Ravensburger wirbt auf der Spielwarenmesse mit den beiden Comedians Bernhard Hoëcker (links) und Wigald Boning für seine neue Kugelbahn Gravitrax. Foto: dpa

Die baden-württembergischen Hersteller präsentieren ihre Neuheiten auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Das vergangene Geschäftsjahr war für sie wie für die gesamte Branche von Wachstum geprägt. Personelle Wechsel stehen an.

Nürnberg - Um eine Ausrede ist dieser schlagfertige kleine Mann im weißen Wissenschaftlerkittel nie verlegen: „Wir haben eine Weiche falsch herum eingebaut“, rechtfertigt Bernhard Hoëcker seine Niederlage an der Kugelbahn, während sein Gegner Wigald Boning jauchzt. Die beiden werben am Neuheitenstand von Ravensburger auf der Spielwarenmesse in Nürnberg für Gravitrax. Die Bahn erfüllt den „Systemgedanken“, den Ravensburger immer wieder in seine Produkte hineinentwickelt, wie Unternehmenschef Karsten Schmidt erklärt. Sie kann von Kindern ab acht Jahren selbst konstruiert werden und ist beliebig erweiterbar. Durch eingebaute Katapulte und Loopings wird die Kugel immer wieder beschleunigt und kann sogar aufwärts rollen. Gravitrax soll zum neuen Verkaufsschlager der Oberschwaben Ravensburger werden.

Über schleppende Geschäfte im zurückliegenden Geschäftsjahr kann sich Schmidt wahrlich nicht beklagen: 2016, in seinem 15. und letzten Jahr an der Vorstandsspitze beim Buch- und Spielwarenverlag vom Bodensee, ist Ravensburger der Sprung auf Platz 2 im deutschen Spielwarenmarkt gelungen. „Wir haben Playmobil und Mattell hinter uns gelassen und liegen nun hinter Lego.“ Als Schmidt kurz nach der Jahrtausendwende angetreten ist, habe Ravensburger nur auf Platz 6 gelegen. Der Umsatz der Gruppe ist allein in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen. Von 2015 auf 2016 legten die Erlöse um knapp sieben Prozent auf 475 Millionen Euro zu.

Klassiker verkaufen sich bei Ravensburger wie geschnitten Brot

Welche Produkte waren am erfolgreichsten? „Die Klassiker“, sagt der Noch-Chef. Dazu zählen neben den 3-D-Puzzles und dem digitalen Lesestift Tiptoi auch zwei Brettspiele, die bereits seit 30 Jahren auf dem Markt sind: „Scotland Yard“ und „Das verrückte Labyrinth“. Obwohl sie schon in den Vorjahren besser verkauft wurden, legten beide Spiele 2016 nochmals zweistellig zu. Für Schmidt nicht überraschend: „Brettspiele sind die Kategorie, die in Deutschland zuletzt am meisten zugelegt hat.“ Obwohl knapp 60 Prozent aller Sechsjährigen im Durchschnitt 24 Minuten pro Tag am Tablet verbringen, bleiben Gesellschaftsspielklassiker beliebt wie eh und je. Der Grund ist einfach: Würden Kinder gefragt, wieso sie sich für’s Brettspiel entscheiden, sagen viele: „Weil Mama und Papa dabei sind.“

Während der 60-Jährige von April an verstärkt die Seen und Berge südlich seiner Heimatstadt München umradeln und erwandern will, plant sein Nachfolger Clemens Maier schon die Ravensburger-Zukunft, ohne allerdings allzu viel verraten zu wollen: „Klar wird uns die Digitalisierung in den nächsten Jahren noch mehr beschäftigen“, sagt der 45-jährig Urenkel des Firmengründers Otto Maier, der bisher im Vorstand für die internationale Expansion, den Kinder- und Jugendbuchverlag sowie für die Holzeisenbahn-Tochter Brio zuständig ist. Der schwedische Zukauf hat sich als Glücksgriff für Ravensburger erwiesen: Zum zweiten Mal in Folge legte der Brio-Umsatz um rund 20 Prozent zu. „Im Weihnachtsgeschäft waren die Brio-Feuerwehrsets der Renner, in diesem Herbst kommen Polizei-Sets dazu“, erklärt Maier. Die kleinen Holzbahnen werden mittlerweile auch mit RFID-Chips ausgestattet, sodass automatisch der richtige Sound eingespielt wird, wenn der kleine Zug in der Waschstation stoppt. „Wir bauen Digitales ein, aber nie als Technologievernarrtheit, sondern nur dann, wenn es für die Kinder einen Mehrwert hat.“

Märklin bringt Eisenbahnwaggons für Bundesligafans in die Läden

Während der Generationswechsel bei Ravensburger bereits kurz bevor steht, lässt sich eine andere Spielwarenfamilie damit noch etwas Zeit. „Wir haben keinen Druck. Zunächst einmal muss Märklin gut aufgestellt sein“, sagt Florian Sieber. Der 31-Jährige, so viel steht fest, wird einmal auf seinen Vater Michael an der Spitze der fränkischen Spielwarengruppe Simba Dickie (Bobby Car, Schuco) folgen. „Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen dafür ist“, sagt Sieber. Bis dahin bleibt er für die schwäbische Tochter Märklin zuständig.

