Die Gymnastinnen der Nationalgruppe – Anastasija Khmelnytska, Julia Stavickaja, Daniela Potapova, Natalie Hermann und Sina Tkaltschewitsch (von links) – gehen nun getrennte Wege. Foto:  

Anastasija Khmelnytska, Julia Stavickaja und Daniela Potapova verabschieden sich nicht ohne einen Hauch von Wehmut aus der Nationalgruppe und vom Bundesstützpunkt in Schmiden. Sie widmen sich nun der Schule oder dem Studium.

Schmiden - Es sind bewegte Zeiten. Gerade noch sind Anastasija Khmelnytska, Julia Stavickaja und Daniela Potapova – gemeinsam mit Natalie Hermann und Sina Tkaltschewitsch – auf dem olympischen Teppich gestanden. Am Dienstagmorgen sind sie mit dem deutschen „Siegerflieger“ , der die Athleten aus Rio de Janeiro nach Hause brachte, in Frankfurt am Main gelandet. Nach einer Zugfahrt waren sie erst am späten Abend wieder in Schmiden. Doch viel Zeit, die olympischen Tage – und die Ereignisse in Rio – Revue passieren zu lassen, blieb nicht. Kaum zurück, haben sie schon wieder die Koffer gepackt. Denn für die drei Gymnastinnen der Nationalgruppe waren die Olympischen Spiele Höhepunkt und zugleich Schlusspunkt ihrer sportlichen Karriere. Nach dem zehnten Platz in der Qualifikation und dem verpassten Einzug ins Finale machten Anastasija Khmelnytska, Julia Stavickaja und Daniela Potapova ihren lange geplanten Rücktritte öffentlich – und damit auch den Abschied vom Bundesstützpunkt in Schmiden.

In die alte WG der drei Mädchen zieht nun Jana Berezko-Marggrander ein

Die letzte Nacht in ihrem alten Leben haben die Berlinerinnen Anastasija Khmelnytska und Daniela Potapova sowie Julia Stavickaja aus Bremen gemeinsam verbracht. Anastasija Khmelnytska, bei den Olympischen Spielen noch Kapitänin der deutschen Nationalgruppe, ist mit Sack und Pack aus dem Internat des Bundesstützpunkts für Rhythmische Sportgymnastik in Schmiden in die Oeffinger Wohngemeinschaft gekommen. In der WG haben bisher Daniela Potapova und Julia Stavickaja gewohnt. Nun werden Jana Berezko-Marggrander, die Deutschland in Rio de Janeiro im Einzel vertrat und den 17. Platz belegte, und eine neue Verwaltungsmitarbeiterin des Stützpunkts in die drei Zimmern mit Küche und Bad ziehen.

Statt sieben Stunden Training am Tag stehen jetzt Abitur oder Uni an

Vor dem Auszug haben sich die Mädchen ausgiebig Zeit genommen, sich an gemeinsam Erlebtes zu erinnern, miteinander zu lachen und zu tratschen. „Fantastisch“ sei Rio gewesen, sagt Anastasija Khmelnytska, „einfach schön“, sagt Julia Stavickaja. Allerdings auch überraschend nass und kalt, vor allem in der zweiten Woche, sagt Daniela Potapova. „Aber vor allem völlig anders als ein normaler Wettkampf, Olympia eben.“ Völlig anders wird auch das neue Leben der Gymnastinnen sein. Im vergangenen Jahr haben Anastasija Khmelnytska, Julia Stavickaja und Daniela Potapova fast täglich bis zu sieben Stunden in der Trainingshalle an Pirouetten, Würfen und Choreografien gefeilt und gemeinsam auf das große Ziel, die Olympischen Spiele 2016, hingearbeitet. Diesen Traum haben sie sich erfüllt. Jetzt sind sie auf dem Sprung in ein neues Leben. Die 18 Jahre alte Anastasia Khmelnytska geht nach Berlin zurück, um dort im Mai 2017 das Abitur zu machen. Julia Stavickaja, 18, kehrt zu ihrer Familie nach Bremen zurück und wird an der Universität in ihrer Heimatstadt ab dem Wintersemester Jura studieren. Die 20-jährige Berlinerin Daniela Potapova zieht es zu ihrem Freund, dem Turner Andreas Toba, nach Hannover, um dort ein duales Studium im Bereich Sportbusiness-Management zu beginnen. Der Athlet, der in Rio einen Kreuzbandriss erlitt, ist mittlerweile operiert worden. „Ihm geht es gut, und er will auch weiterturnen.“ Auf das Wiedersehen mit ihren Familien freuen sie sich am allermeisten. Daniela Potapova sehnt sich außerdem nach ein paar Tagen Erholung in Berlin, bevor es für sie weiter nach Hannover geht. Julia Stavickaja kann es kaum erwarten, mit ihren beiden Hunden, den Labradoren Idefix und Mitch, herumzutoben, und Anastasija Khmelnytska will endlich ihr Zimmer einrichten. Denn nachdem sie vor vier Jahren nach Schmiden kam, ist ihre Familie in ein Berliner Reihenhaus gezogen. „In meinem Zimmer ist bisher nur eine Luftmatratze drin, auf der ich geschlafen habe, wenn ich mal zu Hause war.“

Die Mädchen wurden durch ihren Sport selbstständiger und disziplinierter

Dass sie in jungen Jahren von daheim weggegangen sind, um sich auf die Sportgymnastik zu konzentrieren, habe sie früh selbstständig werden lassen, sagt Daniela Potapova, die ebenfalls 2012 nach Schmiden kam. „Wir mussten unsere Wäsche selbst waschen und uns selber was zum Essen machen.“ Die Disziplin fürs tägliche Training aufzubringen, sei aber nicht immer einfach gewesen: „Vor allem am Wochenende, wenn draußen die Sonne scheint und du in der Halle stehst.“ Oder wenn der Körper eigentlich nicht mehr weitermachen will, aber das Training noch nicht zu Ende ist, ergänzt Anastasija Khmelnytska. Dennoch sei das Einzige, auf das sie in Zukunft gerne verzichte, die Waage. „Aber die spielt heute längst nicht mehr diese wichtige Rolle wie in den ersten beiden Jahren in denen ich hier am Bundesstützpunkt in Schmiden war.“ Sie und Daniela Potapova werden sich ganz aus dem Leistungssport zurückziehen und ihre neu gewonnene Freiheit genießen. Julia Stavickaja, die Anfang 2015 kam und damit die kürzeste Zeit hier verbracht hat, denkt zumindest darüber nach, noch ein Jahr als Einzelgymnastin für ihren Verein Bremen 1860 an den Start zu gehen. „Aber nur auf nationaler Ebene, nicht mehr international.“ Eine Rückkehr in die Sportgymnastik als Trainerin oder Kampfrichterin indes ist für alle drei denkbar. Nicht nur als Charakterschule werden die Gymnastinnen die Zeit am Leistungszentrum in Schmiden vermissen. „Die Mädels werden mir fehlen“, sagt Julia Stavickaja. Die beiden anderen nicken. „Zur Gala ,Enjoy your rhythm’ am 23. September in der Schwabenlandhalle sind wir schon wieder da, und ich freue mich darauf“, sagt Anastasija Khmelnytska.