Zahlreiche Gewandete sorgen für das mittelalterliche Flair auf dem Markt. Foto: Simon Granville

Eiersuche im Ritterlager, Feuershow und Spezialitäten: Viele Besucher zieht es am Osterwochenende bei freiem Eintritt zum Spektakel an der Stadtmauer von Weil der Stadt.

Das Mittelalter hielt über Ostern Einzug in der alten Reichstadt. Zwar mussten Händler, Gaukler, Musikanten und die Lager der ortsfremden Ritter und Edelleute ihre Zelte außerhalb der Altstadt vor der Stadtmauer aufbauen, doch gerade das machte das historische Ambiente nahezu perfekt. Schließlich galt es, mit dem Mittelaltermarkt an die erste urkundliche Erwähnung von Weil der Stadt zu erinnern. Dies geschah vor 950 Jahren, im Jahr 1075, in einer Urkunde des Kaisers Heinrich IV, als die Grafen von Calw dem Kloster Hirsau Grundbesitz in Weil schenkten.

 

Bei bestem Osterwetter kommt schon am Samstag viel Volk auf die Wiesen vor der östlichen Stadtmauer, wo sich das mittelalterliche Treiben abspielt, wie es die von der Stadt beauftragte Eventagentur Lorraine Medievale orchestriert hat. Agentur-Chef Karl-Heinz Carolan Lieb hat eine lange Liste mit Teilnehmern zusammengestellt. Weil sich die Stadt finanziell an den Kosten beteiligt, kostet dieser Markt keinen Eintritt – anders als das oft bei ähnlichen Veranstaltungen der Fall ist. Zwar gibt es am Samstagmittag keine offizielle Eröffnung mit städtischer Beteiligung, doch das tut dem Zulauf keinen Abbruch. Zwischen den Ständen, Zelten, der großen Veranstaltungsbühne und dem Lager der Freyen Rittersleut zu Randingen am unteren Ende herrscht rasch dichtes Gedränge. Von Jung bis Alt, von Klein bis Groß – sie alle kommen, schauen und staunen. Und kaufen natürlich auch, denn es gibt nicht nur eine Vielzahl von Essensständen, sondern es werden auch allerhand Waren feilgeboten.

Mittelaltermarkt lockt mit Spezialitäten und Musik

Aus der Wurstbraterei dringt ordentlich Rauch. Dort warten ebenso wie beim „Kochenden Drachen“ – wo es Rosenküchlein in verschiedenen Variationen gibt – Schlangen von Besuchern auf die Leckereien. Am Verkaufsstand mit Bier, auch alkoholfrei, herrscht reger Andrang, während nebenan auf der Bühne die Prager Gruppe Krless mittelalterlich anmutende Musik zum Besten gibt. Vor dem Königstor drehen Kinder Runden in einem von Hand betriebenen hölzernen „Riesenrad“ und auf einem kleinen Karussell. Die Älteren probieren sich beim Bogenschießen und Mäuseroulette aus, werfen Plüschratten auf Fallen und erhalten bei Erfolg ein geheimnisvolles Drachenei.

Ostereier suchen im Ritterlager

Reger Andrang herrscht auch bei dem mit neun Zelten größten Mittelalterlager, dem der Freyen Rittersleut aus der Nachbarstadt Renningen. Kinder, die „unter das Schwertmaß“ passen, dürfen dort nach Ostereiern suchen. Tobias Wild, der Vereinsvorsitzende, ist begeistert von dem großen Interesse der Besucher. „Die Kinder wollen alles über die ausgestellten Rüstungen wissen. Und wir kochen hier auf offenem Feuer, da wollen alle zuschauen. Das fasziniert sie“, sagt er.

Auch ein paar tapfere Ritter scheppern über den Markt. Foto: Simon Granville

Weil die Kleinen auch alle selbst mal Ritter sein wollen, hat der Marktstand, an dem hölzerne Schwerter verkauft werden, gute Nachfrage. Der junge Verkäufer aus dem polnischen Breslau, wo die hölzernen Spielzeugwaffen im Familienbetrieb gefertigt werden, ist zufrieden mit der Nachfrage. Ein Vater berappt gerade für zwei bemalte Schwerter 24 Euro. Ein ganz schöner Preis dafür, dass man das daheim selber machen könnte, meint er achselzuckend. Die Familie daheim unterstützt auch Lassad Khardani, der allerhand Schüsseln, Besteck und Untersetzer aus tunesischem Olivenholz anbietet. „Das Holz haben wir daheim selbst“ erzählt er, „die Artikel werden in meiner Familie hergestellt.“

Fuchs auf der Schulter der mittelalterlichen Damen

Wie Salzsieder im Mittelalter ihre kostbare Ware produzierten, demonstriert Klaus Schwade aus Niedereggen. Er und seine Frau Nadja, die die vielen Salze aus aller Welt erläutert, verkörpern Salzhändler aus dem 13. Jahrhundert aus Köln, erzählt er. „Wissen Sie, wofür die Menschen früher das meiste Salz gebraucht haben,“ fragt er und hat auch gleich die Antwort parat: „Zum Haltbarmachen von Lebensmitteln.“ Haltbar gemacht wurden auch die Fuchsfelle, die Frank Jüstel aus Schwäbisch Gmünd anbietet. Die stammen von der Schwäbischen Alb, sagt er. Und was macht man damit? „Die legen sich die Damen, die in mittelalterlichen Gewandungen unterwegs sind, auf die Schultern, um gut damit auszusehen“, so seine Erfahrung.

Richtig warm wird es dann nach Einbruch der Dunkelheit, als sich immer noch Hunderte Menschen vor der Stadtmauer einfinden, um dem Duo Infinity bei seiner brandheißen Feuershow zuzuschauen. Als dann am Schluss die Funken vor der historischen Kulisse von Stadtmauer und Klösterle nur so in den Nachthimmel steigen, ist die Begeisterung groß.

Störche brüten auf dem Stadtturm

Apropos Stadtmauer: Zu dieser gehören ja die markanten Stadttürme. Und auf einem brüten gerade wieder die Störche. Damit die Tiere nicht allzu sehr gestört werden vom mittelalterlichen Treiben, wurde direkt unter dem Turm eine große Lücke gelassen, wo keine Zelte und Stände aufgebaut wurden. Das sei so im Vorfeld mit der Stadt abgeklärt worden, so Carolan Lieb. Auch auf Kanonenschüsse und eine Fahne am Turm wurde verzichtet. Ansonsten zeigt sich der Veranstalter begeistert vom Fest und dem großen Publikumsinteresse. Mit einem solchen Ansturm, wie schon am Samstag, haben wohl nicht alle gerechnet. Der Fleischbräter habe noch mal ins Saarland fahren müssen, um beim Metzger seines Vertrauens Nachschub zu holen.