Im russischen Visier: Ein AWACS-Frühwarnsystem der Nato beim Start in Geilenkirchen. Der Fliegerhorst war wiederholt Ziel von Ausspähversuchen . Foto: dpa/dpa

Zu den Mitteln, das demokratische Leben in Deutschland zu destabilisieren und zu bekämpfen, zählen für Russland außer Sabotage auch falsche Nachrichten und Desinformation. Einige Parteien machten sich zu Handlangern des russischen Staatsoberhaupts, sind Politiker überzeugt.

Kaum stocherten ukrainische Soldaten im Schwarzwald auf der Suche nach Minen mit ihren Kampfmessern im Boden, waren sie auch schon am Himmel: kleine Drohnen, mit Handys gesteuert. In Echtzeit übertrugen sie die Videos an ihre Piloten, zeichneten kilometerweit vom Truppenübungsplatz bei Stetten am kalten Markt auf, was deutsche Soldaten auf badischem Boden ihren Kameraden beibrachten. Keiner der Piloten wurde gefasst, nicht einmal mit speziellen Gewehren die Kontrolle über eine der Spionagedrohnen gewonnen. Hinter vorgehaltener Hand äußern Ermittler und Soldaten alle denselben begründeten Verdacht: hinter allem stecke Russland!

 

Werkzeuge russischer Geheimdienste

Mit ihrer Meinung stehen sie nicht allein. Seit Jahren wird Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), nicht müde, vor ansteigenden Aktivitäten Russlands in Deutschland zu warnen. Zur „russischen Toolbox“, zum Werkzeugkasten russischer Geheimdienste, gehöre es, Deutschland zu sabotieren: „Es mag ein vitales Interesse Moskaus bestehen, die Waffenlieferungen in die Ukraine zu behindern oder zu erschweren. Und ein Land, das mit brutalen Mitteln Krieg zu führen bereit ist, das scheut auch vor Sabotageakten nicht zurück“, ist der Jurist überzeugt.

Für Ermittler und Nachrichtendienstler ist es der letzte und schwerste Schritt ihrer Untersuchungen, eine Tat als Sabotage zu bewerten und sie einem Land zuzuweisen. Einfacher ist es, bei Angriffen in der digitalen Welt, Russland als Täter zu demaskieren.

Im Frühjahr 2022 griffen russische Hacker konzertiert das Verteidigungsministerium, den Bundestag, die Bundespolizei und mehrere Länderpolizeien an. Anfang 2023 attackierten sie die E-Mail-Postfächer von Mitarbeitern des SPD-Parteivorstandes, nahmen Rüstungs- und IT-Unternehmen ins Visier. Hinter den Attacken, so die Bundesregierung, stecke die Gruppe APT 28, eine Einheit des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Der Branchenverband Bitkom registrierte, dass vor zwei Jahren 84 Prozent der deutschen Unternehmen gehackt wurden, und in 36 Prozent der Fälle hätten die Täter in Russland gesessen.

Mit offenem Visier

„Die Russen operieren inzwischen mit offenem Visier und gehen deutlich mehr Risiko bei ihren Spionageaktionen ein. Sie geben sich kaum mehr Mühe zu verstecken, dass sie hinter bestimmten Vorfällen stecken“, sagt Konstantin von Notz. Der Grüne leitet das für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), der parlamentarischen Aufsicht über die deutschen Geheimdienste. Ein Beispiel dafür seien die jüngsten Drohnenüberflüge über Industrieanlagen in Schleswig-Holstein.

Auch bei möglichen Sabotageaktionen führen die Spuren nach Moskau. So hatte es geheißen, bei der Nato-Kaserne in Geilenkirchen habe es Hinweise auf einen russischen Sabotageakt durch den Einsatz einer Drohne gegeben. Deshalb war in der vergangenen Woche auf der Basis Alarm ausgelöst worden. „Das sind Drohgebärden, die uns unmissverständlich zeigen sollen: ,Seht her, das passiert, wenn ihr euch mit uns anlegt.’ sagt von Notz. Das Ziel solcher Aktionen sei es auch, Verunsicherung in der Bevölkerung zu schüren.

„Ein Großteil der Bevölkerung und auch ein großer Teil in der Politik weigert sich anzuerkennen, dass wir, also unsere Gesellschaft, unser freiheitliches demokratisches System Ziel des russischen Krieges ist“, sagt von Kiesewetter. Entsprechend fänden Schutzmaßnahmen völlig unzureichend statt, was man allein an der Diskussion um die ausreichende Ausstattung der Bundeswehr sieht.

