Traumhafte Kulisse mit Schwarzwaldhaus: die Mühle Schluchsee Foto: Matthias Ring

Mit der Mühle Schluchsee und dem Sein in Karlsruhe gibt es zwei neue Spitzenadressen im Land. Die eine mitten auf der Wiese, die andere mitten in der Stadt – und beide sehr modern und puristisch.

Gemusterte Teppiche und Tapeten, schwere Vorhänge und Kronleuchter, gestärkte Tischdecken: Zwei-Sterne-Restaurants wie das Le Cerf im Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe oder Le Pavillon im Dollenberg mit seiner Spiegeldecke strahlen eine gediegene Eleganz aus. Es ist die große Oper für den besonderen Anlass. Jetzt aber gibt es in Baden-Württemberg zwei neue Zwei-Sterne-Restaurants, die ganz anders sind. Sie unterscheiden sich zwar auch voneinander, haben aber dennoch einen ähnlichen Ansatz für moderne Impulse in der Spitzengastronomie.

Traumhafte Kulisse, Besteck aus der Schublade am Tisch

Wer sich der Mühle Schluchsee auf ihren 1000 Höhenmetern nähert, der befindet sich erst einmal in einer Traumkulisse zwischen Wald und Wiesen. Das pittoreske Schwarzwaldhaus Baujahr 1603 war früher tatsächlich mal eine Mühle und Getreidelieferant fürs Kloster St. Blasien. Jetzt ist es ein kleines Boutiquehotel mit zehn Zimmern, zehn Tischen. Wer eintritt, muss mit knarzenden Dielen unter den Füßen auch mal den Kopf einziehen. Wenn man aber links in den Restaurantbereich abbiegt, ticken die Kuckucksuhren nicht anders als etwa am Titisee, sondern es gibt sie einfach nicht. Der weitläufige Raum mit seinem hellgrauen Steinboden und Designersesseln ist so modern wie puristisch. Aus den Schubladen der blanken Holztische holen sich Gang für Gang die Gäste ihr Besteck selbst heraus.

Das Ambiente ist so puristisch wie die Kulinarik auf dem Teller

„Manche meinen, das Restaurant könnte in jeder Metropole stehen“, sagt der Küchenchef Niclas Nussbaumer. Und, da ist er sich mit dem 30-jährigen Besitzer Marius Tröndle einig: „Wir wollen den Schwarzwald neu denken.“ Der 29-jährige Nussbaumer kam 2021 mit seiner Partnerin Lea Rupp aus der dreifach besternten Überfahrt am Tegernsee in die Mühle. Nun hat er nach dem ersten gleich den zweiten Stern mit seinem Team geholt, in dem nur zwei weitere Köche am Werk sind.

„Alles soll sich um das drehen, was auf dem Teller ist“, sagt Nussbaumer. Das Ambiente ist analog zur Küche ohne allzu viel Drumherum auf das Wesentliche reduziert. Die fokussierte Kulinarik ist häufig asiatisch und insbesondere japanisch inspiriert, aber auf Basis der französischen Küche mit überwiegend, aber nicht zwanghaft heimischen Produkten. Und eines ist klar: Zwar war die Mühle bald nach der Eröffnung 2019 und schon vor dem ersten Stern kein allzu geheimer Geheimtipp mehr. Mit dem zweiten Stern aber rückt sie als einzigartige Location noch viel mehr in den Fokus der Gourmets – nicht nur in der nahe gelegenen Schweiz.

Puristische Produktküche mitten im Wohngebiet der Weststadt

Das zweite neue Zwei-Sterne-Restaurant hat zwar konzeptionell einige Parallelen zur Mühle – die Küchenchefs kennen und schätzen sich auch – und doch einen großen Unterschied: Das 2017 eröffnete Sein liegt nicht einsam auf der Wiese, sondern mitten in der Stadt, in einem Wohngebiet der Weststadt von Karlsruhe. Wer daran vorbeischlendert, würde hier nicht unbedingt ein Zwei-Sterne-Restaurant vermuten.

Auch im Sein ist man mit teils asiatischen Elementen sehr aufs Produkt fokussiert. Als eine Art Signature Dish stehen die naturbelassenen Fjordshrimps in Buttermilch und Kerbelöl, wer mag mit etwas Kaviar on top. Der Blick wird im Sein sehr auf das Pure gelenkt, denn die Beleuchtung ist gedimmt, mit kleinen Lichtspots werden auf den blanken Holztischen aber genau die Stellen angestrahlt, an denen die Teller platziert sind. Auch hier kommt das Besteck übrigens direkt aus der Schublade am Tisch. Im Sein allerdings deckt nicht der Genießer, sondern der Service immer wieder aufs Neue „nah am Gast“ ein.

Das Sein liegt im Wohngebiet der Weststadt in Karlsruhe. Foto: Matthias Ring

Zur clubbigen Musik soll der Gast ganz in die Welt des Seins eintauchen

Inhaber und Küchenchef Thorsten Bender sagt: „Wir haben keinen Tal- oder Seeblick, deswegen soll der Gast ganz in unsere Welt eintauchen.“ Um nicht zu sehr von Gesprächen am Nebentisch abgelenkt zu sein – nur sechs Tische für maximal 16 Gäste sind im Sein – läuft leicht clubbige Musik zum Menü.

„Ehrfurcht vor einem Sternerestaurant“ soll es hier nicht geben. Selbst mit dem zweiten Stern „bleibt alles, wie es ist“, sagt Bender. Für ihn und seine zwei Köche heißt das auch: Mittagstisch von Mittwoch bis Freitag. Dabei handelt es sich nicht um schnell vorgeschobene Gerichte, sondern um die gleiche Stilistik wie am Abend zum halben Menüpreis. Bender will so „auch für junge Leute, die einfach nur mal reinschnuppern wollen, ein attraktives Angebot gestalten“. So eine Mittagsofferte ist schon für ein Sternerestaurant ziemlich besonders, für ein Zwei-Sterne-Restaurant aber geradezu einzigartig – und zukunftsorientiert.