Rumms – da liegt das Teil. Eine Golf-Fahrerin ist in Feuerbach dem Stahlträger nur knapp entkommen. Foto: 7aktuell/Max Kurrer

Für eine Stuttgarter Autofahrerin spielen sich am Mittwochmorgen dramatische Sekunden ab. Aus heiterem Himmel fällt ein tonnenschwerer Stahlträger auf ihren Wagen. Die Polizei ermittelt – und das nicht zum ersten Mal an diesem Ort.

Stuttgart - Und plötzlich fliegt ein tonnenschweres Teil auf die Fahrbahn. Wie aus heiterem Himmel. Von links, quer über die Bundesstraße 295. Für eine 27-jährige Stuttgarter Autofahrerin, die gerade die Bahnunterführung beim Bahnhof Feuerbach in Richtung Weilimdorf passiert, geht es um Zehntelsekunden. Am Mittwochmorgen hat ein Baukran einen mehrere Tonnen schweren Stahlträger verloren. Er fiel auf die vielbefahrene B 295, als die 27-jährige Golf-Fahrerin dort unterwegs war.

Die Ursache des Zwischenfalls ist noch unbekannt. An der Brücke beim Feuerbacher Bahnhof wird derzeit für das Bahnprojekt S 21 eine neue Personenunterführung gebaut, die bis Juli 2019 fertiggestellt sein soll. Am Dienstag und Mittwoch standen besondere Arbeiten auf dem Programm, bei denen außerhalb des Berufsverkehrs in der Unterführung je eine Fahrspur gesperrt werden sollte.

Der Stahlträger trifft das Heck

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei sollte am Mittwoch um 7.35 Uhr ein Stahlträger in den Baustellenbereich gehievt werden. Dazu hob ein 61-jähriger Kranführer das Bauteil an – und dann ging alles blitzschnell. Die Last war offenbar nicht richtig befestigt. „Dabei rutschte der Stahlträger aus dem Halteseil und fiel über eine Böschung auf die Fahrbahn“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann.

Die vorbeifahrende Golf-Fahrerin hat das Unglück offenbar kommen sehen – und, so heißt es später, offenbar noch einmal kurz Gas gegeben. Entscheidende Zehntelsekunden. Und entscheidende Zentimeter: Der Stahlträger erwischt den VW Golf noch am Heck und reißt die Stoßfängerschürze herunter. Ein vergleichsweise glimpflicher Schaden. Die Autofahrerin kommt mit dem Schrecken davon.

Dabei beschädigt das über 20 Meter lange Teil auch den Lkw eines 39-Jährigen und demoliert zwei Stromverteilerkästen. Die Folge: die Ampelanlage im Kreuzungsbereich fiel aus. Der Verkehr von Weilimdorf in Richtung Borsigstraße und Industriegebiet musste gesperrt werden. Der Schaden beträgt laut Polizei „mehrere Zehntausend Euro“. Die Beamten ermitteln nun, ob ein technischer Defekt vorlag oder welche möglichen Versäumnisse unter den Bauarbeitern vorlagen.

Nicht immer kommt alles Gute von oben

Dass Autofahrer immer wieder von fliegenden und umstürzenden Teilen getroffen werden, ist keine Seltenheit. Einer der dramatischsten Fälle spielte sich vor genau einem Jahr auf Sindelfinger Gemarkung ab. Auf der Kreisstraße nach Stuttgart fiel eine mächtige Eiche auf ein Fahrzeug – die beiden Frauen im Wagen kamen ums Leben. Später stellte sich heraus, dass eine von außen nicht erkennbare Wurzelfäule den Baum marode gemacht hatte.

Beim jüngsten Fall in Feuerbach bestätigte das Kommunikationsbüro des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm, dass es sich beim Unglücksort um eine S-21-Baustelle handelt. Zu den Vorgängen oder laufenden Ermittlungen könne man aber keine Stellungnahme abgeben, sagte ein Sprecher. Der 61-jährige Kranführer und die beteiligten Bauarbeiter werden sich wohl wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verantworten müssen. Es ist nicht das erste Ermittlungsverfahren an diesem Ort. Am 18. Juli 2016 hatte es am Bahnhof Feuerbach schon einmal einen spektakulären Kranunfall gegeben. Ein Baukran hatte mit seiner Last den 15 000-Volt-Fahrdraht einer S-Bahn abgerissen – die Oberleitung fiel dabei auf eine im Bahnhof stehende S-Bahn. 150 Fahrgäste saßen fest, verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Ähnliches Ermittlungsverfahren vor dem Abschluss

Dieser Vorfall hatte heftige Kritik an den Bauarbeiten auf S-21-Baustellen ausgelöst. Immer wieder würden die Baukräne tonnenschwere Lasten über Fußgängerwege und Straßen, Oberleitungen und Schienen hieven – eine stete Gefahr und besonders in Feuerbach, hieß es. Das Ermittlungsverfahren gegen den damals 49 Jahre alten Kranführer wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ist noch nicht abgeschlossen. Wird das Verfahren nicht eingestellt, drohen bei Fahrlässigkeit Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft. „Der Abschluss dieses Verfahrens“, sagt Staatsanwaltssprecher Heiner Römhild, „ist in Kürze zu erwarten“.