwei keinen Urlaub bedeuten. Sie müssen auch den ganzen Stoff nachholen und jede Klassenarbeit nachschreiben“, sagt Jule Kleider. Neid kommt da keiner auf, auch nicht bei ferneren Reisezielen wie Baku oder Sofia. Die 14-Jährige kennt den eng getakteten Terminkalender und das tägliche Trainingspensum der Gymnastinnen zu genau. „Ich könnte mir das für mich nicht vorstellen“, sagt Jule Kleider, die beim TSV Schmiden turnt: „Aber nicht bei Wettkämpfen, sondern nur zum Spaß.“

Wenn die Gymnastinnen unterwegs sind, teilen sie die Erlebnisse

Luisa Weber möchte trotz der freien Tage und der verschobenen Arbeiten ebenfalls nicht mit den Leistungssportlerinnen tauschen. „Aus der Schule raus und dann jeden Tag gleich ins Training, das ist echt krass“, sagt die 15-Jährige, die im zweiten Team der Juniorinnen des TV Oeffingen Tennis spielt und im Schnitt vielleicht zweimal pro Woche trainiert. Unvorstellbar für Luisa Weber ist zudem der Gedanke, ohne Eltern zu leben. Wie Hanna Zernickel, die vor zwei Jahren als 13-Jährige aus Tübingen nach Schmiden gezogen war und seitdem im Internat wohnt, das dem Stützpunkt angegliedert ist. „Das könnte ich vielleicht maximal einen Monat aushalten, länger nicht“, sagt Luisa Weber. Die erste Zeit sei tatsächlich nicht einfach gewesen, erzählt Hanna Zernickel: „Aber ich habe mich längst gut eingewöhnt.“ Auch dank der Freundinnen.

Wenn die Gymnastinnen unterwegs sind, teilen sie die Erlebnisse mit den Daheimgebliebenen und schicken Bilder über das digitale Netz. Etwa von den Europameisterschaften in Baku im Mai, als die 14-jährige Alina Oganesyan ein Foto mit Aleksandra Sergeyevna Soldatova aus Russland teilte, Bronzemedaillengewinnerin im Mehrkampf und Weltmeisterin mit dem Band der Titelkämpfe 2018 in Sofia. „Wir freuen uns, wenn die beiden erfolgreich sind“, sagt Luisa Weber. Und sie helfen ihnen, wo sie können.

Nicht einmal für ein Treffen in einer Eisdiele hat es bisher gereicht

Etwa, als Hanna Zernickel und Alina Oganesyan vor den Europameisterschaften, bei denen die Nachwuchsgruppe den zehnten Platz im Mehrkampf belegte, mit dem Team eine Woche zur Vorbereitung im Olympischen und Paralympischen Trainingszentrum Kienbaum bei Berlin waren. In den insgesamt zwei Wochen, die sie deswegen in der Schule gefehlt haben, hat Jule Kleider den gesamten Lernstoff und alles an Material gesammelt, das die Lehrer im Unterricht ausgeteilt haben. Das macht sie immer so, wenn die beiden in Sachen Sport unterwegs sind. „Und natürlich gebe ich auch alles weiter, was in der Schule gerade so an Klatsch und Tratsch herumgeht“, sagt sie mit einem Grinsen.

Hanna Zernickel, Luisa Weber, Alina Oganesyan und Jule Kleider stehen auf die Dinge, auf die Mädchen in diesem Alter stehen. Aber beim Bummeln, Baden oder Partymachen müssen Luisa Weber und Jule Kleider meist auf die Freundinnen verzichten. „Manchmal bin ich schon neidisch, wenn es draußen 30 Grad hat und Luisa und Jule im Freibad liegen und wir in der Übungshalle sind“, sagt Alina Oganesyan ehrlich. Nicht einmal für ein Treffen in einer Eisdiele hat es bisher gereicht oder für einen Blitzbesuch im Fast-Food-Restaurant. „Daran haben wir uns längst gewöhnt. Ich würde mir zwar wünschen, dass wir öfter mal zusammen irgendwohin gehen könnten, aber meistens sehen wir uns eben nur in der Schule“, sagt Luisa Weber. Außer an den Tagen, an denen Alina Oganesyan und Hanna Zernickel bei Wettkämpfen sind.