Deutschland im Fokus

„Deutschland ist im Fokus hybrider Angriffe aus Russland, China und dem Iran. Dazu gehören auch die Mittel der Sabotage und Spionage“, sagt Christdemokrat Roderich Kiesewetter. Im baden-württembergischen Landtag setze sich das geheim tagende parlamentarische Kontrollgremium (PKG) „verstärkt mit diesen hybriden Bedrohungen auseinander“, sagt der Vorsitzende des Gremiums, Oliver Hildenbrand von den Grünen. Und zählt auf: „Russische Desinformation und Propaganda, die unsere Gesellschaft verwirren, die politische Stimmung aufheizen und unsere Demokratie schwächen will. Chinesische Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage, die es auf unser Know-how abgesehen hat.“

Hinzu kommen Angriffe auf die kritische Infrastruktur Deutschlands, also auf Einrichtungen und Organisationen, die für das staatliche Gemeinwesen wichtig sind: Krankenhäuser, Energie- und Wasserversorgung, Verkehr. Insgesamt sei eine „Steigerung von Cyberangriffen auf Kritis-Einrichtungen oder deren Dienstleister festzustellen“, sagt ein Sprecher des Südwest-Verfassungsschutzes. „Der weitaus größte Teil aller festgestellten Angriffe mit mutmaßlich nachrichtendienstlichem Hintergrund wird von Staaten mit besonderem Aufklärungsinteresse verübt“: Russische Föderation, China, Iran und Nordkorea.

Sabotageangriffe auf die Deutsche Bahn und „low level agents“

Im Oktober 2022 durchtrennten Täter zwei Lichtleiterkabel der Deutschen Bahn bei Herne und Berlin. Der Angriff führte zum großflächigen Ausfall des Zugfunknetzes. Elf Monate später wurden Brände an drei Kabelschächten der Bahn gelegt, über 100 Züge mussten umgeleitet werden oder fielen aus. Im Juli 2024 wurden Leitungen der Bahn zwischen Bremen und Hamburg gezielt angezündet. Der Chef des Rüstungsunternehmens Rhein-Metall, Armin Papperger, sollte nach Kenntnis von US-Geheimen von russischen Agenten ermordet werden.

Beunruhigt zeigen sich die deutschen Geheimdienste zunehmend aber auch über sogenannte „low level agents“ – Agenten auf niedrigem Niveau: Spione und Saboteure, die von ausländischen Geheimdiensten kurzfristig in Banden, Rockergruppen, Clans, rivalisierenden Gruppen angeworben und von den Nachrichtendiensten bezahlt oder erpresst werden, um in Deutschland ihr Unwesen zu treiben. Speziell ausgebildet werden sie dafür nicht. „Es zählt alleine, dass sie Menschen und Politik verunsichern“, sagt ein Verfassungsschützer. Eingesetzt würden die Aushilfsagenten für Cyberangriffe, nicht komplexe Angriffe wie Brandstiftung, Vandalismus und Propagandaaktivitäten. Gezielt würden ausländische Nachrichtendienste Strukturen der organisierten Kriminalität nutzen.

Narrative des Kremls

„Die Bedrohung unserer Demokratie und ihrer Institutionen durch Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyberangriffe hat eine neue Dimension erreicht“, schreibt Innenministerin Nancy Faser ins Vorwort des aktuellen Berichtes des BfV. Eines der Ziele gerade russischer Angriffe: Das demokratische System Deutschlands solle geschwächt und destabilisiert werden, sagen Verfassungsschützer. So warnt der Chef des Bundestags-PKG, Konstantin von Notz (Grüne) vor jenen Parteien, die aus ihrer Sympathie für Russland keinen Hehl machen. „AfD und Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) agieren zunehmend wie Agenten Putins. Sie übernehmen direkt die Narrative des Kremls und tragen sie völlig unverhohlen in deutsche Parlamente. Diese Strukturen werden sehr gezielt von Russland zur Schwächung unseres Landes unterstützt“, warnt von Notz.

„AfD und BSW sind Instrumente, die von Russland und China eingesetzt werden, zum Sprachrohr russischer und chinesischer Desinformation werden und Schritt für Schritt die Diskussionen in Deutschland verändern“, sagt Roderich Kiesewetter. Sich Despoten, Autokraten und Diktatoren wie dem Russen Wladimir Putin anzudienen, geschehe aus Überzeugung aber auch, weil es Geld dafür gebe, ist Oliver Hildenbrand überzeugt: „Die Vorwürfe gegen den Ex-AfD-Bundestagsabgeordneten Peter Bystron oder seinen EU-Kollegen Maximilian Krah sind nur jüngste Beispiele dafür.“