Seit August werden Arbeiten an der Brücke zur Neckarinsel in Oberesslingen vorgenommen. Nun wird der Steg mit Hilfe von Spezialmaschinen abgebaut. Foto: Roberto Bulgrin

Nach dem Brückentag vor Allerheiligen geht es an den Brückenabbau: Mit Spezialkränen wird der marode gewordene Holzsteg über den Neckar in Oberesslingen abgebaut. Bis Mitte Dezember sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.

Unübersehbar bohren sich lange Metallfinger in die Luft. Wie Teile riesengroßer Fangarme von überdimensionierten Robotern sehen sie aus. Und fast scheint es, als wollten sie die Wolken zur Seite boxen, das Blau des Horizonts zerteilen und den Himmel zerkratzen. Doch ihre Aufgabe ist mehr irdischer Natur. Die Fangarme gehören zu drei Kränen, die links und rechts des Neckars postiert wurden. Stück für Stück müssen die Spezialmaschinen den Rad- und Fußgängersteg in Oberesslingen zur Neckarinsel abbauen. Die Brücke ist marode geworden. Sie wird daher demontiert und durch einen neuen Oberbau in ähnlicher Bauweise ersetzt.

Leichte Arbeit von Schwergewichten

Die Arbeit der schweren Kräne sieht leicht aus – locker, luftig, fast spielerisch. Langsam wird das Mittelstück des Holzstegs in die Luft gehoben, nach oben gehievt und über den Fluss geschwenkt. Das ist spektakulär anzusehen. Sufian Kurdi ist zwar Bauingenieur mit langjähriger Berufserfahrung in den Diensten der Stadt Esslingen, doch so etwas Aufregendes bekommt auch der Projektleiter nicht alle Tage zu sehen. Hinter dem Gitterzaun in sicherem Abstand beobachtet der 52-Jährige, wie die Holzbrücke in der Nähe des Eisstadions und des Geländes des Schwimmsportvereins Esslingen scheibchenweise demontiert wird.

Insgesamt fünf Brückenelemente, erklärt er, müssen nacheinander abgetragen werden. Zwischen 15 und 30 Tonnen wiege jedes einzelne Stück des Holzstegs – dieser Kraftakt sei nur mit starken Maschinen zu leisten. Am frühen Montagmorgen gegen 5 Uhr, berichtet er, kamen die drei Kräne auf der Neckarinsel an. Sie seien mit 70, 300 und 700 Tonnen echte Schwergewichte. Bis Freitag hat die ausführende Fachfirma Zeit, um den Holzsteg über den Neckar und auch ihr eigenes Equipment wieder abzubauen. Denn die bisherige Brücke muss weg. Ihre Tragfähigkeit sei nicht mehr gegeben gewesen, so der Experte. 1990 sei die Überquerung in Oberesslingen errichtet worden – und Konstruktionen wie diese hätten eine Lebenszeit von etwa 30 Jahren. Die seien nun erreicht worden. Darum der Abbau.

Brückenteile werden zerkleinert

Mittelstück schwebt durch die Luft

Diese Informationen gibt Sufian Kurdi noch. Dann verstummt er und verfolgt mit gespannter Miene, wie ein weiteres Brückenelement am Kran befestigt wird. Das Mittelstück des Holzstegs wurde inzwischen über den Neckar hinweg zum Ufer transportiert und dort abgelegt. Arbeiter stehen schon bereit, um das Brückenteil zu zerkleinern. Dann werden die Einzelteile auf Lastwagen verladen, abtransportiert und entsorgt. „Die Brückenteile werden verbrannt und somit in Wärme und Energie umgewandelt“, sagt Sufian Kurdi. Eine andere Art des Recyclings sei nicht möglich, da das Holz chemisch bearbeitet wurde und somit belastet sei.

Inzwischen sind die Arbeiten auf dem Steg soweit gediehen, dass das zweite Brückenelement in die Lüfte entschweben kann. Wenn der Holzsteg komplett abgebaut ist, so berichtet Sufian Kurdi, werden weitere Sanierungsarbeiten vorgenommen. Eine Betoninstandsetzung der Widerlager werde erfolgen und ein Korrosionsschutz auf den Stahlzugstangen angebracht. Die Pylonen auf der Brücke seien bereits zuvor instandgesetzt worden. Dann sollen die neuen Brückenelemente angeliefert, montiert und angebracht werden. Eine Firma in Fresenburg stelle diese Teile her.

An stark veränderte Ansichten müssen sich die Esslinger aber nicht gewöhnen. Die neue ähnele der alten Brücke, versichert Sufian Kurdi. Allerdings bestünden die Einzelteile nicht aus Holz, sondern aus einem mit Glasfasern verstärkten Kunststoff. Das Geländer werde zudem von bisher 1,10 Meter auf dann 1,30 Meter erhöht. Das sei Vorschrift und diene der Sicherheit der Fahrradfahrer. Die neue Brücke werde wohl länger halten als die alte, hofft der städtische Mitarbeiter. Dank ihrer geschlossenen Bauweise werde mit einer Lebensdauer von etwa 70 Jahren gerechnet.

Brücke statt Fähre

Neue Brücke statt Fähre

Nun schwebt das zweite Brückenteil durch die Luft. Passanten haben sich eingefunden, die das spannungsreiche Spektakel verfolgen. Ein alteingesessener Esslinger schwelgt in Nostalgie: „Ich erinnere mich noch genau an eine Zeit, als hier eine Fähre zwischen beiden Neckarufern verkehrte.“ Eine Fähre aber muss laut Sufian Kurdi dieses Mal nicht zum Einsatz gebracht werden. Die Arbeiten für Ab- und Neubau der Brücke verlaufen seinen Angaben zufolge im Zeit- und im Kostenrahmen. Nach jetziger Berechnung könne die geplante Ausgabe von etwa 1,6 Millionen Euro für die komplette Baumaßnahme eingehalten werde.

Mitte Dezember solle alles abgeschlossen und die neu aufgebaute Brücke passierbar sein. Und gerade in diesem Moment wird das zweite Brückenteil mit tonnenschwerer Leichtigkeit am Neckarufer abgelegt.

Der Holzsteg in Oberesslingen zur Neckarinsel

Schäden
 Im Herbst 2021 wurden laut Stadt Mängel an der Brücke festgestellt, die deren Standsicherheit beeinträchtigten. Bemerkt wurden Schäden am Belag, an der Holzunterkonstruktion, an den Holzträgern durch Feuchtigkeit sowie an den Stahlträgern und an den Verbindungselementen durch Korrosion.

Sperrung
 Im August wurde mit den Bauarbeiten an dem Holzsteg in Oberesslingen begonnen. Sie sollen bis Mitte Dezember abgeschlossen sein. Die Neckarinsel ist während der Baumaßnahme ausschließlich über die Adenauerbrücke, die Dieter-Roser-Brücke oder die Unterführung von Sirnau erreichbar.

Erleichterungen
An der Adenauerbrücke wurden laut Stadt auf dem östlichen Gehweg zum Schutz von Fußgängern Absperrelemente mit Warnleuchten aufgestellt. Unter der Adenauerbrücke wurde eine zusätzliche Haltestelle der Buslinie 104 eingerichtet.