Die Polizei hatte den Verdächtigen bereits im März festgenommen. Foto: dpa/Stefan Rousseau

Ein junger Brite soll angeblich im Palast von Westminster als Spion für China tätig gewesen sein. Beweise dafür gibt es noch nicht.

Zu erheblicher Aufregung hat am Montag in London die Nachricht geführt, dass ein junger parlamentarischer Mitarbeiter konservativer Abgeordneter Spionage für Peking betrieben haben soll. Vertreter der Tory-Rechten verlangten in der Folge von Premierminister Rishi Sunak, China in aller Form zu einer „Gefahr für die nationale Sicherheit“ Großbritanniens, also quasi zu einer feindlichen Macht, zu erklären. Solange das nicht geschehe, werde die chinesische Führung die demokratischen Institutionen der Insel weiter systematisch zu unterwandern suchen, befürchten der frühere Tory-Vorsitzende Sir Iain Duncan Smith und andere konservative Politiker wie Ex-Premierministerin Liz Truss. Dagegen warnte Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch, man dürfe China nicht einfach zum „Feind“ stempeln und müsse sich vor „leichtfertigen Worten“ hüten. Aus Peking selbst verlautete, der Verdacht, China habe britisches Geheimmaterial „gestohlen“, sei „eine komplette Erfindung“, „reinste Verleumdung“ und „eine politische Farce“.

Verdächtiger versichert seine Unschuld

Ausgelöst hatte den bitteren Streit die Enthüllung vom Wochenende, dass die Polizei bereits im März dieses Jahres einen parlamentarischen Mitarbeiter Alicia Kearns, der konservativen Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des Unterhauses, unter Spionageverdacht festgenommen hatte. Der 28-jährige Chris Cash wurde, der Londoner Times zufolge, damals zusammen mit einer zweiten Person verhaftet, anschließend aber für die Dauer weiterer Nachforschungen bis Oktober wieder auf freien Fuß gesetzt. Cash, der Sohn eines Edinburgher Arztes, hatte an der schottischen St.-Andrews-Universität Geschichte studiert und danach zwei Jahre lang an einer Internationalen Schule nahe Shanghai im Auftrag des British Council englische Literatur unterrichtet. Er war nach seiner Rückkehr nach London von dem prominenten Tory-Abgeordneten Tom Tugendhat in die „Forschungsgruppe China“ berufen und später in Westminster von Alicia Kearns als Referent angeheuert worden.

Noch ist kein Verfahren gegen Cash eingeleitet worden. Und der liberale Londoner „Guardian“ warnte am Montag, „dass die Möglichkeit besteht, dass es letztlich gar nicht zu einem Strafrechtsverfahren kommt“. Cash selbst versicherte über einen Anwalt, er sei „vollkommen unschuldig“. Er habe bei seiner Arbeit stets „auf die Risiken und Gefahren, die Chinas Kommunistische Partei darstellt, aufmerksam gemacht“.

Großbritannien im Visier

Zahlreiche Torys zeigten sich „schockiert“ davon, dass „ein chinesischer Spion“ in ihrer Mitte operiert haben könnte – und davon, dass die Ausschussvorsitzende Kearns ebenso wie Sunaks Minister die ursprüngliche Verhaftung monatelang für sich behalten hatten. Bereits im Juli hatte der Geheimdienstausschuss des Unterhauses gewarnt, China habe Großbritannien „umfassend und aggressiv ins Visier genommen“.

Die Regierungszentrale bestätigte am Montag, dass Premier Sunak China nicht als „Gefahr für die nationale Sicherheit“ einstufen werde. Dem chinesischen Regierungschef Li Qiang habe Sunak derweil am Sonntag auf dem G20-Gipfel deutlich zu machen versucht, wie ernst für ihn „jegliche Einmischung in unsere parlamentarische Demokratie“ sei.