Sport tut dem Immunsystem gut – am besten, er ist auch anstrengend. Darum kann körperliche Aktivität den Alterungsprozess verlangsamen.
Spazieren gehen reicht, Hauptsache, Bewegung – das war viele Jahre das Mantra von Ärzten und Gesundheitswissenschaftlern, wenn es darum ging, Empfehlungen zur körperlichen Aktivität zu geben. Kaum von der Öffentlichkeit bemerkt hat in den vergangenen Jahren aber ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt jetzt auf der Basis einer großen Analyse der Studien zum Thema Bewegung und Gesundheit: Es sollte anstrengend sein.
Anspruchsvolle Aktivität verändert die Blutwerte
„Für Menschen ohne größere gesundheitliche Probleme hat es durchweg positive Effekte, wenn sie sich stärker anstrengen, als bloß spazieren zu gehen“, sagt Michael Leitzmann, Professor für Epidemiologie und Präventivmedizin an der Uni Regensburg und Mitautor der WHO-Leitlinie zur Bewegung. „Joggen, Schwimmen oder anstrengendes Wandern zum Beispiel verändern Blutwerte derart, dass das Immunsystem schlagfertiger wird.“
Die aktuelle Leitlinie der WHO empfiehlt allen Erwachsenen, jede Woche mindestens 150 bis 300 Minuten aktiv zu sein. Gemeint sind damit Aktivitäten von moderater bis hoher Intensität. Doch was bedeutet das für den Alltag? „Als moderate Intensität gilt, wenn man die Anstrengung ein wenig spürt, etwa den Pulsschlag“, erklärt Leitzmann. „Sobald man dagegen ins Schwitzen kommt, sich nicht mehr ungestört unterhalten kann, weil man außer Atem ist, befindet man sich bereits auf dem intensiven Niveau.“
WHO empfiehlt zusätzliches Krafttraining
Wer sich mehr anstrengt, braucht weniger Zeit, um die gleichen positiven Effekte zu erzielen. „Wenn man sich länger als 150 Minuten in intensiver Aktivität bewegt, dann bringt das kaum noch zusätzliche gesundheitliche Vorteile“, sagt Leitzmann. Neu ist, dass die WHO zusätzlich auch Krafttraining von mindestens moderater Intensität empfiehlt, welches alle wichtigen Muskelgruppen umfasst.
„Es hat sich gezeigt, dass davon besonders ältere Menschen profitieren“, sagt Leitzmann. „Im Alter sorgt der Hormonabfall dafür, dass im Körper Prozesse des Abbaus dominieren – dem kann man mit körperlicher Aktivität entgegenwirken.“ Das trifft auch auf das Immunsystem zu. Es gilt als Teil des normalen Alterungsprozesses, dass Immunzellen mit den Jahren immer weniger gut funktionieren. Insbesondere sogenannte T-Zellen, die von Viren befallene Körperzellen abtöten.
„Hat eine Person viele dieser erschöpften T-Zellen, die nur sehr eingeschränkt funktionieren, sind schwere Infektionsverläufe häufiger“, sagt Karsten Krüger, Professor für Sportphysiologie an der Uni Gießen und Chef-Editor des Fachjournals „Exercise Immunology Review“. Durch regelmäßigen Sport lässt sich das ändern, wie eine im vergangenen Jahr publizierte Metaanalyse von Forscherinnen und Forschern der Freien Universität Brüssel nahelegt. „Er verringert vor allem den Anteil der gealterten T-Zelltypen“, erklärt Karsten Krüger.
Sport verringert den Anteil der gealterten T-Zelltypen
Studien mit sehr vielen Teilnehmern aus der Zeit der Coronapandemie unterstützen diese These. Menschen, die sich mindestens 150 Minuten pro Woche körperlich betätigten, hatten ein weniger als halb so hohes Risiko, ins Krankenhaus eingewiesen zu werden als jene, die angegeben hatten, inaktiv zu sein. Das ergab eine Studie aus Kalifornien, die sich auf fast 50 000 Teilnehmer bezieht. „Man sollte daraus aber nicht ableiten, dass Sport wirkungsvoll vor Corona schützt“, sagt Leitzmann. „Die Impfung kann man dadurch keinesfalls ersetzen.“
Nicht zu abrupt mit zu hoher Intensität beginnen
Sport kann die Immunalterung zumindest teilweise aufhalten, das gilt nicht nur für die T-Zellen. „Ein aktiver Lebensstil hält das Immunsystem bis ins Alter jünger“, sagt Karsten Krüger. „Auch bei jüngeren Menschen reduziert Sport chronische Entzündungsprozesse“, sagt Michael Leitzmann. Übergewicht etwa bewirkt solche krankhaften Prozesse auch schon in jüngeren Jahren.
„Sogar im fortgeschrittenen Alter oder bei Krankheit ist es immer noch besser, sich zu bewegen, als es sein zu lassen.“ Dann sei es allerdings ratsam, die ersten Schritte gemeinsam mit einem Arzt zu planen. Schaden kann ein individuell zugeschnittenes Sportprogramm jedenfalls kaum. Auch wenn ältere Studien durchaus eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte vermuten lassen. „Das gilt nur für Hochleistungssportler oder sehr ambitionierte Hobbysportler“, erklärt Leitzmann.
Zwei Ratschläge haben Sportwissenschaftler, um mit Sport gesund zu bleiben. „Wenn man einen Infekt hat, sollte man auf keinen Fall Sport machen“, erklärt Philipp Zimmer. „Eine deutlich erhöhte Herzaktivität kann je nach Erreger eine potenziell lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung nach sich ziehen.“ Sein Kollege Karsten Krüger rät: „Ich würde nicht morgens vor dem Frühstück Sport machen, denn sowohl die Muskulatur als auch die Immunzellen brauchen Energie.“ Diese Konkurrenzsituation könne dazu führen, dass ein Erreger im Körper die Überhand gewinne, sich vermehre und dann einen Atemwegsinfekt verursache.
Auf keinen Fall Sport machen, wenn man einen Infekt hat
Bewegung für Einsteiger
Kontinuität
Wichtig für Sportmuffel ist, nicht zu abrupt mit zu hoher Intensität zu beginnen. „Man sollte langsam anfangen und die Intensität stetig steigern“, sagt Michael Leitzmann, Professor für Epidemiologie und Präventivmedizin an der Uni Regensburg. „Wichtig ist, dass man Bewegung in den Alltag einbaut und eine Form findet, die Spaß macht.“ Denn die Schwierigkeit besteht für die meisten Menschen darin, sich kontinuierlich zu bewegen.
Alltag
Leitzman rät Einsteigern, grundsätzlich Treppen statt des Fahrstuhls zu nehmen, Erledigungen möglichst ohne Auto, sondern zu Fuß oder mit dem Rad zu machen oder etwa grundsätzlich eine Bahnstation früher auszusteigen, als man eigentlich müsste.