Der Ladeninhaber Thomas Römer ist gelernter Elektromeister, wollte aber schon immer Flohmarkthändler werden. Foto: Alexandra Kratz

Spielzeugläden haben es schwer, denn immer mehr Kunden ordern im Internet. Ein kleiner An- und Verkauf in Stuttgart-Möhringen hält sich dennoch. Dort werden nicht nur Kinder, sondern auch Sammler fündig. Was macht dieses Geschäft so besonders?

Möhringen - Micky-Maus-Hefte sind ein Klassiker. Sammler zahlen dafür teils hohe Preise. In dem kleinen Laden an der Plieninger Straße 7 gibt es etliche der bunten Zeitschriften aus längst vergangenen Zeiten. Wer will, kann in den großen Kisten nach der ein oder anderen Ausgabe stöbern. Und auch sonst ist ein Besuch in dem An- und Verkaufsgeschäft mit dem Namen Altes Spielzeug Stuttgart eine Reise in die Vergangenheit.

Viel Platz ist nicht. Die Gänge sind eng, die Regale voll. Dort sitzen Puppen mit Porzellanköpfen und Echthaar – wie zu Großmutters Zeiten. Ein Set mit original Tupperware aus dem Jahr 1979 für die Spielzeugküche macht Lust auf eine Kaffeerunde mit Kuscheltieren. An der Decke hängen Marionetten, die darauf warten, dass Kinderhände sie wieder zum Tanzen bringen. Die Bücher erzählen, dass sie schon durch viele Hände gegangen sind. Die Seiten sind vergilbt und bei manchem sehen die Ecken schon ein wenig angefressen aus. Es sind Klassiker wie zum Beispiel „Brehms Tierleben“ und „Der standhafte Zinnsoldat“ von Hans Christian Andersen. Auch eine besondere Ausgabe von Erich Kästners Kinderbuch „Das doppelte Lottchen“ ist zu finden. In dem Din-A4-Heft sind liebevoll und akkurat Bilder aus dem Originalfilm von 1950 eingeklebt. Es waren Sammelbilder, die einst zusammen mit einer bestimmten Margarine verkauft wurden. Wer auch immer die Bilder eingeklebt hat, muss viel von dem Brotaufstrich gekauft haben, denn in dem Buch fehlt kein einziges.

Der Chef hat eine besondere Leidenschaft für Spielzeug

An diesem Vormittag sind zwei ältere Herren in dem Laden. Sie interessieren sich vor allem für die Eisenbahnen und das viele Zubehör. Das meiste stammt aus dem Traditionshaus Märklin. Manche der Stücke sind kostbar und stehen hinter Glas in einer Vitrine. Auf einen dieser Waggons hat es einer der Herren abgesehen. Er wartet auf den Chef, denn den Preis, der auf dem kleinen Zettel steht, will er nicht zahlen.

Der Chef heißt Thomas Römer und ist ein Unikat. Mit der Schirmmütze auf dem Kopf und dem Leuchten in den Augen hat er trotz seiner 58 Jahre noch immer etwas Schuljungenhaftes an sich. Eigentlich könnte der gebürtige Stuttgarter als gelernter Elektromeister gutes Geld verdienen. Denn Handwerker sind in diesen Zeiten gefragter als Spielzeughändler. Doch Römer hat darauf keine Lust. „Ich wollte schon immer Flohmarkthändler werden und Spielzeug verkaufen. Als sich mit diesem kleinen Geschäft die Chance bot, habe ich sie genutzt“, sagt er. Bereut hat er diese Entscheidung nie. „Wo das Herz dran hängt, das soll man machen“, findet Römer und fügt hinzu: „Ich möchte so lange hier schaffen, wie es nur geht.“ Mittlerweile hat er auch einige Mitarbeiter. „Die haben ebenso eine besondere Leidenschaft für altes Spielzeug. Anders geht es nicht“, sagt Römer und lacht.

Käufer recherchieren Preise im Internet

Zu seiner Arbeit gehört auch, dass er jeden Samstag auf dem Trödelmarkt auf dem Karlsplatz in der Stuttgarter Stadtmitte ist. „Das Angebot ist ähnlich, das Preisniveau das gleiche wie im Laden“, sagt Römer. Zum Sortiment gehören neben Antiquitäten, begehrten Sammlerstücken und qualitativ hochwertigem Blechspielzeug auch klassische Flohmarktartikel: Kuscheltiere, Barbiepuppen, jede Menge kleine Autos. Das alles gibt es freilich zu Schnäppchenpreisen. Wer aber Interesse an den edlen Märklin-Loks und Waggons hat, der muss teils tief in die Tasche greifen. Überteuert seien seine Waren aber nicht, betont Römer. „Das können sie gar nicht sein, denn die Käufer recherchieren die Preise heutzutage im Internet.“ Also macht der Möhringer Händler das auch, um sich zu orientieren. Feilschen sei natürlich immer möglich. „Und je länger ein Spielzeug hier schon rumsteht, desto größer ist der Verhandlungsspielraum.“

Was sich besonders gut verkaufen lässt

Für seinen Laden und den Trödelmarkt ist Römer ständig auf der Suche nach neuen Waren. Wer altes Spielzeug hat, kann dieses montags bis freitags zu den Öffnungszeiten bringen – ohne Anmeldung. „Wir schauen dann durch, was wir zu welchem Preis annehmen können. Die Sachen sollten in gutem Zustand sein“, sagt Römer. Besonders gern nimmt er Markenspielzeug wie zum Beispiel Playmobil, am besten in der Originalverpackung. „Und natürlich alles, was Räder hat“, ergänzt Römer. Ansonsten seien es immer mal andere Dinge, die sich besonders gut verkaufen lassen. Einst seien die Figuren aus den Überraschungseiern mal sehr gefragt gewesen. „Doch inzwischen interessiert sich dafür fast niemand mehr“, sagt Römer. Dafür werde Spielzeug aus der ehemaligen DDR immer mehr zu gefragter Sammlerware. Alte Eisenbahnen und Zubehör kauft Römer so gut wie immer an – egal in welchem Zustand. „Diese Dinge reparieren und putzen wir auch“, sagt der Trödelhändler. Nicht gebrauchen kann er Baby-Spielzeug. „Die Kleinen nehmen ja noch alles in den Mund. So etwas lässt sich dann nicht mehr verkaufen“, erklärt er.

Im Grunde sei sein Geschäft ein moderner Recycling-Betrieb. Was sie nicht mehr brauchen, können Kinder beziehungsweise deren Eltern bei ihm zu Geld machen. Der Vorteil: das Spielzeug ist damit zumindest noch kein Müll. Für Römer ist das nicht nur ein Geschäft. Denn letztlich würden so auch Ressourcen geschont, weil nicht alles neu produziert werden müsse. In Zeiten, in denen die Menschen immer umweltbewusster werden, sei er damit „auf der richtigen Welle“.