Glücksspiel bringt kein Glück: Es kann schnell in eine Abwärtsspirale führen. Foto: dpa/Britta Pedersen

Sie blinken, glitzern und flimmern: Spielautomaten wirken verführerisch. Doch sie können wie andere Glücksspiel-Angebote in die Abhängigkeit führen. Im Kreis Esslingen können Süchtige Hilfe durch ambulante und stationäre Angebote bekommen.

Es ist ein gefährliches Spiel. Denn sehr schnell kann daraus bitterer Ernst werden. Spielhallen, Casinos, einarmige Banditen, Onlineangebote oder Sportwetten können zur Abhängigkeit führen. Beratungen für Spielsüchtige sind daher wichtig, meint der evangelische Kreisdiakonieverband im Landkreis Esslingen. Die Verantwortlichen befürchten aber, dass ihre Hilfsangebote durch Sparzwänge und Mittelkürzungen eingeschränkt werden könnten.

 

Dann könne Menschen wie jener 40-Jährigen aus der Berufspraxis von Melanie Reiser von der Beratungsstelle Sucht und Prävention Nürtingen nicht mehr geholfen werden: Dieser Frau ging es gut, berichtet die Suchttherapeutin. Sie hatte einen spannenden Job, ein glückliches Familienleben, ein eigenes Haus. Doch Corona warf sie aus der Bahn. Zukunftsängste kanalisierte sie mit Online-Wetten. Nachts, wenn der Mann und die Kinder schliefen, setzte sie sich vor den PC und zockte. Jede Stresssituation führte zu neuen Spielattacken.

Der Wunsch nach Gewinnen

Doch Spielsucht, so Melanie Reiser, kann auch andere Ursachen haben: „Wir sind von frühester Jugend an darauf konditioniert, gewinnen zu wollen.“ Außerdem seien da der Traum vom schnellen Reichtum, der Wunsch nach Anerkennung, die Suche nach Erfolgserlebnissen und das Bedürfnis, bereits Verspieltes wieder hereinzuholen. Es gebe zwei weitere Ansätze zur Erklärung von Spielsucht, ergänzt ihr Kollege Gunther Wöllenstein: Eine charakterliche oder genetische Disposition könne dazu führen oder auch durch die Glücksspielindustrie geschaffene Anreize. Es seien niederschwellige Versuchungen, denn Spielhallen oder Online-Angebote seien leicht zugänglich und nutzbar.

Ein gut situierter Hotelier ist ihnen ebenfalls auf den Leim gegangen. Der 40-Jährige, so berichtet Gunther Wöllenstein von einem Fall aus seiner Arbeitspraxis, hatte sich nach einem Saunabesuch Zigaretten gekauft und das Wechselgeld einfach so in einen Automaten gesteckt. Beim ersten Mall ging er leer aus, doch bei einem zweiten Versuch spuckte das Gerät 25 000 Euro aus. Der Beginn eines verhängnisvollen Teufelskreises, der mit dem völligen wirtschaftlichen Ruin des Mannes endete.

Gefährliche Sportwetten

Kein Einzelfall: Etwa 60 Menschen aus dem Kreis Esslingen haben im vergangenen Jahr Hilfe bei Beratungsstellen für Spielsüchtige gesucht. Sie kamen laut den Verantwortlichen aus allen sozialen Schichten, waren durchschnittlich um die 30 Jahre alt und zu 80 Prozent männlich. Durch die Corona-Lockdowns seien die Abhängigkeiten von virtuellen Angeboten auf dem Vormarsch, doch auch Sportwetten bergen Gefahrenpotenzial. Hier, so Melanie Reiser, bestehe oft die trügerische Vorstellung, durch sportliches Wissen den Ausgang unabhängig von Zufall oder Glück beeinflussen zu können.

Bei einer Frau aus der Berufspraxis von Gunther Wöllenstein war es anders. Ihr Vorgesetzter gab ihr abends Einnahmen aus seinem Geschäft zur Abgabe bei der Bank mit. Auf dem Weg zu dem Geldinstitut kam sie zufällig an einem Spielautomaten vorbei, nutzte die Einnahmen ihres Chefs für einen Versuch und gewann. Doch der einmalige Versuch wurde zur Gewohnheit, und irgendwann konnten die Gelder nicht mehr zurückgezahlt werden.

Therapien und Hilfen

Die Frau suchte Hilfe bei der Kreisdiakonie. In manchen Fällen, so die beiden Berater, kann eine ambulante Gewinnspieltherapie helfen. Betroffene treffen sich unter fachlicher Anleitung einmal in der Woche, um über ihr Problem zu reden. Begleitend können finanzielle Einschränkungen beim Loskommen von der Sucht unterstützen. Die Betroffenen erhalten dann von Angehörigen eine bestimmte, zuvor festgelegte Geldsumme pro Woche. Unter „Oasis Spielersperre“ könne laut Melanie Reiser zudem online der Zugang zu digitalen Angeboten und Spielhallen gesperrt werden. Stationäre Therapien sind ebenfalls möglich. Zwischen acht und zwölf Wochen dauert die Behandlung. Die Rückfallquote liegt bei etwa 50 Prozent. Bezahlt werden diese Aufenthalte nach Angaben der beiden Berater bei Berufstätigen von der Rentenversicherung, bei Menschen außerhalb des Erwerbslebens von den Krankenkassen.

Spielsucht kann jeden treffen. „Oft sind es die Besten in ihren Jobs, die zu uns kommen“, sagt Wöllenstein. Stärkere Kontrollen der kommunalen Ordnungsämter, meint er, könnten helfen, denn jeder dritte bis vierte Spielautomat in Deutschland sei illegal. Und Melanie Reiser ergänzt, dass eine Einschränkung der Werbung für entsprechende Angebote auf die Nachtzeiten hilfreich wäre, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Doch auch durch Anti-Reklame könnten Menschen vor der Spielsucht geschützt werden. Gefährlich wäre nach Ansicht von Eberhard Haußmann, dem Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands, eine Kürzung der Gelder zur Finanzierung des Beratungsangebotes, die vor allem vom Bund, aber auch vom Land, dem Landkreis, den Kommunen und aus Eigenmitteln kommen. Diskussionen um Sparbemühungen wären nicht zielführend.

Spielsucht und ihre Folgen

Entwicklung
 Nach Angaben von Eberhard Haußmann vom Kreisdiakonieverband Esslingen sind Abhängigkeiten von Online-Spielen auf dem Vormarsch. 2018 seien bundesweit etwa 77 Prozent der Süchtigen von Automaten abhängig gewesen. Nach Corona lag die Abhängigkeit von Online-Spielen 2022 bereits bei 45 Prozent.

Beratung
 Die Gründe für das Aufsuchen einer Beratungsstelle durch Spielsüchtige sind laut Kreisdiakonie vielfältig. Oft geschehe dies durch Druck von außen – durch das Drängen von Angehörigen oder finanzielle Notlagen. Spielsucht könne auch zu Straffälligkeit führen und die Beratung Teil gerichtlicher Auflagen sein.  Zahlen
 Nach Angaben von Eberhard Haußmann hat der Landkreis Esslingen im vergangenen Jahr etwa 8,9 Millionen Euro durch die Vergnügungssteuer eingenommen, mit der unter anderem auch das Gewinnspiel besteuert wird.

Infos: https://www.kreisdiakonie-esslingen.de/