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Stuttgarter SPD-Anhänger stoßen im Graf Zeppelin an - Schmidt: Schwarz-Gelb ist abgewählt.

Stuttgart - Dejan Perc sieht das Ergebnis sportlich: "Wir haben unser Hauptziel erreicht, wir haben den Wechsel hinbekommen." Um 18 Uhr, als die erste Hochrechnung über die Bildschirme flimmert, kennt er die Stimmenverteilung in seinem Wahlbezirk Mitte noch nicht. Fakt ist: Er hat weder ein Direktmandat noch ein Zweitmandat erringen können, wie alle seine Kollegen aus den anderen Wahlkreisen.

Matthias Tröndle, der auf den Fildern angetreten war, winkt ab und eilt in den Landtag, doch die meisten Genossen, die sich in den Konferenzsälen des Hotel Steigenberger auf dicken Teppichen mit kühlen Getränken erfrischen, sehen es so wie Perc. Wasser, Bier und Wein fließen, und Andreas Reißig, der Kreisvorsitzende der SPD, strahlt wie selten in den letzten Wochen: "Jetzt weht ein frischer Wind in der Landespolitik", ruft er gegen die skandierenden Parteifreunde an. "Oooch!", heucheln die Bedauern, als die Sendeanstalten die betretenen Mienen der CDU-Abgeordneten aus dem Landtag übertragen, und rufen "nie mehr Stefan Mappus, nie mehr, nie mehr".

Bis zu sieben Prozent hat die SPD im Vergleich zur letzten Landtagswahl 2006 in Stuttgarter Wahlkreisen verloren, und Reißig kommt nicht umhin, trotz des Jubels ringsum einen kritischen Blick auf das Gesamtergebnis zu werfen: "Wir haben gekämpft und liegen trotzdem leider nicht vor den Grünen, aber wir können jetzt in Koalitionsverhandlungen treten."

Was das bedeuten könnte, darüber machen sich insbesondere die Stadträte an diesem Abend Gedanken. "Die Stadt wird mit Sicherheit ein besseres Verhältnis zum Land bekommen", hofft die SPD-Vorsitzende des Gemeinderats, Roswitha Blind, und damit beispielsweise auf "mehr Unterstützung für die Kommune in der Kinderbetreuung". Sicher ist sie sich zudem, "dass es keinen Abriss des Hotels Silber geben wird und der Nord-Ost-Ring in den Schubladen verschwindet".

Immer wieder erklingen Schlachtrufe wie im Stadion. Die jungen SPD-Mitglieder sehen sich in ihrem Einsatz während des Wahlkampfs bestätigt. Nils Schmid, der Spitzenkandidat, ist aus dem Landtag zu einer kurzen Visite herbeigeeilt und ruft in den Beifall: "Wochen und Monate haben Kandidaten und Helfer gekämpft, heute wurden wir belohnt."

Baubürgermeister Matthias Hahn hat sich eine gute Sichtposition an einem Stehtisch gesichert, verfolgt die Berichterstattung im Fernsehen mit wechselndem Mienenspiel: "Ein Wechsel ist immer etwas, was Freude macht. Für uns ist das natürlich kein ganz einfaches Ergebnis, aber wir haben nun die Chance, Leute in Position zu bringen, die sich in der Opposition zerschlissen hätten."

Ruth Weckenmann, die in Stuttgarts Norden angetreten ist, verspricht sich davon einen Schub für Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und damit bessere Bildungschancen. Da ist sie ganz eins mit Kollege Martin Körner, der in Bad Cannstatt und den Bezirken am Neckar den Einzug in den Landtag verpasst hat. "Für Stuttgart und seine bunte Gesellschaft ist das Thema Bildung von elementarer Bedeutung." Zu vorgerückter Stunde macht er sich, "zugegebenermaßen enttäuscht", auf den Weg zu seinem Ortsverein. Der lässt den Wahlabend im Waldheim Raichberg ausklingen. Zurück bleiben die Champagner- und Sektflaschen im Hotel Steigenberger: ungeöffnet auf Eis.