Erfolgreiches VfB-Duo: Sportdirektor Sven Mislintat (li.), Sportvorstand Thomas Hitzlsperger. Foto: Baumann

Der Vertrag des Stuttgarter Sportdirektors Sven Mislintat wird bis zum Jahr 2023 verlängert – und sein Einfluss erweitert. Die Hintergründe.

Stuttgart - Die Verhandlungen waren hart, zäh und verliefen nicht ohne Nebengeräusche. Rechtzeitig vor dem Fest sind sich die Parteien aber einig geworden. Sven Mislintat und der VfB Stuttgart gehen weiter gemeinsame Wege. Das zum Saisonende auslaufende Arbeitspapier wurde um zwei Jahre bis Juni 2023 verlängert. Trotz Angeboten der Konkurrenz, mit festgezurrten Kompetenzen – und ohne Ausstiegsklausel, wie Mislintat und Vorstandschef Thomas Hitzlsperger am Donnerstag verkündeten.

 

Einträchtig saßen die beiden Alphatiere des wiedererstarkten Bundesligisten in der virtuellen Pressekonferenz beieinander – und hatten gut lachen. Mislintat sprach von einem „tollen Moment“ und von einer „großen Ehre“. Sein Vorgesetzter unterstrich die Wichtigkeit der Personalie in dem Bestreben, den Aufsteiger wieder zu einer Topadresse zu machen. „Da wächst richtig was zusammen.“

Der Vertragsverlängerung vorausgegangen war eine wochenlange Hängepartie. Klar war, dass Hitzlsperger frühzeitig mit dem Mann verlängern wollte, den er kurz vor dem Abstieg 2019 an den Neckar gelotst hatte. Die Argumente liegen auf der Hand. Dem 48-Jährigen ist es gelungen, einen Kader zusammenzustellen, der nicht nur die Mindestanforderung bundesligatauglich erfüllt. Dem Tabellensiebten bietet sich vor der Auswärtspartie beim VfL Wolfsburg (Sonntag, 18 Uhr) darüber hinaus die Perspektive, auf mittlere Sicht wieder eine gute Rolle im deutschen Oberhaus zu spielen. Das ist nach den bisher gezeigten Leistungen keine kühne Prognose.

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Dennoch musste Hitzlsperger ihn „ein zweites Mal vom VfB überzeugen“, wie er sagte. Den Westfalen beschäftigte neben der erst jetzt erfolgten schriftlichen Fixierung seiner Kompetenzen im Bereich Kaderplanung, Scouting und Analyse die Frage, wie es für ihn einmal in einer möglichen Konstellation ohne Hitzlsperger weitergehen würde. Weil der 38-Jährige, der zugleich als Sportvorstand und als Vorstandsvorsitzender agiert, sich vielleicht eines Tages nur noch um seinen Chefposten in der AG kümmern wird. Und dann unter Mitsprache des Aufsichtsrats ein neuer Vorgesetzter für den Sportdirektor Mislintat installiert werden könnte. Oder Version zwei: Hitzlsperger verlässt den VfB. Dafür gibt es im Moment zwar keine Anzeichen. Doch wer kann schon sagen, was die Zukunft bringt? Der Vertrag des 38-Jährigen läuft noch bis Sommer 2022.

Alles Fragen, die sich Mislintat vorausschauend gestellt und in seine Überlegungen bezüglich einer Vertragsverlängerung gründlich einbezogen hat. „Es ging auch um die Frage, wie es sich vertraglich mit einem Arbeitnehmerverhältnis vereinbaren lässt, dass ich als Direktor trotzdem eine Wichtigkeit in den Entscheidungen habe“, führte Mislintat etwas sperrig aus. Gemeint war ein Mitspracherecht, welches Mislintats Machtfülle innerhalb des Clubs erweitert. Wenngleich er hinzufügte: „Der Verein soll trotzdem die maximale Freiheit haben zu entscheiden.“

Die beiden wissen, wie schnell der Wind drehen kann

Aus heutiger Sicht mögen das ungelegte Eier sein. Doch wie schon erwähnt: Wer weiß, was in einem Jahr ist. Mislintat und Hitzlsperger sind lange genug im Geschäft, um zu wissen, wie schnell der Wind drehen kann. Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, dass Mislintat auch clubintern in die Schusslinie geraten war. Als der Aufstieg in Gefahr war und er sich dazu entschloss, den Vertrag mit Trainer Pellegrino Matarazzo zu verlängern. Das rief die Kritiker auf den Plan, was Mislintat nicht vergessen hat. In seinen Ausführungen hebt er neben Hitzlsperger stets den Trainer sowie Markus Rüdt, den Direktor für Sportorganisation, hervor. Mislintats engster Zirkel innerhalb des VfB.

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Er und Hitzlsperger gelten als besonders dicke. Nicht umsonst ist von „Hitzlintat“ die Rede. Nach der Vertragsunterzeichnung gaben die beiden Einblicke in die Kultur ihrer Zusammenarbeit. „Wir können echt hart diskutieren“, sagte der Vorstandschef. „Es strengt manchmal an, aber nur so kommt man weiter.“ Mislintat fügte augenzwinkernd hinzu: „Jetzt konnte ich ihm beweisen, was für ein guter Verhandlungspartner ich bin.“ Gelernt habe er das in unzähligen Pokern mit Spielern und Beratern – und besonders von Dortmunds Sportchef Michael Zorc. Ihn bezeichnete Mislintat als „Top-Mentor“.

Ruf als Diamantenauge bestätigt

Bei der Borussia hat er sich einst den Ruf als „Diamantenauge“ erworben. Diesen hat er in Stuttgart bestätigt. Silas Wamangituka, Tanguy Coulibaly oder Wataru Endo sind nur einige seiner Entdeckungen. Sie sind das Versprechen auf eine bessere sportliche Zukunft. Gefragt nach den sportlichen Zielen bis 2023, hielten sich die beiden mit Visionen aber zurück. Klar, die Mannschaft solle weiterentwickelt werden. Aber das Formulieren von Tabellenplätzen, das Ausrufen des internationalen Geschäfts gar, davon war von Hitzlintat nichts zu hören. Der Sportdirektor will weiter den Ball flach halten, auch in der kommenden Saison gehe es für ihn nur um den Klassenverbleib.

Blieb am Ende nur die Frage, wann Hitzlsperger mit seiner Vertragsverlängerung nachzieht. Dazu setzte der mächtige Mann beim VfB sein schönstes Thomas-Hitzlsperger-Lächeln auf und sagte: „Ich bin echt happy im Moment.“