Deutschlands größter Spielzeugkonzern Simba Dickie ist 2023 glimpflich davongekommen. Die erfolgsverwöhnte Branche ist irritiert – denn eine alte Gewissheit gilt plötzlich nicht mehr.
Die Spielzeugbranche birgt viele Weisheiten. Atome spalten ist ein Kinderspiel verglichen mit einem Kinderspiel, soll etwa Albert Einstein einmal über die Kunst gesagt haben, vor Kinderaugen zu bestehen. Am Nachwuchs wird auch in unsicheren Zeiten zuletzt gespart, ist eine Gewissheit, auf die Spielzeugmanager bislang bauen konnten. „Das hat im vergangenen Jahr nicht gegolten“, bedauert Florian Sieber. Er ist Chef der Fürther Simba-Dickie-Gruppe, Deutschlands größter Spielzeugfirma mit Marken wie Märklin (Eisenbahnen) oder Big (Bobbycar). Das Weihnachtsgeschäft sei noch einmal schlechter gelaufen als das Jahr zuvor. Und es bleibt wohl mau. „Ich sehe noch kein Ende in Sicht“, schätzt Sieber.
Um vier Prozent auf 675 Millionen Euro sind die Umsätze der Fürther 2023 gesunken. Vor Jahresfrist geplant war ein vierprozentiges Plus. Besser lief es bei der Modelleisenbahnikone Märklin in Göppingen. Bei ihr blieben die Umsätze bis Geschäftsjahresende im April 2023 bei 127 Millionen Euro praktisch konstant. Für das auslaufende Geschäftsjahr 2023/24 zeichnen sich 131 Millionen Euro ab.
Die positive Stimmung ist gekippt
Damit schlägt Simba Dickie sich besser als der Gesamtmarkt. Dort war bis Ende Oktober 2023 ein vierprozentiges Minus aufgelaufen, verbunden mit der Hoffnung auf ein rettendes Weihnachtsgeschäft und spendable Eltern. Es kam anders: Das Gesamtjahr habe in Deutschland mit einem Minus von fünf Prozent und branchenweit 4,5 Milliarden Euro Umsatz geendet, sagt Joachim Stempfle. Er analysiert die Branche für die auf sie spezialisierte Marktforschungsgruppe Circana. Unerwartet sei der Jahresendspurt noch einmal schlechter ausgefallen. Der ist für die Branche traditionell wichtig, weil sie etwa 40 Prozent ihrer Geschäfte in den Wochen vor Weihnachten macht. Es war das zweite Jahr in Folge, in dem es bröckelt – was grundsätzlich kein Fiasko ist. Denn Spielwaren waren in der Pandemie ein ausgesprochener Gewinner mit 15 Prozent Umsatzwachstum binnen zwei Jahren. „Jeder dachte, das geht so weiter“, beschreibt Sieber die Stimmung. Die ist nun gekippt, was auch jüngste Pleiten und Krisen im Handel oder auf Herstellerseite dokumentieren.
„Galeria ist ein Wackelkandidat“, sagt Sieber etwa über den wichtigen Absatzkanal Kaufhof. Wie es nach dem Kollaps der Signa-Gruppe, zu der auch Kaufhof zählt, dort mit Verkaufsflächen für Spielzeug weitergeht, ist ungewiss. Jüngst weggebrochen ist mit dem Aus für das Onlinegeschäft von My Toys bereits definitiv ein wichtiger Händler. Auf Herstellerseite musste die Holzspielzeugfirma Haba Insolvenz anmelden, auch wenn das Gröbste überstanden scheint. Dazu rutschte mit Playmobil eine absolute Größe der Branche in eine tiefe Krise, deren Ausgang noch ungewiss ist.
Es könnte schlimmer kommen. „Unter Herstellern wird es weitere Konsolidierung geben“, sagt Sieber. Angeschlagene Firmen würden entweder verkauft, oder sie gingen eben pleite. Kandidaten will er nicht nennen. Klar ist, dass Kinderzimmer denen, die sie bestücken, derzeit keine große Hoffnung machen. Das gelte vor allem für Europa und Deutschland, betont Sieber. Dortige Konsumenten seien psychologisch anfälliger in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Zudem sei inflationsbedingt auch real viel Kaufkraft verloren gegangen.
Billig-Importe aus China
Deshalb werde wieder billig eingekauft, und zwar auf Onlineplattformen wie Temu oder Alibaba per Direktimport aus China, wettert Sieber. Was ihn besonders wurmt, sind mangelnde Aufsicht und Kontrollen hinsichtlich Qualität, Sicherheit oder Sozialstandards. Europäischen Herstellern dagegen drohe mit einer diskutierten Novelle der Spielwarenverordnung neue Regulierung. „Wir regulieren uns in Europa zu Tode“, findet Sieber. Würde das für alle gelten, könnte man es noch verschmerzen. Aber wie und unter welchen oft fragwürdigen Umständen chinesische Direktimporte vor Ort produziert würden, interessiere niemanden.
Für das eigene Geschäft ist Simba Dickie allerdings auch 2024 nicht bange. Die Fürther kalkulieren mit gut sieben Prozent mehr Umsatz auf 725 Millionen Euro. Dazu soll auch der Kauf der Schulranzenmarke Scout beitragen. Ertragszahlen nennt das Familienunternehmen mit seinen inklusive Märklin rund 4000 Beschäftigten traditionell nicht. An das Umsatzplus glaubt Sieber aber nur, weil die Lager im Handel derzeit leer seien und dringend nachbestellt werden müsse. Von diesem Einmaleffekt abgesehen hat er keine Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung seiner lange auf einer Erfolgswelle schwimmenden Branche.
Spielwarenmesse
Messe
Die gesamte Spielzeugbranche versammelt sich vom 30. Januar bis zum 3. Februar auf der Nürnberger Spielwarenmesse, mit knapp 2400 Ausstellern der größten ihrer Art weltweit. In den Fokus nimmt sie dieses Jahr aber nicht die traditionelle Kernzielgruppe Kind, sondern Erwachsene. Für sich selbst kaufen diese nach Erkenntnissen von Marktforschern etwa ein Viertel aller Spielwaren, wie etwa Modelleisenbahnen oder Gesellschaftsspiele.
Umsatz
Bei 4,5 Milliarden Euro Umsatz, den die Branche zu Endverbraucherpreisen in Deutschland voriges Jahr gemacht hat, wäre das deutlich mehr als eine Milliarde für Erwachsenen-Spielzeug. „Kidults“ heißt die neue Zielgruppe, die nun in den Fokus genommen wird. Das ist sprachlich eine Mischung aus den Anglizismen „kids“ für Kinder und „adults“ für Erwachsene, was man insgesamt mit jung gebliebenen Erwachsenen übersetzen könnte. tmh