Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Foto: dapd

Die Behörden von Bund und Ländern schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Berlin - Staatliche Schnüffelsoftware im Kreuzfeuer der Kritik: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf, bei der Aufklärung eine Führungsrolle zu übernehmen.

Im Streit um Regeln für den Einsatz von Computerspähprogrammen schieben die Behörden von Bund und Ländern einander Schuld und politische Verantwortung zu. Hinzu kommen widersprüchliche Angaben darüber, von wem die Kriminalämter die Software beziehen - und wer darauf achtet, dass sie tatsächlich nur zu dem Zweck angewendet wird, für den die Richter in jedem Einzelfall grünes Licht geben.

Die hessische Firma Digi-Task hatte an das bayrische Landeskriminalamt jenen Trojaner geliefert, der auf einem Laptop weit mehr ausspionierte, als es anlässlich des Verdachts gegen einen mutmaßlichen Drogenkriminellen zulässig war. Während der Anwalt des Unternehmens betont, Digi-Task habe 2007 nach den Vorgaben eines Gerichtsbeschlusses für den konkreten Fall eine entsprechend umfangreiche Spähsoftware ausgehändigt, hält das zuständige Landgericht Landshut den Einsatz dieses Software-Pakets für übertrieben und somit für rechtswidrig. Digi-Task betont, ausschließlich maßgeschneiderte Programme herzustellen und an die Behördenkunden auszuliefern. Allerdings könne das Unternehmen nicht überprüfen, wie die Software tatsächlich eingesetzt würde. "Darauf weisen wir in jedem einzelnen Vertrag auch hin", so Digi-Task-Anwalt Seibert.

Zollkriminalamt überspielt Spionage-Software

Vor Gericht halten nur solche Beweise der Prüfung stand, die die Sicherheitsbehörden nach den erlaubten und vorgesehenen Ermittlungsmethoden gesammelt haben. Bayerns Innenministerium bestätigt, bei Digi-Task ein Programm nach richterlicher Anordnung eingekauft zu haben.

Der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Günter Heiß, der die Fachaufsicht über den Bundesnachrichtendienst ausübt, hatte dagegen in unserer Zeitung erklärt, die Landesbehörden bekämen "multifunktionale Rohlinge", die als Prototypen weit mehr Fähigkeiten hätten als rechtlich zugelassen. Die Ermittler selbst seien gehalten, die Spionage-Software in ihren Fähigkeiten auf jenes Maß zu reduzieren, das die Gerichte vorgegeben haben. "Behörden, die die Programme nutzen, müssen die Software für jeden einzelnen Zugriff zuschneiden, dass es im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zulässig ist." Ob diese Beschaffungspraxis möglicherweise speziell für den Auslandsgeheimdienst BND gilt, dazu wollte sich am Mittwoch niemand äußern.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums behauptet, jede Landesbehörde entwickle solche Überwachungssoftware selbst. Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) beteuert, weder Bundeskriminalamt noch Bundespolizei oder Verfassungsschutz hätten hier Amtshilfe geleistet.

Im Fall eines Trojaners in Brandenburg erfuhr unsere Zeitung dagegen, dass das Zollkriminalamt Amtshilfe leistete und dem Landeskriminalamt die Spionage-Software überspielte, mit der die Skype-Telefonate eines Tatverdächtigen belauscht wurden. Auch andere Länder mit Trojaner-Einsätzen berufen sich darauf, die Software direkt von einer Bundesbehörde bekommen zu haben. Das für den Zoll zuständige Bundesfinanzministerium betont, das Zollkriminalamt habe zwar in 16 Fällen Trojaner eingesetzt; diese seien jedoch für jeden Einzelfall entwickelt worden.

In Bayern fünfmal im Einsatz

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte Friedrich auf, bei der Aufklärung eine Führungsrolle zu übernehmen. Dessen Ressort sieht allerdings "die Länder in der Verantwortung". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangte derweil von der Bundesregierung, Klarheit für künftige Computerüberwachungen zu schaffen.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sicherte am Mittwoch in München Aufklärung zu: "Wir gehen da ran mit voller Offenheit und Transparenz." In Bayern kam die Software nach Ministeriums-Angaben in den vergangenen Jahren fünfmal zum Einsatz.

In einem offenen Brief an Landesregierung und Ermittlungsbehörden hat die Piratenpartei Aufklärung über den Einsatz des sogenannten Staatstrojaners in Baden-Württemberg verlangt. In dem am Mittwoch verbreiteten Schreiben fordert die Partei unter anderem Auskunft über die Fähigkeiten des Spionageprogramms und die rechtlichen Grundlagen.

Experten des Chaos Computer Clubs (CCC) hatten am Wochenende eine Untersuchung zu der Späh-Software veröffentlicht, derzufolge das Programm einen Computer komplett fernsteuern kann. Innenminister Reinhold Gall (SPD) stoppte den Einsatz Software, die den Angaben zufolge in Grundzügen ähnlich der dem CCC zugespielten Version war.