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Der riesige Spielwarenladen im Ludwigsburger Bahnhof schließt am 2. Februar, 15 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Ob das Unternehmen aus freien Stücken geht, ist unklar.

Ludwigsburg - Die Anzeichen des Niedergangs sind nicht zu übersehen. Die Rolltreppe in der Toys-R-Us-Filiale im Ludwigsburger Bahnhof ist defekt, und in der ersten Etage werden die Lücken in den Regalen immer größer – offenbar wird schon seit einiger Zeit keine neue Ware mehr nachbestellt. Eine Kasse im Erdgeschoss ist ebenfalls kaputt, nebenan werden Kinderfahrräder und Kinderwagen zum halben Preis verschleudert. Draußen, an den Fensterscheiben, kleben zwar noch ein paar bunte Werbeplakate, aber aktuell sind die nicht: „Sale! Wir schaffen Platz für Weihnachtsneuheiten.“

Das Gerücht, dass die Spielwarenkette, mit 3000 Quadratmetern Verkaufsfläche der mit Abstand größte Mieter im Bahnhofsgebäude, in Ludwigsburg keine Zukunft mehr hat, war lange nur ein Gerücht. Jetzt ist es offiziell: Neben den Werbeplakaten steht inzwischen ein weiteres Schild vor dem Laden, ebenfalls bunt und mit einer lustigen Giraffe darauf. Für die Menschen, die hinter der Scheibe arbeiten, muss das wie Hohn erscheinen, denn der Text ist gar nicht lustig: „Wir schließen am 2. Februar.“

„Die Situation der Mitarbeiter ist ein Trauerspiel“

15 Mitarbeiter sind betroffen. Nach Informationen dieser Zeitung wurden sie erst vor wenigen Tagen vom endgültigen Aus informiert und haben dabei gleich auch die Kündigung überreicht bekommen. Äußern wollen sie sich dazu nur anonym. Ein Trauerspiel sei die Situation, sagt einer hinter vorgehaltener Hand. „Die Leute stehen buchstäblich von heute auf morgen auf der Straße.“

Von Toys-R-Us gibt es dazu am Montag keine Stellungnahme, auf eine Anfrage reagiert die Zentrale in Köln nicht einmal. Aber selbst wenn das Unternehmen seinen Mitarbeitern ein Angebot auf Weiterbeschäftigung machen würde, wäre dieses wohl wenig attraktiv. Die nächsten Filialen sind in Ulm, Mannheim oder Ludwigshafen, also weit weg. Der Laden in Heilbronn hat vor wenigen Tagen dicht gemacht.

Hat der Vermieter den Vertrag nicht verlängert?

Da Toys-R-Us sich nicht äußert, kann über die Gründe für das Ende in Ludwigsburg nur spekuliert werden. Dass ein Bahnhof kein idealer Standort für einen Laden sein kann, der Spielwaren und Babybedarf verkauft, muss der Kette aus den USA auch vor drei Jahren schon bewusst gewesen sein. Trotzdem entschied sich der Konzern, dort exakt jene Fläche zu mieten,in denen sich zuvor der ins Marstall abgewanderte Saturn-Elektromarkt befunden hatte. 2017 meldete das Unternehmen dann Insolvenz an, und in der Folge wurden alle Filialen in Amerika geschlossen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz lebt Toys-R-Us zumindest als Markenname weiter, die Filialen gehören jetzt dem Unternehmen Smyths Toys aus Irland, ebenfalls ein international agierender Anbieter von Kinderspielzeug und Unterhaltungsprodukten. Offenbar sind die Läden im deutschsprachigen Raum noch profitabel.

Daher ist denkbar, dass die Räumung in Ludwigsburg gar nicht von Smyths Toys entschieden wurde, sondern vom Vermieter. Das Bahnhofsgebäude gehört dem Münchner Immobilienentwickler Dibag. Zwar sagte der zuständige Regionalleiter Sven Kübler vor nicht einmal zwei Wochen, dass „Handel perfekt ist, um Leben in ein Bahnhofsgebäude zu bringen“. Es mehren sich indes die Hinweise, dass die Gesellschaft längst eine andere Strategie fährt und plant, die Toys-R-Us-Flächen neu zuzuschneiden, um darin Büros unterzubringen. Sie bereitet jedenfalls gerade eine großzügige Erweiterung des Parkdecks an der Bahnhofstraße vor. Für Shoppingkunden braucht es die zusätzlichen Parkplätze eher nicht. Für Pendler: vielleicht. Möglicherweise aber auch nur für Menschen, die künftig in den neuen Büros arbeiten sollen.

Das „Kaufhaus mit Gleisanschluss“ ist wohl bald Geschichte

Das wäre dann ein großer Schritt weg vom „Kaufhaus mit Gleisanschluss“ – so wird der Bahnhof ob seiner Anmutung in Ludwigsburg oft bezeichnet, und das nicht ohne Spott. Die Stadt, die ansonsten jedes neue Geschäft mit offenen Armen begrüßt, ist daher nicht einmal unglücklich über die Entwicklung. „Für die Mitarbeiter ist das sehr zu bedauern“, sagt der städtische Wirtschaftsförderer Frank Steinert. „Aber aufgrund der Konstellation in Ludwigsburg war das keine Überraschung mehr für uns.“

Was Steinert damit meint: Dem Rathaus ist vor allem wichtig, dass es dem Einzelhandel in der City und in den Shoppingcentern, dem Marstall und der Wilhelmgalerie, gut geht. Hinzu kommt die Konkurrenz am Stadtrand, im Breuningerland, die man zwar kritischer sieht, aber ebenfalls nicht vergraulen will. „Aber der Bahnhof ist nicht unbedingt ausgelegt als dritter Handelsschwerpunkt“, sagt Steinert. Man habe zwar keinen direkten Einfluss auf die Entwicklung und keinerlei Druck ausgeübt in dieser Frage, hoffe aber, dass an den Gleisen künftig überwiegend „bahnaffiner Handel“ stattfindet. Und dazu zählt Steinert zwar Zeitschriftenläden oder Bäcker, aber sicher keine Spielwaren.

Kein Geheimnis ist auch, dass die Stadtverwaltung das verwinkelte, unübersichtliche und wenig attraktive Bahnhofsgebäude für kräftig überdimensioniert hält und deshalb schon lange darauf setzt, dass die Dibag das Haus irgendwann neu baut oder wenigstens umgestaltet. Insgeheim wird man im Rathaus wohl hoffen, dass mit dem Auszug von Toys-R-Us der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Kübler reagiert auf entsprechende Wünsche jedoch stets nur mit Andeutungen. „Jede Veränderung bietet die Chance, etwas zu optimieren, auch am Gebäude“, sagte er kürzlich.