Bester Laune: SPD-Chef Sigmar Gabriel (re.) und Parteifreund Peer Steinbrück Foto: dpa

Die SPD stellt sich neu auf - durch Parteireform und drei starke Kandidatenkandidaten.

Berlin - Regierung im Wartestand oder Partei im Wandel? Die SPD kommt zwei Jahre auf Länderebene wieder auf die Beine und freut sich an der Popularität ihres Spitzenpersonals. Ein Sittengemälde. 

Zug um Zug sieht sich die SPD auf dem Weg an die Macht. "Zug um Zug" auch heißt das Buch, welches die Sozialdemokraten Peer Steinbrück (Ex-Finanzminister) und Helmut Schmidt (Altkanzler) geschrieben haben - bei der ein oder anderen Partie Schach und der ein oder anderen Zigarette. "Mal hat der eine gewonnen, mal der andere verloren", zitiert Steinbrück lächelnd ein umgewandeltes Heinz-Erhardt-Bonmot.

Es kann also doch immer nur einen Sieger geben. Auch in der SPD, die 2009 erst ihr schlechtestes Wahlergebnis im Bund seit Gründung der Bundesrepublik einfuhr und sich heute schon wieder als Regierung im Wartestand fühlt, die der amtierenden schwarz-gelben Koalition ganz staatsmännisch Kooperation bei der Euro-Rettung anbietet. Erst recht bei der Auswahl des Kanzlerkandidaten für die Wahl 2013.

Zuletzt 1998 über 40 Prozent

Doch stimmen Stimmung und Lage der Partei überein in diesen Tagen? Zwar blieb Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bei der Landtagswahl am Sonntag deutlich unter 30 Prozent und erhielt nicht mal in seinem persönlichen Wahlkreis die meisten Stimmen. In anderen Bundesländern jedoch wurde die SPD in den vergangenen zwölf Monaten in Serie in die Regierung gewählt. Zwar scheiterte der Vorsitzende Sigmar Gabriel mit der Idee, SPD-Kanzlerkandidaten auch von Nichtmitgliedern mitwählen zu lassen. Doch ein starker Schulterschlusses mit Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier soll den Eindruck erwecken, Gabriel gehe unbeschädigt aus der Diskussion heraus.

"Wir hätten heute der Vorreiter für stärkere Mitgliederrechte sein können - nun sind wir es eben ein paar Jahre später", beschreibt Thomas Oppermann als strippenziehender Geschäftsführer der Bundestagsfraktion die Lage nach der Reformschlacht. Doch die Lage bleibt unübersichtlich.

Gabriel hatte mit seinen Renovierungsplänen die eigenen Funktionäre provoziert. Zum einen ist die SPD organisatorisch mutmaßlich die konservativste Partei Deutschlands. Erschwerend hinzu kommt, dass sie im Mai dieses Jahres nur noch halb so viel Mitglieder zählte wie noch 1976 - der Apparat jedoch ist noch der alte: ausgerichtet noch dazu auf eine Partei, die zuletzt bei der Bundestagswahlen 1998 mindestens 40 Prozent der Stimmen holte.

Diese Zeiten sind vorbei. Und dieser Einsicht wollte Gabriel die Parteistrukturen anpassen. Die einflussreiche organisationspolitische Partei-Kommission stimmte am Ende einer Reform zu: Kanzlerkandidaten werden nur von Genossen bestimmt. Der Parteivorstand schrumpft von 45 auf 35 Mitglieder und tagt zweiwöchentlich. Das Präsidium wird gänzlich abgeschafft. Und statt des Parteirats beraten künftig 200 Delegierte aus Landesverbänden und Bezirken den Parteivorstand. Die Delegierten werden zudem gestärkt, indem statt 480 künftig 600 bei Bundesparteitagen mitbestimmen dürfen. "Mit diesem Kompromiss können wir leben", meint Oppermann.

Wowereit steigt in Kandidatenkreis auf

Aber werden die Funktionäre ihrem Chef den Kahlschlag nachsehen? Ein Parteitag im Dezember wird es zeigen, bei dem die Basis die Reform absegnen soll. Um seinen Kritikern öffentlich den Wind aus den Segeln zu nehmen, lässt Sigmar Gabriel in eigener Sache keinen Zweifel daran, dass er sich die Kanzlerkandidatur selbst zutraut.

Sich selbst - und nicht nur Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier oder dem Bücher schreibenden, schachspielenden und qualmendem Ex-Minister Peer Steinbrück. Doch die beiden haben derzeit einen guten Lauf: Steinmeier wurde mit satten 96 Prozent Rückendeckung aus der Bundestagstruppe erneut zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Und Peer Steinbrück erhält mit hoher Wahrscheinlichkeit volles Rederecht, wenn der Bundestag heute in einer Woche über die Erweiterung der Euro-Rettungsschirms EFSF entscheidet und dem Parlament neue Mitspracherechte einräumt.

Der Auftritt wäre erst der zweite des früheren Finanzministers als normaler Abgeordneter. Während der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise 2008/2009 war Steinbrück wichtigster Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) - entsprechend gefürchtet ist er im heutigen Regierungslager als fachkompetenter Gegenredner. Zuletzt hatte Steinbrück in diesem März im Parlament auf die Kanzlerin erwidert, als diese eine ihre Regierungserklärung zum Euro-Gipfel abgegeben hatte. Seit er sich selbst die Qualifikation zum Kanzlerkandidaten zusprach, gilt er neben Gabriel und Steinmeier schon deshalb als aussichtsreicher Kandidat, weil er auch im bürgerlich-konservativen Lager gut ankommt und von dort Stimmen zur SPD ziehen könnte.

Klaus Wowereit indes konzentriert sich aufs Koalitionsschmieden in der Berliner Landespolitik. Dass er nach seinem dritten Wahlsieg in Folge auch in den Kandidatenkreis aufsteigt, nimmt er vordergründig mit Humor: "Die SPD entscheidet Anfang 2013 über ihren Kanzlerkandidaten - ich regiere so oder so in Berlin." Zurzeit sondiert er mit Grünen und CDU die Chancen für je ein Bündnis an der Spree.