Quo vadis, SPD? Andrea Nahles wird bei ihrer Rede auf dem Parteitag erste Antworten auf diese Frage geben müssen. Foto: dpa

Die SPD wählt erstmals eine Frau an die Spitze. Fragt sich nur, welche. Andrea Nahles ist Favoritin. Ihre Gegenkandidatin, die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, zielt auf die wunden Punkte der Fraktionschefin. Die Parteiführung ist nervös.

Berlin - Der Sonntag wäre mindestens für den weiblichen Teil der SPD eigentlich ein Tag zum Feiern. Egal was kommt, es wird 155 Jahre nach Gründung der Partei erstmals eine Frau an der Spitze stehen. Aber obwohl die Delegierten auf dem Parteitag in Wiesbaden deshalb der Hauch der Geschichte umweht, dürfte ihnen nicht nach Feiern zumute sein. Die Partei muss einen Weg finden, ihre tiefste Krise zu überwinden. Da ist die Wahl einer Vorsitzenden nur ein erster Schritt. Erst danach geht’s ans Eingemachte. An das, was gemeinhin als „Erneuerung“ umschrieben wird, worunter die rund 460 000 Mitglieder sich aber höchst Unterschiedliches vorstellen.

Parteichefin wird aller Voraussicht nach Andrea Nahles werden. Sie ist schon Fraktionschefin und würde somit alle Fäden in der Hand halten, so denn die rund 600 Delegierten den Buchmachern unter den politischen Beobachtern folgen, die Nahles im Schnitt ein Ergebnis von rund 75 Prozent vorhersagen.

Das würde allgemein als einigermaßen akzeptabel angesehen. Denn Nahles hat für den Gang in die bei vielen so verhasste große Koalition gekämpft, sie ist Teil des Establishments, das für den Niedergang verantwortlich gemacht wird. Einige trauen ihr deshalb nicht zu, die versprochene programmatische und organisatorische Erneuerung der SPD zu bewältigen.

Da ein Ergebnis von 100 Prozent ihren Vorgänger Martin Schulz belastet statt beflügelt hat, wird es Nahles verhältnismäßig leichtfallen, ein mäßiges Ergebnis zu verkraften. Zumal die 47-Jährige nicht die Einzige ist, die sich zur Wahl stellt.

SPD-Führung reagiert nervös auf Langes Kandidatur

Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange fordert die ehemalige Juso-Vorsitzende heraus. Sie ist die einzige, die übrig blieb von mehreren potenziellen Kandidaten, die sich zum Sturm aufs Willy-Brandt-Haus berufen fühlten. Nur die ehemalige Polizistin erfüllt die notwendige Voraussetzung, die Unterstützung von mindestens drei Ortsvereinen.

Das Willy-Brandt-Haus reagierte nervös auf ihre Kandidatur, zuletzt drohte die Auseinandersetzung in eine unwürdige Schlammschlacht auszuarten. Beide Seiten werfen einander vor, unsauber zu spielen. Öffentlich kritisieren will aus der Parteispitze die Gegenkandidatin niemand. Eine Konfrontation, die dem Muster „die da unten gegen die da oben“ folgt, will man unter allen Umständen vermeiden. Auch auf dem Parteitag will man Lange einen unschlüssige Delegierte emotionalisierenden Märtyrerstatus vorenthalten. Beide Kandidatinnen haben 30 Minuten Zeit, sich vorzustellen. Beide werden Gelegenheit bekommen, sich Fragen der Delegierten zu stellen, die in einer Art Losverfahren ermittelt werden.

Lange zielt schon im Vorfeld auf die wunden Punkte der Favoritin. Nahles habe in vielen unterschiedlichen Funktionen schon so viele Chancen vertan, die Partei zu reformieren, dass es ein Fehler wäre, sie die Fackel der Erneuerung tragen zu lassen. Nahles, die sich in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit rar gemacht und stattdessen ihr künftiges Machtgefüge aufgebaut hat, sieht das natürlich anders. Sie fühlt sich gerüstet. „Ich glaube, ich kann das, und ich kann das auch im Team mit anderen zu was Gutem machen“, sagte Nahles der Deutschen Presse-Agentur.