Feuer in der Redaktion der Tageszeitung Simsa live: Die Feuerwehr muss die Journalisten retten. Foto: factum/Granville

550 Kinder bevölkern diese Woche die Spielstadt im Sindelfinger Glaspalast. Acht- bis Zwölfjährige simulieren dabei das echte Leben: mit einer eigenen Währung und einem Stadtrat samt Oberbürgermeisterin.

Böblingen - Rauch steigt auf über Simsalon. „Feuer, Feuer“, schallt es durch die Straßen. Die Feuerwehr schnappt sich ihren Wagen und rennt los. Immer dem Rauch nach. Zwei Ecken weiter steht fest: Es brennt in der Redaktion von Simsa live, der Tageszeitung von Simsalon. Und die Lage ist dramatisch: Die Redakteure liegen bewusstlos unter ihren Schreibtischen. Die Feuerwehrleute stürmen in die Räume und ziehen die Journalisten raus. Mittlerweile ist auch der Rettungsdienst eingetroffen. Die Verletzten werden auf eine Liege gelegt und zum Krankenhaus gefahren.

Der Feuerwehrkommandant Marcel Schmid ist zufrieden mit der Truppe. Für viele war es der erste Einsatz überhaupt. Denn die meisten Bewohner der Spielstadt wechseln täglich den Arbeitsplatz. „Wir haben aber auch vier Dauerarbeitsplätze“, berichtet der Kommandant. Einen davon hat Finan, acht Jahre alt. „Ich habe schon fünf Brände gelöscht“, berichtet er stolz.

Es gibt eine Bank, eine Post, den Bauhof, viele Restaurants und Cafés

Die Feuerwehr gehört zu den beliebtesten Betrieben in der Sindelfinger Spielstadt. Und viele haben bei ihr ihre Leidenschaft fürs Feuerlöschen entdeckt. So auch der Kommandant Marcel Schmid. Der 22-Jährige war vor zwölf Jahren Bürger von Simsalon und er ergatterte einen der begehrten Jobs bei der Feuerwehr. Mittlerweile ist er der Jugendleiter der Sindelfinger Feuerwehr. Und in der Spielstadt Simsalon leitet er die Anfänger an. „Wir simulieren drei Brände am Tag“, sagt Schmid. Sehr eindrucksvoll sieht das immer aus – eine Nebelmaschine erzeugt den Rauch.

Alle zwei Jahre verwandelt sich in den Herbstferien der Sindelfinger Glaspalast in eine Spielstadt für Acht- bis Zwölfjährige. Wie im richtigen Leben gibt es in Simsalon eine Bank, eine Post, den Bauhof, viele Restaurants und Cafés sowie Handwerksbetriebe und diverse Läden. Wer einkaufen will, braucht Geld. Dafür müssen die Bewohner arbeiten. Das Arbeitsamt verteilt täglich die Jobs. Und nicht jeder erhält den Traumjob. Kevin möchte gerne zur Bank. Doch da ist nichts mehr frei. Die Alternative des Zwölfjährigen: der Dönerladen.

Die Währung in Simsalon heißt Simsa

Vincent gehört zu den Glücklichen, die einen der begehrten Bankjobs ergattert haben. Seine wichtigste Aufgabe: täglich die Lohntüten auszahlen. 32 Simsa – so heißt die Währung in Simsalon – gibt er Alisa. Soviel hat die Achtjährige heute verdient. Dafür musste sie zwei Stunden arbeiten. 20 Simsa beträgt der Lohn pro Stunde – brutto. Denn vier Simsa gehen noch für Steuern und Sozialleistungen ab. Was macht Alisa mit dem Geld? „Ich gehe Mittagessen.“

Selbstverständlich gibt es in Simsalon auch einen Stadtrat. Das achtköpfige Gremium tagt in den Katakomben des Glaspalastes. Die Oberbürgermeisterin Katerina und ihre Minister haben ziemlich viel zu tun. „Vor allem kümmern wir uns um Beschwerden und Wünsche der Bürger “, berichtet sie. Und die Liste ist lang: Die Hochschule braucht mehr Stühle, die Vegetarier fordern einen vegetarischen Döner, viele Bürger beklagen die hohen Preise für das gastronomische Angebot.

Führungen für Sponsoren

Das Gremium ordert mehr Stühle, und die Ministerin für Verpflegung, Pia, verhandelt mit dem Dönerladen. Das Ergebnis: „Es gibt jetzt auch Döner für Vegetarier“, sagt sie zufrieden.

Zu den Aufgaben der Stadträte gehört es auch, sich um die vielen prominenten Besucher zu kümmern. Der richtige Stadtwerkechef Karl Peter Hoffmann – „ein wichtiger Sponsor für Simsalon“, wie die Stadtchefin Katerina erklärt – erhält eine besondere Führung. „Wir zeigen ihm alle Betriebe, die mit Strom und Wasser zu tun haben“, sagt Katerina. Und wenn der richtige Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer zu Besuch kommt, gibt es ein besonderes Event. Er bringt einen Baum mit, der vor dem Glaspalast gemeinsam gepflanzt wird. Schon wieder ertönt die Feuersirene. Dieses Mal brennt es in der Werbeagentur. Finan macht sich auf zu seinem sechsten Brand. Vielleicht ist er ja in zehn Jahren wieder dabei – als Kommandant.

Plätze werden verlost

Teilnehmer:
Seit 1994 gibt es die Spielstadt Simsalon. Sie findet alle zwei Jahre in den Herbstferien statt, anfangs in der Klosterseehalle, seit etlichen Jahren im Glaspalast. Der Stadtjugendring Sindelfingen trägt federführend die Verantwortung und kooperiert dabei mit vielen Vereinen und Organisationen in der Stadt. Platz für 550 Kinder zwischen acht und zwölf Jahren gibt es. Da sich stets mehr Kinder anmelden als es Plätze gibt, werden die Teilnehmer ausgelost.

Mitarbeiter:
Rund 180 Mitarbeiter, davon der Großteil ehrenamtlich, machen mit. Die jüngsten sind 15 Jahre alt, die ältesten Anfang 70. Viele ehemalige Simsalonkinder engagieren sich später als Mitarbeiter. Eingebunden sind auch viele Ehrenamtliche aus den Vereinen und Kirchen der Stadt. Viele nehmen sich extra Urlaub für Simsalon.