Burkhard C. Kosminski (56) setzt in Stuttgart auf einen Mix aus Klassikern und zeitgenössischer Dramatik. Foto: dpa

Zeitgenössische Autoren, Altmeister und viele Regisseurinnen: Die Pläne des neuen Stuttgarter Schauspielchefs Burkhard C. Kosminski

Stuttgart - Das gab’s noch nie, seit das Stuttgarter Modell mit Ballett-, Opern-, Schauspielchef plus Geschäftsführendem Intendanten existiert: dass gleichzeitig drei neue Intendanten ihre Arbeit aufnehmen. „Ein historischer Moment“, wie der Geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks am Freitag im Orchesterprobenraum im Opernhaus sagte und um Konzentration auf die Kunst bat. Ausnahmsweise an dieser Stelle also keine Rede von Sanierungen und Interimsstätten.

Dafür war die Rede von: Araberpferden, einem 84-jährigen Regisseur und einer 91-jährigen neuen Ensembleschauspielerin. Mangelnde Originalität lässt sich dem neuen Schauspielchef Burkhard C. Kosminski schon mal nicht nachsagen.

Was die Tiere betrifft, ist Kosminski dem neuen Ensemblemitglied Itay Tiran, einem international bekannten israelischen Schauspieler, bei der Suche nach einer Unterkunft für dessen Pferde behilflich.

Achim Freyer inszeniert „Der goldene Topf“

Die neue, 1927 geborene Schauspielerin im Ensemble ist die großartige Elke Twiesselmann; man wünscht sich, sie möglichst oft zu sehen. Der 84-jährige Regisseur ist nicht nur der älteste, sondern auch renommierteste (sieht man ab von Milo Rau und Oliver Frljic) der inszenierenden Herren: Achim Freyer, mit dessen „Freischütz“ von 1980 (!) die Oper in die Saison startet.

„Ich bin der Richtige für die Jungen“ habe Freyer gesagt, als Kosminski ihn darum gebeten habe, sich des Abi-Sternchenthemas „Der goldene Topf“ von E.T.A. Hoffmann anzunehmen. Wenn junge Leute womöglich zum ersten Mal ins Theater gehen, sei ihm das zu wichtig, als es „schnell, schnell modisch zurechtzurutschen“, sagt Kosminski. „Sie sollen auf einen bedeutenden Künstler treffen können.“ Weiteres Sternchenthema, das auch diese Saison schon gute Auslastungszahlen im Schauspielhaus gebracht hat, ist Goethes „Faust“. Stephan Kimmigs Inszenierungwird Kosminski von seinem Vorgänger Armin Petras übernehmen.

Zeitgenössische Dramatik

Ansonsten – vieles anders. Abgesehen von den Schauspielern, die schon seit Friedrich Schirmers Intendanz am Haus waren, verlässt fast das komplette Ensemble das Haus; viele neue Gesichter also. Und anders als bei Petras sind weniger aus Film und Fernsehen bekannte Künstler darunter. Prominent dagegen sind die Autoren: Wajdi Mouawad („Verbrennungen“), mit dessen Werk „Vögel“ Kosminsiki sich als Regisseur präsentiert. Außerdem: Stücke von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und von Theresia Walser, dazu eine deutsche Erstaufführung von Roland Schimmelpfennig (von ihm selbst inszeniert) und Neues von den derzeit angesagten Autoren Clemens J. Setz und Nis-Momme Stockmann.

Kosminski setzt weniger inhaltliche Schwerpunkte, dafür programmatische: zeitgenössische Autoren und – klug im migrationshintergrundreichen Stuttgart – Internationalität. Es finden sich Stücke im Spielplan, die in mehreren Sprachen aufgeführt werden. Regisseure und Schauspieler aus Ländern wie Israel, England, Slowenien, Bosnien kommen ans Schauspielhaus.

Acht Regisseurinnen arbeiten in Stuttgart

Und falls je eine Regiequote eingeführt werden sollte (bei einer Intendantenquote würde es schwieriger), darf der Schauspielchef milde lächeln. Während Petras’ Intendanz inszenierten kaum Frauen, jetzt arbeiten in einer Spielzeit acht Regisseurinnen.

Anders als in den vergangenen fünf Jahren wird zudem ein Dauererregungssujet explizit thematisiert. Der international bekannte, aus Esslingen stammende Künstler Tobias Rehberger bespielt den Platz vor dem Schauspielhaus mit einer Art Amphitheater und nimmt dabei auch inhaltlich Bezug auf die benachbarte Baugrube von Stuttgart 21. Wie das – und alles andere – aussieht, wird sich im Herbst zeigen.

ZUR PERSON:

Burkhard C. Kosminski, 1961 in Schwenningen geboren, folgt auf Armin Petras, der seine Intendanz vorzeitig beendet. Nach einer kurzen Vorbereitungszeit präsentiert der Schauspielchef einen Spielplan, der aktuell relevante Theaterformen spiegelt, von Uraufführungen und performativen Abenden bis zu Familienstücken. Zuvor war Kosminski, der in New York Schauspiel und Regie studiert hat, leitender Regisseur in Düsseldorf und seit 2006 Schauspielintendant in Mannheim.

PREMIEREN:

Schauspielhaus (Auswahl)16. 11. „Vögel“, Wajdi Mouawad (R: Burkhard C. Kosminski). 17. 11. „Orestie“ nach Aischylos (R: Robert Icke). 23. 11. „Ich bin wie Ihr, ich liebe Äpfel“, Theresia Walser (R: Kosminski). 24. 11. „Romeo und Julia“, Shakespeare (R: Oliver Frljic). 2. 12. „Der gestiefelte Kater“, Brüder Grimm (R: Susanne Lietzow). 14. 12. „Medea“, Grillparzer (R: Mateja Koleznik). 23. 2. „Der Menschenfeind“, Molière (R: Bernadette Sonnenbichler). 2. 5. „Der Genter Altar“, Milo Rau (auch R.). 18. 5. „Der goldene Topf“, E.T.A. Hoffmann (R: Achim Freyer)

Kammertheater (Auswahl)18. 11. „Abweichungen“, Clemens J. Setz (R: Elmar Goerden). 16. 1. „Hey“, Nis-Momme Stockmann (R: Pinar Karabulut). 11. 4. Projekt von Oliver Frljic. 4. 5. „Thaddäus Troll“, Gernot Grünewald (auch R.). 25. 5. „Wolken.Heim.“, Elfriede Jelinek (R: Friederike Heller). 21. 6. „100 Songs“, Roland Schimmelpfennig (auch R.)

Nord Hier werden die Koproduktionen mit den Staatlichen Schauspielschulen Stuttgart und Ludwigsburg gezeigt.