Der Familienvater hat eine Privatinsolvenz hinter sich. Foto: /Gottfried Stoppel

Ein 31-Jähriger mit stattlichem Vorstrafenregister „leiht“ sich Geld von einem Bekannten gegen dessen Willen und muss sich nun wegen „räuberischem Diebstahl“ verantworten. Das Urteil fällt allerdings dann anders aus als erwartet.

Schwaikheim - Halt mal an, ich brauche Geld!“ – mit diesen Worten begann ein Abstecher in die Volksbankfiliale von Schwaikheim, der jetzt ein Nachspiel vor dem Amtsgericht Waiblingen hatte. Der 31-jährige Angeklagte hatte im März vergangenen Jahres nämlich nicht vor, selbst Geld abzuheben. Er sah vielmehr den Sohn eines Bekannten in den Bankräumen, von dem er sich Geld leihen wollte. Vom Vater hatte sich der Angeklagte zuvor schon mehrfach Geld geliehen.

 

Der 28-jährige Sohn dagegen zeigte sich weniger offen fürs Ausleihen. Daraufhin nahm der 31-Jährige laut Anklage einfach einen 50-Euro-Schein von dem Packen, den der 28-Jährige gerade einzahlen wollte. Er weigerte sich nicht nur, ihn zurückzugeben, er wurde laut Anklage sogar gewalttätig. Er habe den 28-Jährigen am Arm gepackt, um ihn abzuwehren und sei dann mit dem Auto geflüchtet. Die Staatsanwaltschaft warf ihm aufgrund der körperlichen Gewalt „räuberischen Diebstahl“ vor.

Aus einem Verbrechen wird ein Vergehen

Dass der Angeklagte gewalttätig geworden ist, ließ sich in der Verhandlung jedoch nicht nachweisen: Sein Widersacher habe ihn zwar an der Schulter angefasst, sagte der 28-jährige Zeuge. Das sei aber eher als beschwichtigende Geste in der Diskussion gedacht gewesen – weniger als Bedrohung. Auch der ermittelnde Polizist konnte auf der Bildsequenz der Überwachungskamera keine bedrohlichen Gesten erkennen. Aus dem Vorwurf eines „räuberischen Diebstahls“ wurde somit im Lauf der Verhandlung ein einfacher Diebstahl – und damit aus einem Verbrechen ein Vergehen.

Dennoch war gut zu erkennen, wie explosiv die Begegnung gewesen sein muss, weil selbst im Gerichtssaal die Stimmung zwischen den beiden spürbar aufgeladen war. „Ich hab dich nicht blöd angemacht, ich hab dich nur höflich gefragt“, fuhr der Angeklagte den Zeugen an einem Punkt aufgebracht an. Der Zeuge reagierte ähnlich gereizt: „Solange man mir nichts tut, mach ich auch nichts.“ Er wolle trotzdem keine Anzeige erstatten, betonte er vor Gericht. Der Angeklagte stand auf, übergab dem 28-Jährigen demonstrativ die 50 Euro und tätschelte seine Schulter.

Mit der Einsicht ist es nicht weit her

Diese „Schadensregulierung“ rechnete das Schöffengericht dem Familienvater zu seinen Gunsten an – ebenso wie die Tatsache, dass er den Vorfall zugab und sich entschuldigte und dass er im Lauf einer Privatinsolvenz fast alle seine Schulden abbezahlt hat. Mit der Einsicht war es dennoch nicht weit her, wie sich zeigte, als der Richter ihm das letzte Wort gab: „Das hier ist doch ein Witz, wegen 50 Euro.“

Aufgrund der acht Vorstrafen plädierte der Staatsanwalt für eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten, 80 Arbeitsstunden und Gespräche bei der Suchtberatung. Der Verteidiger forderte eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen a 50 Euro. Das Schöffengericht verurteilte den Mann zu drei Monaten auf Bewährung – sah aber von Auflagen ab. Ein Bewährungshelfer soll den Mann aber vor seiner Spielsucht schützen.

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