Wer folgt Joachim Gauck, wenn er im Februar geht? Im Gespräch sind bekannte Namen – und ein Geheimtipp. Foto: dpa

Noch ist der Rückzug Gaucks nach einer Amtszeit gar nicht offiziell, da machen sich die Parteien schon auf die Suche nach einem neuen Präsidenten. Gehandelt werden viele bekannte Namen – und ein Geheimtipp.

Berlin - Es würde ja zu Joachim Gauck, der den überraschenden Auftritt nicht scheut, passen, wenn er es sich noch anders überlegen würde und anträte. All die von der „Bild-Zeitung“ genährten Spekulationen des Wochenendes: umsonst. Aber so wird es wohl doch nicht kommen. Seine Gesundheit, so hört man, macht dem Bundespräsidenten einen Strich durch die Rechnung und seine Entscheidung damit letztlich doch berechenbar. Am Montagabend will er dem Vernehmen nach in einem vertraulichen Gespräch Kanzlerin Angela Merkel seine Beweggründe kundtun. Am Dienstag wird erwartet, dass der 76-Jährige öffentlich seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit erklärt. Bestätigt ist das freilich nicht.

CDU-Chefin Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel hatten lange gehofft, dass Gauck weiter macht, wenigstens über den Tag der Bundestagswahl 2017 hinaus. Diese Bitte ist auch mit Nachdruck im Schloss Bellevue hinterlegt worden. Sogar über eine so genannte „italienische Lösung“ wurde deshalb koalitionsintern spekuliert. Als sich in Italien 2013 die Parteien in einer schwierigen innenpolitischen Lage nicht auf einen Kandidaten einigen konnten, hatte der damals 87-jährige Präsident Giorgio Napolitano sich entgegen seiner ursprünglichen Pläne bereit erklärt, doch noch einmal anzutreten. Weniger als zwei Jahre danach trat er dann zurück. So etwas ist aber mit Gauck nicht zu machen. Ganz oder gar nicht, so lautete seine Devise. Und deshalb müssen die Parteien in Deutschland nun sehen, wie sie ohne ihn zurechtkommen.

Rot-rot-grüne Gedankenspiele

Das wird deshalb eine holprige Wegstrecke, weil sich zum einen die Koalition aufgrund interner Streitigkeiten in einem extrem druckempfindlichen Zustand befindet. Zum anderen hat keine Regierungspartei ein Interesse, 2017 in den Bundestagswahlkampf mit einer klaren Bündnispräferenz zu ziehen. Weil aber die Wahl des Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten stets als strategisches Zeichen für künftige Koalitionsoptionen gewertet wird und ein auch für Grüne und FDP leicht verdaulicher Konsenskandidat, wie Gauck einer war, nicht in Sicht ist, wird es kompliziert.

Hinzu kommt, dass sowohl in der SPD, als auch in der CDU wegen der schlechten Umfragewerte umgehend eben jene Signalwirkung eingefordert wurde, die Merkel und Gabriel eigentlich vermeiden wollen. Die SPD-Linke forderte umgehend einen rot-rot-grünen Kandidaten, der im Februar 2017 rechnerisch eine Mehrheit in der Bundesversammlung hinter sich vereinen könnte. SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer sagte: „Wir haben eine CDU-Kanzlerin, und ich möchte nicht noch ein Staatsoberhaupt aus den Reihen der Union.“ Das ist deshalb interessant, weil der Fraktionsvize bis 2015 Chef der einflussreichen NRW-Landesgruppe war. Weil die Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017 für die SPD von existentieller Bedeutung ist, haben ranghohe Äußerungen von Rhein und Ruhr parteiintern derzeit besonderes Gewicht. Die Linke ließ prompt verlauten, dass sie bereit stünde.

Postwendend brachte der konservative Seeheimer Kreis in der SPD-Fraktion den für die Linken kaum erträglichen Namen Frank-Walter Steinmeier ins Gespräch. Chef-Seeheimer Johannes Kahrs sagte, „Steinmeier wäre ein sehr guter Bundespräsident. Seine Wahl wäre „nicht der Sieg einer Partei, sondern ein Sieg fürs Land.“ Der Außenminister galt lange Zeit als SPD-Angebot an die Union für einen gemeinsamen Kandidaten. Da jedoch Merkel der SPD bereits vor Wochen signalisierte, dass sie der Union einen eigenen Kandidaten liefern müsse, scheint Steinmeier aus dem Rennen. Denn Steinmeier ließe sich kaum mit den Stimmen der Linken wählen, selbst wenn die unter Schmerzen den Agenda-2010-Architekten unterstützen würden.

Frau ohne Aussicht

Wie so oft, wenn Erfolgsaussichten schwinden, wird in der SPD die Idee ventiliert, eine Frau zu nominieren. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger wäre ein passables Angebot, ist zu hören. Die 59-Jährige wird nicht als Parteisoldatin wahr genommen und hätte, so die Einschätzung, auch Strahlkraft jenseits der SPD. Eine solche SPD-Kandidatin hätte aber nur eine Chance, wenn im dritten Wahlgang andere Parteien wenigstens eine einfache Mehrheit ermöglichen. In solch einem Gedankenspiel könnte eine rot-rot-grüne Bundespräsidentin zustande kommen wie eine Art Betriebsunfall.

Größere Erfolgsaussichten hat die Union, im dritten Wahlgang könnten CDU und CSU sich mit einfacher Mehrheit durchsetzen. Naheliegend wäre es, Norbert Lammert, 67, antreten zu lassen. Der Bundestagspräsident ist zweiter Mann im Staat, redegewandt, bei den Grünen wohl gelitten, aber manchem zu eitel. Zudem ist sein Verhältnis zur Kanzlerin wegen mancher Eigenwilligkeiten nicht das Beste. Anderseits ist er ein Polit-Profi, was für viele in der Union nach dem unberechenbaren Quereinsteiger Horst Köhler ein Qualitätsmerkmal ist. Beliebter wäre in der Union Wolfgang Schäuble, den Wolfgang Bosbach ins Spiel brachte. Der Finanzminister würde trotz der demütigenden Zurückweisung 2004, als er schon einmal hoffte und dann von Merkel mit Köhler ausgebremst wurde, vermutlich nicht nein sagen. Allerdings könnte die Union dann kaum auf grüne Stimmen hoffen. Außerdem ist Schäuble nur zwei Jahre jünger als Gauck.

Der Geheimtipp der Union

Klar, dass nun auch wieder der Name Ursula von der Leyen fällt. Der Verteidigungsministerin, die sich 2010 fälschlicherweise schon in der Pool-Position wähnte, werden mittlerweile aber andere Ambitionen unterstellt. Die 57-Jährige gilt als Top-Favoritin für die Nachfolgekandidatin von Angela Merkel, sollte diese als Kanzlerin abtreten.

Als Geheimtipp wird mittlerweile Gerda Hasselfeldt gehandelt, die Chefin der CSU-Landesgruppe. Einerseits gilt die 65-Jährige als Merkel-Vertraute, anderseits ließe sich mit der ersten CSU-Bundespräsidentin der Geschichte der Geltungshunger von Parteichef Horst Seehofer womöglich etwas stillen. Der Umstand, dass eine Kandidatin erstmals eine realistische Chance hätte, könnte außerdem auch den einen oder die andere Grüne im dritten Wahlgang nachdenklich machen.