SPD-Chefin Andrea Nahles ärgert sich vor allem über ein Wort im Kompromisspapier der Union: „Der Begriff Transitzentren ist in höchstem Maße ärgerlich.“ Foto: dpa

Nach der Verständigung der Union in Sachen Asyl ist die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles schwer verstimmt. Über Horst Seehofer. Aber auch über die Kanzlerin.

Berlin - Nach dem Kompromiss zwischen Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisiert die SPD: Hallo, wir sind auch noch da. Die Stimmung bei den Genossen ist schon seit langem mies. Aber jetzt, nach der Last-Minute-Einigung der Union, ist sie noch mieser. Bei dem irrwitzigen Polit-Tango, den Seehofer mit Merkel aufs Parkett legte, hatte die SPD zwar nicht die Musik bestellt.

Ein Bruch der Koalition wäre für die SPD-Spitze aber angesichts der Umfragewerte, ungeklärter Richtungsfragen und problematischen Kassenstandes ein Himmelfahrtskommando. Deshalb ist man schon froh, dass der Unionsstreit nicht eskalierte – einerseits. Anderseits habe Merkel wieder mal aus Sicht der SPD brutal Foul gespielt, wo doch die Genossen ihr zuletzt so artig den Rücken frei gehalten hätten.

Erinnerung an alte Tweets

Dass Merkel den Begriff „Transitzentren“ für die geplanten grenznahen Auffanglager zuließ, hat viele in der SPD auf die Palme gebracht. Denn es ist ein leichtes, Tweets in den Tiefen des Netzes auszugraben, in denen SPD-Promis wie der aktuelle Außenminister Heiko Maas („Fatales Signal“, „Zäune lösen keine Probleme“) oder Ex-Parteichef Sigmar Gabriel („Die SPD hat sich durchgesetzt. Transitzonen sind vom Tisch“) ähnlich genannte Lager 2015 noch als Teufelszeug abgetan hatten.

SPD-Linke bringen die Statements erneut in den virtuellen Kreislauf sozialer Medien und ernten gewohnt überhitzte Reaktionen. Juso-Chef Kevin Kühnert verweist auf die Beschlusslage der Partei, den erst an diesem Montag einstimmig beschlossenen Fünf-Punkte-Plan, in dem solche umgrenzten Lager ausgeschlossen werden: „Die SPD hat geschlossenen Lagern eine deutliche Absage erteilt“, sagte Kühnert, und fügte an: „Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Außengrenze oder in Passau.“

Ein „vergifteter Knochen“ der Union?

Der parteiinterne Druck bringt Nahles in Not und Merkel und Seehofer haben es ihr gewiss nicht ohne Absicht überlassen, mühsam erklären zu müssen, dass die jetzt von der Union ins Spiel gebrachten „Transitzentren“ nach allem was man weiß wenig mit jenen damals fast gleichlautend genannten Lagern zu tun haben sollen, über die 2015 erbittert gestritten wurde. Damals habe die Union täglich Abertausende Flüchtlinge einsperren wollen mit der Aussicht auf ein monatelanges Asylverfahren.

Diesmal gehe es wohl um die vergleichsweise niedrige Zahl von rund 13000 Flüchtlingen jährlich, es beträfe nur jene, die nachweislich schon in einem anderen EU-Staat registriert worden seien und außerdem seien nun verkürzte Verfahren möglich. Aber sicher sind sich die Genossen da nicht. Erfahrene Genossen sprechen von einem „vergifteten Knochen“. Merkel setze darauf, dass die SPD den Union-Kompromiss für sie abräume und die CSU dann „im Wahlkampf sagen kann: Die Sozis sind schuld.“

„Dieser Zettel ist nicht das Endprodukt“

Weil aber die SPD für eine Totaloffensive derzeit wohl zu schwachbrüstig ist, berieten Nahles, die Parteispitze, Fachleute und Innenminister ihrer Partei den ganzen Dienstag, wie im abendlichen Koalitionsausschuss vorzugehen sei. Der Ball sollte zurück ins Feld der Union. Die Frage war bloß: wie?

In der Fraktion gab Nahles immerhin das deutliche Signal, dass sie Merkels Spiel durchschaue. „Der Begriff ‚Transitzentren‘ ist in höchstem Maße ärgerlich“, und könne „nicht akzeptiert werden“, sagte sie nach Informationen unserer Zeitung. Teilnehmer zitieren sie mit den Worten: „Dieser Zettel ist nicht das Endprodukt“. Eine zuvor zwingend erforderliche Einigung mit Italien und Österreich sei in weiter Ferne, viele Details nicht ansatzweise geklärt: „Ich bin nicht bereit, vor dem Hintergrund dieser europäischen Dimension mich auf so eine Pipi-Lösung einzulassen.“ Später soll auch noch die Formulierung „Mickey-Maus-Lösung“ gefallen sein. Nahles spielte damit auf ein Zitat von Bundesinnenminister Horst Seehofer an, der im Unionsstreit über Zurückweisungen an der Grenze gesagt hatte, Merkel mache „aus einer Mickey Mouse ein Monster.“