Vincent Klink hat die Türen der Wielandshöhe längst wieder aufgesperrt und generiert „Umsätze wie ohne Corona im Winter“. Foto: dpa//Marijan Murat

Viele Gourmettempel haben wieder offen – die Einschränkungen greifen aber noch stärker als in normalen Restaurants. Denn wie soll ein Sommelier mit Mundschutz am Korken einer Weinflasche riechen? Die am höchsten bewerteten Restaurants der Stadt haben auch alle noch zu.

Stuttgart - Auch die Sternegastronomie hat einen Neustart mit Maske und Abstand gewagt. Noch ziehen nicht alle Restaurants mit. Die, die wieder geöffnet sind, freuen sich aber zunächst mal darüber, überhaupt wieder kochen zu können. Ob das reicht?

Während das Leben in manchen Bereichen mittlerweile fast schon wieder normal läuft, bekommt die Gourmetgastronomie die Auswirkungen der Corona-Pandemie immer noch zu spüren. Dort, wo neben den Kreationen auf den Tellern besonders der Service zählt, die Wein-Expertise und jenes unvergleichliche Gefühl der Umsorgung, ist man noch weit von Normalität entfernt. Mal ganz zu schweigen davon, dass ein Sternerestaurant ohne großen Sponsor oder Hotelanschluss schon bei Vollbesetzung nicht allzu viel Rendite abwirft.

Die Lokale in den großen Hotels sind noch zu

Das hat manchen Paukenschlag in der Gourmetwelt gebracht. Der Werneckhof in München, zu zweifachem Sternenglanz geführt von Tohru Nakamura, hat dichtgemacht. Sarah Wiener hat Insolvenz angemeldet. Auch in Stuttgart sind noch nicht alle Sternepaläste geöffnet. Sowohl die Zirbelstube im Althoff Hotel am Schlossgarten als auch das erst in diesem Jahr mit dem zweiten Stern gekrönte Olivo unter Anton Gschwendtner im Steigenberger Hotel Graf Zeppelin sind noch geschlossen – Letzteres bis einschließlich 8. September 2020. „Die Rahmenbedingungen für eine Eröffnung sind für uns noch nicht gegeben“, sagt der Koch. Für Gschwendtner war dies so kurz nach der Verleihung des zweiten Sterns ein herber Schlag. Das Top Air am Flughafen ist ebenfalls noch geschlossen. Das Delice an der Hauptstätter Straße, das Hupperts in Heslach, die Speisemeisterei in Hohenheim und der Zauberlehrling im Bohnenviertel hingegen haben wieder geöffnet.

Für einen Einzelkämpfer wie Joannis Malathounis in Stetten im Remstal war die Lage klar. Seit dem 19. Mai ist sein Sternerestaurant wieder geöffnet. „Es war für uns gar keine Frage, ob wir wieder eröffnen“, sagt er dazu. „Ein paar Euro Einnahmen sind ja besser als nichts.“ Dennoch war er sich nicht sicher, ob die Gäste überhaupt kommen würden. „Dann hatten wir aber gleich ein paar nette Gäste, die nach dieser Durststrecke unbedingt außer Haus essen wollten. Es war ein gutes Gefühl, endlich wieder das zu tun, wofür wir brennen.“ Die Regeln dürften aber noch klarer sein, wenn es nach ihm geht. Weniger für den Betrieb selbst allerdings, denn: „Hygiene gehört zur Gastronomie wie Wasser zum Leben.“

Auf der Wielandshöhe läuft der Betrieb gut

Sein Kollege Alexander Dinter vom Sternerestaurant 5 in Stuttgart sieht das genauso: „Da in der Gastronomie sowieso ein Hygienekonzept nach strengen Regeln umgesetzt werden muss, waren die Vorschriften schnell durch zusätzliche Listen und Schulungen der Mitarbeiter umgesetzt.“ Während das Gourmetrestaurant im ersten Stock pausierte, wurde das Restaurant im Erdgeschoss zu einem Liefer- und Abholservice umfunktioniert. Mittlerweile wird aber auch oben wieder gekocht und gespeist. „Für uns war klar, dass wir, sobald es die Verordnungen des Landes zulassen, sofort wieder Gastgeber sein wollen.“

Und der gelassen in den Kessel blickende Wächter in Kochschürze von der Wielandshöhe? Winkt mit einem stillen Grinsen ab: „Wir haben die Tische bei uns schon vor zwei Jahren weiter auseinandergerückt.“ Drei Tische musste Vincent Klick, der Ur-Sternegastronom der Stadt, dann zwar dennoch entfernen, aber dafür beschert ihm der Betrieb dank seiner Terrasse „Umsätze wie ohne Corona im Winter“.

Das liegt an seinen getreuen Stammgästen, die ihn förmlich überrannt haben, als er die Wielandshöhe wieder aufgeschlossen hat. „Insgesamt sind wir alle guter Dinge – auch, weil wir niemanden gehen lassen mussten.“ Selbst in den Herbst, in die terrassenlose Zeit, blickt Klink optimistisch. „Wenn jemand sehr ängstlich ist oder eine Menge Geld verdienen will, dann ist er in dieser Branche sowieso auf dem falschen Dampfer.“