Diskussion und Unterstützung in trauter Runde (von links): Sascha Binder, Leni Breymaier, Macit Karaahmetoglu und Dunya Balu Foto: factum/Granville

In einer scheinbar paradoxen Wahlveranstaltung redet die SPD mehr über die AfD als über sich. Doch den Genossen tut das gut.

Ludwigsburg - Dass die SPD nicht mal ansatzweise mit einem Besucherzuspruch wie bei der FDP mithalten kann, weiß Macit Karaahmetoglu. 30 Stühle hat er im nicht allzu repräsentativen Haus der Ludwigsburger Sozialdemokraten aufstellen lassen für die Wahlkampfveranstaltung mit der Landesvorsitzenden Leni Breymaier. Bei der Wahlkampfveranstaltung der FDP mit ihrem Bundesvorsitzenden Christian Lindner fluteten hunderte Anhänger den hippen Urban Harbour. Karaahmetoglu, der im Wahlkreis Ludwigsburg für seinen Einzug in den Bundestag kämpft,zuckt mit den Schultern. So ist das eben.

Das Dilemma mit der AfD

Aber – das wird dieser Abend erweisen – eine Veranstaltung in so kleinem Kreis muss nicht traurig sein. Im konkreten Fall könnte sie dazu geführt haben, dass den Genossen etwas wohler ist beim Genosse sein. „Wenn wir alle für 50 Cent mehr Mut aufbringen, wird die Welt auch schon ein bisschen besser“, appelliert Leni Breymaier ans Publikum, das an diesem Abend diskutieren wollte, wie viel rechts die Demokratie verträgt.

Was schon mal schwierig ist, weil man bei so einem Thema zwangsläufig viel über die AfD reden muss. Was die Gefahr birgt, die Partei größer zu machen, als es der SPD lieb sein kann. Auch im Landtag stelle sich oft die Frage, ob man auf einen Beitrag der AfD-Redner eingeht oder nicht, bekennt der SPD-Abgeordnete Sascha Binder aus Geislingen (Kreis Göppingen). Aber, sagt Leni Breymaier, die zugleich Spitzenkandidatin ihrer Partei für den Bundestag ist, wenn man den AfD-Granden ihre „1000 kleinen Grenzüberschreitungen“ durchgehen lasse, sei das die Legitimation für andere, „sich auch daneben zu benehmen“. Applaus!

Widersprüchen auf der Spur

Wie aber sich richtig verhalten? „Radikal höflich“, lautet die Antwort von Dunya Balu. Die Studentin aus Mannheim hat mit Freunden die Aktion „Kleiner Fünf“ initiiert, die mit dafür sorgen will, dass die Alternative für Deutschland an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Mit originellen Aktionen und praktischen Tipps für die Gesprächsführung wollen sie jene unterstützen, die (potenziellen) Rechtspopulisten die Stirn bieten möchten, aber nicht wissen wie. Kurz gefasst: Immer cool bleiben, zuhören, ernst nehmen. Und hinterfragen, Widersprüche aufzeigen, Gegenargumente bringen. „Sie geben uns zwar das Gefühl, dass sie die Mehrheit sind“, sagt Dunya Balu, deren Initiative auf mehr als Hundert Mitglieder gewachsen ist, „aber sie sind es nicht!“ Applaus! „Nicht auf den Leim gehen“, lautet die Antwort von Sascha Binder. Was „die“ sagen, höre sich vielleicht präzise an, aber oft sei es das eben nicht. Behaupte die AfD etwa, wenn ein Autofahrer geblitzt werde, sei der Strafzettel sofort da, wenn hingegen ein Flüchtling ausgewiesen werde, müsse er nicht sofort abreisen, dann klinge das zwar knackig. Die Wahrheit jedoch sei, sagt der Rechtsexperte seiner Fraktion, dass der Strafzettel eben nicht umgehend zugestellt werde, und dass man einen Flüchtling eben nicht umgehend ausweisen kann. Für ein rechtsstaatliches (!) Verfahren brauche man Papiere, und bis die von einem Konsulat übersandt würden, könnten Monate vergehen. Das, so Binder, sei präzise.

Freundliche Antwort auf hässliche Mails

Leni Breymaier übrigens schreibt, wenn sie in Hassmails mal wieder übelst beleidigt wird, den Absendern Folgendes zurück: „Vielen Dank für Ihre Mail. Ich nehme sie nicht persönlich, denn wir kennen uns nicht“, lautet ihr Text. „Das kostet Kraft, aber das ist es wert“, sagt die SPD-Chefin. Immer wieder nämlich schrieben die Verfasser zurück und entschuldigten sich. Applaus!

Eineinhalb Stunden lang gibt sich die SPD für ihre Veranstaltung. Und es gehört zur Paradoxie des Abends, dass die Genossen ungleich mehr darüber reden, was an der AfD schlecht ist, statt darüber, was an der SPD gut ist. Oder, um es mit Dunya Balus Worten zu sagen: „Wir sind gezwungen, grundlegende Werte zu verteidigen, statt Visionen zu entwickeln.“

Mut zur SPD

Aber natürlich gibt es an der SPD viel Gutes – das macht Leni Breymaier ihren Genossen ermutigend leidenschaftlich klar. Wessen Spirit und Hirn stecke denn in den guten Projekten, die in Berlin während der vergangenen vier Jahre entstanden seien? Wer habe denn soziale Antworten auf die Probleme der Bürger? Wer stehe denn für solidarische Lösungen? – Ganz klar: die SPD! „Wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass wir sie und ihre Probleme ernst nehmen“, ruft Breymaier, die weiß, dass etwas schief gelaufen sein muss, wenn es die SPD nur zu viertstärksten Fraktion im Landtag geschafft hat. Applaus!

Im Laufe des Abends kamen übrigens noch so viele Zuhörer dazu, dass weitere Stühle herangeschafft wurden, so dass man sagen kann: Das kleine Haus der SPD war rappelvoll.