Innerhalb weniger Wochen sind mehr als 600 Spendenpakete zusammengekommen. Die Initiatoren der Aktion sind von dem Ausmaß überrascht. Foto: Rüdiger Ott

Stella Merikidou hat eine Spendenaktion für griechische Kinder ins Leben gerufen. Die Resonanz ist riesig. Eigentlich sollte die Aktion nach einer Fuhre beendet sein, aber im Keller stapeln sich noch genügend Spenden für mindestens eine weitere.

Möhringen - Nur keinen Platz verschenken. Schließlich geht es um eine gute Sache. Die Pakete mit Hilfsgütern stapeln sich schon bis unter das Dach des Lastwagens, bedrohlich wiegen sie hin und her, und die Kinder schleppen immer noch mit buntem Papier eingewickelte Kartons mit Schleifchen an, stellen sie auf der Ladefläche ab und holen sich neue aus dem Keller. Stella Merikidou steht mitten im Gewusel, gibt einige Anweisungen nach links, bedankt sich nach rechts, lächelt und schüttelt Hände. Es sind viele Hände dieser Tage. „Wir haben selber nicht erwartet, dass das solche Ausmaße annimmt“, sagt sie. Merikidou ist Griechin, sie lebt in Möhringen. Anfang des Jahres hatte sie die Idee, Kindern in Griechenland zu helfen. Und jetzt hat sie so viele Spenden erhalten, dass der am Donnerstag vor der Riedseeschule parkende Laster nicht ausreicht, um alles nach Athen zu bringen.

Ein Besuch in der Heimat öffnete die Augen

Wer nicht in Griechenland sei, meint Merikidou, könne sich kaum vorstellen, wie hart die Wirtschaftskrise die Menschen getroffen hat. „Ich hab es selbst nicht gewusst“, sagt sie. Ein Besuch in ihrer Heimat habe ihr die Augen geöffnet. Langzeitarbeitslosen wird die Sozialhilfe gestrichen, die Arztkosten werden nicht mehr übernommen. Das gilt auch für die Kinder, sagt Merikidou. „Sie sind die Betroffenen. Sie werden nicht mehr geimpft, weil die Eltern das nicht zahlen können.“

Vielfach springt die griechische Hilfsorganisation „Das Lächeln des Kindes“ ein. Vor Jahrzehnten eigentlich gegründet, um Kindern zu helfen, die misshandelt werden oder in zerrütteten Verhältnissen aufwachsen, sucht die Organisation das Loch zu kitten, das der drohende Staatskollaps in die Sozialkassen gerissen hat. „In den Häusern werden jetzt auch viele Krisenopfer betreut“, sagt Merikidou. „Vergangenes Jahr waren es 63 000 Kinder.“

Ein eingeschworenes Grüppchen

Die hintere Kellerwand ist verschwunden hinter einem Wall aus Wellpappe. In den Eingeweiden der Riedseeschule dürfen Merikidou und ihre Helfer einen Raum benützen. Als die ersten Spenden Ende März eintrudelten, war der Keller noch leer. Um nicht den Überblick zu verlieren, sind die Kartons mit Zahlen versehen. 12 steht auf einem, auf einem anderen 186, auf einem dritten 479. „Wir haben mehr als 600 Kartons gesammelt“, sagt Merikidou. Umzugskartons wohlgemerkt, keine Schuhkartons.

Klar, die Griechen in Deutschland sind ein eingeschworenes Grüppchen. Darum hat Merikidou damit gerechnet, dass die Spendenbereitschaft groß sein würde. Die griechischen Privatschulen in der weiteren Umgebung haben sich beteiligt, in Esslingen, Göppingen, Schorndorf und anderswo haben die Kinder Pakete geschnürt. Aber dann haben auch noch andere Schulen mitgemacht, neben der Riedseeschule zum Beispiel auch die Merzschule. Hinzu kamen Vereine und Privatleute, die teils mit Transportern die Pakete angekarrt haben. Und auch Firmen haben sich beteiligt. Ein Optiker hat Brillengestelle gespendet. Ärzte haben ihre Hilfe angeboten, sie würden bei Bedarf nach Griechenland fahren.

Genügend Spenden für mindestens eine weitere Fuhre

Mehl. In einigen Paketen sind Tüten mit Mehl. Merikidou schüttelt den Kopf. „Wir schicken Mehl nach Griechenland, als wäre es ein Dritteweltland“, sagt sie. „Das tut richtig weh. Da erkennt man aber auch den Ernst der Lage.“ Die Hilfsorganisation Das Lächeln des Kindes hat eine Liste zusammengestellt mit Dingen, die gebraucht werden: Salz, Nudeln, Babybrei, Windeln, Seife, Zahncreme, Bettwäsche, Strampelanzüge, Schuhe, Hemden, Socken, Bleistifte, Spitzer.

Auch Insulin wird gebraucht. Ohnehin sind verschreibungspflichtige Medikamente hoch im Kurs. An die kam Merikidou aber nicht ran. „Wir hätten sehr gerne in diesem Bereich unterstützt“, sagt sie. „Aber da müssen wir uns erst noch kundig machen.“ Vielleicht wird sie in den nächsten Tagen Firmen ansprechen, die ihr da helfen können. Es ist ohnehin die große Frage, wie es weitergeht. Eigentlich sollte die Aktion nach einer Fuhre beendet sein, aber im Keller stapeln sich noch genügend Spenden für mindestens eine weitere.

Fürs Abschiedsfoto nimmt der gelbe Stoffbär hinterm Lenkrad Platz. Der Lastwagenfahrer, ein Grieche, hat sich bereit erklärt, die Spenden umsonst zusammen mit seiner normalen Ladung nach Athen zu bringen. Langsam rollt er rückwärts vom Hof der Riedseeschule. In anderthalb Wochen wird er wieder Halt machen in Möhringen, das hat der Spediteur versprochen.