Beim Modellbahnbauer aus Göppingen ist nach Siebers Worten die „Trendwende“ gelungen. Nach drei Jahren mit Umsatzrückgängen werde man das laufende Geschäftsjahr 2016/17 (30. April) voraussichtlich mit einem Umsatzanstieg um eine Million auf 97 Millionen Euro abschließen. „Das sind keine großen Sprünge, aber mehr als wir vor einem Jahr erwartet hatten“, sagt Sieber. In Nürnberg präsentiert Märklin neben limitierten Sammlerbahnen – zum Teil mit 24-karätigem Gold überzogen (!) – im vierstelligen Euro-Bereich auch ein neues Lizenzprodukt für Einsteiger: Eisenbahnwaggons mit den Wappen der 18 Fußball-Bundesligisten zum Preis von 15 Euro das Stück. „So können sich Fußballfans jede Woche die aktuelle Tabelle zusammenrangieren“, erklärt Sieber.

Kosmos setzt auf Zauberei

Einige Schritte weiter steht der Neuheitenstand von Kosmos ganz im Zeichen der Zauberei. Mit jährlich mehr als 250 000 verkauften Artikeln vom Zauberstab für zehn Euro bis zum großen Zauberkasten für 80 Euro ist Kosmos deutscher Marktführer in Sachen Hokuspokus. In Nürnberg präsentieren die Stuttgarter mehrere neue Kästen für kleine Zauberkünstler ab fünf Jahren. „Zaubern macht Kinder stark und selbstbewusst“, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Im vergangenen Jahr habe Kosmos rund 75 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Der Bereich Spiele und Experimentierkästen sei zweistellig gewachsen. Auch bei den Stuttgartern haben Brett- und Gesellschaftsspielklassiker wie „Die Siedler von Catan“, „Ubongo“ und „Die Legenden von Andor“ erheblich zum Erfolg beigetragen. Den Brettspiel-Trend will Kosmos auch mit seiner neuen Rätselspiel-Reihe „Exit“ befördern. Die drei ersten Spiele seien seit vergangenem Herbst 100 000 Mal über den Ladentisch gegangen, nun folgen die nächsten drei Spiele.

Auch beim Baukastenspezialisten Fischertechnik aus Waldachtal ist das letztjährige Messehighlight gut bei den Kunden angekommen: „Unsere 3-D-Drucker waren ein Erfolg. Wir haben viele positive Rückmeldungen von Kindern und Erwachsenen bekommen“, sagt der Chef des kleinen Geschäftsbereichs der Fischer-Gruppe, Marcus Keller. Die Umsätze haben Keller zufolge erneut zweistellig zugelegt, 2015 lagen sie bei gut neun Millionen Euro. Als Neuheiten präsentiert der 47-Jährige in Nürnberg kleine Modelfahrzeuge in neuem Design und mit neuen digitalen Features, etwa die Möglichkeit zur Fernsteuerung via Bluetooth.

Fischertechnik profitiert von Made-in-Germany

Die Baukästen, die 1966 im deutschen Markt eingeführt wurden, werden noch heute ausschließlich in Deutschland gefertigt, aber mittlerweile in die ganze Welt exportiert. Außerhalb des europäischen Marktes ist Fischertechnik mit seinen Modellbaukästen vor allem in Süd- und Mittelamerika sowie in Asien erfolgreich. Die Kästen würden dort häufig im naturwissenschaftlichen oder technischen Schulunterricht eingesetzt, sagt Keller. Trotz der aktuellen politischen Unsicherheiten ist ihm für das laufende Geschäftsjahr nicht bange, so Keller: „Der Trend zu Made-in-Germany und zu hochwertigem und sicheren Spielzeug hat sich zuletzt noch verstärkt“, sagt er. „Das ist für uns als Traditionsunternehmen natürlich von Vorteil.“

Info Spielwarenmesse

Ausstellerrekord
Die Spielwarenmesse in Nürnberg kann zu ihrer 68. Ausgabe einen neuen Ausstellerrekord vermelden: 2871 Unternehmen (Vorjahr: 2851) werden auf dem Messegelände in der fränkischen Spielwarenmetropole rund 75 000 Neuheiten präsentieren – so viele wie auf keiner anderen Spielwarenfachmesse der Welt. Der Anteil ausländischer Aussteller ist im Vergleich zum vergangenen Jahr leicht gestiegen, von 72,6 auf 74 Prozent.

Trends
Vom 1. Bis 6. Februar erwarten die Veranstalter 70 000 Fachbesucher aus rund 120 Ländern, die sich über die neuesten Trends in der Branche informieren und Waren ordern können. Als drei Leittrends haben die Messemacher in diesem Jahr „Body and Mind“ (Körper und Geist), „Girl Power“ sowie „Swap and Collect“ (Tauschen und Sammeln) ausgemacht.

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.umzug-von-bayern-nach-baden-wuerttemberg-langen-mueller-zieht-von-muenchen-nach-stuttgart.bee6b817-fa55-41a9-a2cb-53c0e838ebbd.html www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.spiele-und-buchverlag-vom-bodensee-fuehrungswechsel-bei-ravensburger.fb30e9b8-205e-4ee3-a4cf-9c62e4a021d4.html