Kathrin Igel will fortan ihre Erfahrungen und ihr Wissen in Lehrgängen an Trainer aus verschiedenen Sportarten weitergeben. Foto: Eva Herschmann

Kathrin Igel verlässt nach sechs Jahren den Bundesstützpunkt für Rhythmische Sportgymnastik in Schmiden. Die 43-Jährige zieht es sportlich zum Kunstradsport zurück und in ein Leben als selbstständige Referentin in der Aus- und Fortbildung von Trainern.

Schmiden - Vom ersten Tag an hat Kathrin Igel der Blick aus ihrem Bürofenster in die Trainingshalle fasziniert. Als sie vor rund sechs Jahren, im April 2015, als Leiterin des Bundesstützpunkts für Rhythmische Sportgymnastik in Schmiden begann, schaute sie oft nach unten. Seit dem Bau der zweiten Übungshalle und dem Umzug in den neuen Verwaltungstrakt fehlt der Blickkontakt. Doch bald wird Kathrin Igel wieder ganz nah dran sein am sportlichen Geschehen. Nach sechs Jahren verlässt die 43-Jährige, die aus dem Kunstradsport kommt, das Landesleistungszentrum der Gymnastinnen und kehrt zu ihren Wurzeln zurück.

Bereits im Januar hat Kathrin Igel den Schwäbischen Turnerbund (STB) über ihre Zukunftspläne informiert. Kurz davor war sie zur Bundestrainerin für Kunstrad-Einer beim traditionsreichen Rad- und Kraftfahrerbund „Solidarität“ Deutschland (RKB) ernannt worden, der 1896 in Offenbach am Main gegründet wurde. In der Weimarer Republik war der „Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität“, wie er damals hieß, mit mehreren hunderttausend Mitgliedern der größte Radsportverband der Welt. Die glorreichen Zeiten sind allerdings lange vorbei. Heute ist der RKB, der seine regionalen Schwerpunkte in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen hat und dessen Mitgliedsvereine vor allem Hallenradsport, also Kunstradfahren, Radball, Radpolo, aber auch Motorsport und Rollsport, Radwandern, BMX, Einrad und Breitensport betreiben, mit rund 40 000 Mitgliedern ein kleiner Verband im Vergleich zum Bund Deutscher Radfahrer (BDR), der mehr als 140 000 Mitglieder hat.

Ein Art Joachim Löw des Kunstradsports

„Ich spüre die Leidenschaft in mir, wieder direkt am Menschen und mit den Athleten zu arbeiten“, sagt Kathrin Igel. Allerdings wird sie nicht in Vollzeit als Trainerin tätig sein. Das tägliche Üben obliegt den Heimtrainern. „Ich bin so eine Art Joachim Löw des Radsports. Die besten Kunstradfahrer aus unserem Verband kommen regelmäßig zu meinen Lehrgängen im Olympiastützpunkt in Tauberbischofsheim, ich bereite sie auf die internationalen Wettkämpfe vor und begleite sie auch“, sagt Kathrin Igel. Die Ernennung zur Bundestrainerin beim Rad- und Kraftfahrerbund war für sie jedoch mehr als nur das Signal für eine Rückkehr in die Trainingshalle. Kathrin Igel hat gleich eine radikale Veränderung und Neuorientierung vollzogen.

Neben ihrer Trainertätigkeit im Verband will sich die 43-Jährige in den nächsten Jahren ein zweites Standbein als freie Referentin aufbauen. „Mein Herzensthema ist seit langem der Trainer als Pädagoge, denn es gibt ja doch immer wieder Probleme in der Sportler-Trainerbeziehung. Deshalb will ich vermehrt Trainerausbildungen und -fortbildungen anbieten, und zwar sportartübergreifend. Und in meiner Vision schreibe ich darüber auch noch ein Buch“, sagt Kathrin Igel. Außerdem hat sie immer noch ihre Artisten in Kanada. Denn schon seit vielen Jahren lehrt Kathrin Igel an den nationalen Zirkusschulen in Montreal, Quebec City sowie Disraeli das Kunstradfahren.

Kathrin Igels Nachfolge ist noch nicht geklärt

Der letzte Arbeitstag von Kathrin Igel als Stützpunktleiterin in Schmiden ist der nächste Mittwoch. Offiziell dauert ihre Zeit beim Schwäbischen Turnerbund aber bis Ende Juni, und noch ist die Nachfolge nicht geklärt. Es liegen einige gute Bewerbungen vor, erklärt Hannes Hasspacher, der Pressesprecher des STB, auf Nachfrage. „Zurzeit finden entsprechende Gespräche statt. Ziel ist es, die vakante Stelle so zeitnah wie möglich zu besetzen.“

Kathrin Igel ist froh, dass sie den langsamen Wiederanfang und Einstieg in reale Wettkämpfe nach der langen Corona-Pause im Bundesstützpunkt noch begleiten konnte. Künftig wird sie dann das Geschehen, fast so wie in den Anfangsjahren in ihrem alten Stützpunkt-Büro, aus gar nicht mal großer Distanz beobachten. Denn sie wird ihren Wohnsitz in Fellbach behalten. „Mir sind die Gymnastinnen ans Herz gewachsen. Aber mit Besuchen in Schmiden werde ich mich zurückhalten. Mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin soll nicht das Gefühl haben, dass ich noch ständig herumschwirre.“ Und schließlich hat sie lange genug von ihrem Schreibtisch aus die ganze Organisation für die Gymnastinnen erledigt – von den Tickets für die Reisen zu Wettkämpfen bis zu neuen Trainingsplänen. Jetzt freut sich Kathrin Igel auf den neuen Lebensabschnitt mittendrin im sportlichen Geschehen. „Das macht mir den Abschied leichter.“